Eine neue Broschüre listet Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt auf. Foto: dpa

Eine neue Broschüre listet Anlaufstellen bei häuslicher Gewalt auf. Laut dem Fellbacher Polizeichef kommt es in der dunklen Jahreszeit häufiger zu Problemen, weil die Menschen mehr daheim sitzen.

Fellbach - Wird eine Person in einer Ehe oder Partnerschaft gewalttätig, kann sie seit 2001 aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden. Vier Jahre später kam das Gewaltschutzgesetz mit Möglichkeiten wie beispielsweise dieser hinzu, ein Näherungsverbot auszusprechen. „Das ist eine tolle Entwicklung. Früher mussten die Opfer die Taschen packen und ins Frauenhaus. Das heißt, sie und beteiligte Kinder wurden aus ihrem Umfeld gerissen. Jetzt muss der gehen, der zugeschlagen hat“, sagt Erhard Keicher.

Die Broschüre bietet Kontakte und Anlaufstellen

Er arbeitet beim Sozialen Dienst im Kreisjugendamt und war kürzlich, gemeinsam mit weiteren Beteiligten des Fellbacher Hilfenetzes bei Häuslicher Gewalt – unter anderem der Opferberatung, einer Rechtsanwältin und dem Ordnungsamt – zu Gast im Rathaus. Denn: Im Hinblick auf den 25. November, dem internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, hat die Gleichstellungsstelle der Stadt in Zusammenarbeit mit diesen Fachleuten eine Broschüre mit dem Titel „Das Fellbacher Hilfenetz bei häuslicher Gewalt – Beratung und Unterstützung für Betroffene“ herausgegeben. Das Exemplar bietet in zehn Sprachen Kontakte und Anlaufstellen. Der gesetzliche Gewaltschutz wird erläutert, und die Beratungs- und Unterstützungsstellen sind mit Telefonnummern, Ansprechpartnern und Adressen aufgelistet.

Die Fälle nehmen von der Intensität her zu

Dass die Broschüre wichtig ist, zeigen die aktuellen Zahlen, die Revierleiter Klaus Auer, der seit dem Bestehen des Runden Tisches 2003 ebenfalls Teil des Netzwerkes ist, mitgebracht hat. So sei es 2014 bisher (Stand 5. November) zu 72 Fällen im Bereich Fellbach und Kernen mit 92 Straftaten gekommen. Die Vorfälle hatten 17 mal einen Platzverweis, 16 mal eine einstweilige Anordnung und einmal eine Einweisung ins Zentrum für Psychiatrie zur Folge. „Im Vergleich zum Vorjahr scheinen die Fälle zwar von der Menge her rückläufig, aber von der Intensität her zunehmend“, sagt der Fellbacher Revierleiter. Außerdem komme jetzt die dunkle Jahreszeit, in der es erfahrungsgemäß zu mehr Problemen komme, weil die Leute mehr daheim und damit enger aufeinander sitzen würden.

Die Wartezeit bis zum ersten Training ist lang

Eine Tatsache, die die Anwältin Heike Weber bestätigen kann. „Ein Klient meinte, er und seine Frau hätten 28 Quadratmeter. Dass es da zu Spannungen kommt, ist nur zu verständlich“, sagt sie. Wenig einleuchtend ist für die Fachleuten des Hilfenetzes die Tatsache, dass momentan ein halbes Jahr Wartezeit zwischen der Zuweisung eines Täters an eine Männerinterventionsstelle und dem ersten Training liegt. Erhard Keicher sagt: „Unsere Hilfsangebote laufen so gut. Aber das ist ein Problem. Die Wartelisten hemmen uns. Je länger das Einüben von Deeskalationsstrategien rausgeschoben wird, desto höher ist die Gefahr eines neuen Übergriffs.“

Das Fellbacher Revier war das erste, das hauptamtliche Sachbearbeiter bei häuslicher Gewalt eingesetzt hat. „Ich bin eng mit dem Thema verbunden“, sagt Klaus Auer, der auch im Vorstand der Initiative Sicherer Landkreis engagiert ist. Geht ein Hilferuf wegen häuslicher Gewalt ein, was überwiegend am Abend passiert, kommt Simone Plattner vom Fellbacher Revier. „Häufig sprechen wir, auch gegen den Willen des Opfers, einen Platzverweis aus. Das Ordnungsamt bestätigt den Verweis in der Regel für 14 Tage.“ Die Geschädigte solle allein sein, damit sie sich darüber Gedanken machen könne, wie es weitergeht, sagt die Polizistin, die auch die weiteren Schritte, also beispielsweise die Unterbringung von Kindern veranlasst und versucht, den Täter zu einer Beratung zu bringen. „Notfalls kommt es auch zu einem Gewahrsam.“