Nur ganz wenige Autofahrer nutzen am Donnerstag das Angebot der Stadt, ihren Wagen auf dem Cannstatter Wasen zu parken und mit der Stadtbahnlinie U11 in die Stadtmitte zu fahren Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Auch beim dritten Feinstaub-Alarm lassen die Autofahrer den von den Stuttgarter Straßenbahnen extra angebotenen Pendelverkehr am Wasen links liegen. Der stark defizitäre städtische Betrieb will das Angebot dennoch beibehalten.

Stuttgart - Der dritte Feinstaubalarm für den Großraum Stuttgart mit Appellen, das Auto stehen zu lassen, geht an diesem Freitag um 24 Uhr zu Ende. Die Umstiegs-Aufforderungen von OB Fritz Kuhn und Verkehrsminister Winfried Hermann (beide Grüne) verhallen erneut nahezu ungehört.

Selbst wenn Alternativen vorhanden sind: Der Umstieg vom Auto auf die Schiene ist bisher nicht von Erfolg gekrönt, das zeigt das Beispiel Cannstatter Wasen. Bei Feinstaubalarm können Pendler ihr Auto kostenlos auf dem Wasen abstellen und mit der Stadtbahnlinie U 11 zum Hauptbahnhof fahren.

Normalerweise kommt die Sonderlinie nur bei Großveranstaltungen zum Einsatz. Vom Parkplatz auf dem Wasen bis zur Haltestelle Neckarpark (Stadion) sind es nur wenige Meter. Der Parkplatz war am Donnerstag aber gähnend leer. Jürgen Kaufmann, Geschäftsführer der Firma Neckar Parking, ist den Anblick gewohnt: „Bisher waren es beim einem Alarm nie mehr als zehn Autos am Tag, eher weniger.“ Im Januar hatte OB Kuhn gesagt, man müsse den Leuten ein wenig Zeit geben zu reagieren. Der Umstieg könne nicht gleich am ersten Tag funktionieren. Am Wasen funktioniert er auch beim dritten Versuch nicht.

Jürgen Gerst aus der Nähe von Backnang ist einer der wenigen, der das Angebot am Donnerstag nutzt. „Ich nehme die Warnung ernst und will meinen Teil zu sauberer Luft beitragen“, sagt der 53-Jährige. Er kommt später zur Arbeit als sonst, die erste U 11 fährt erst um 8.24 Uhr. Rund 15 Minuten hat er im Auto gewartet, bis die Bahn kommt. „Ich habe dadurch morgens mehr Leerlauf“, sagt Gerst. Zeit, die sich andere nicht nehmen.

Feinstaub-Shuttle soll trotz Kritik beibehalten werden

Trotz Kritik am späten Fahrbeginn haben die Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) keine Änderungen der ersten Abfahrt vorgesehen. Das sogenannte Feinstaub-Shuttle fährt ab etwa 8.30 Uhr bis 11 Uhr und dann von 16 Uhr bis 18.30 Uhr alle 15, um die Mittagszeit pendelt der Zug alle 20 Minuten. Maximal eine Handvoll Leute ist jeweils an Bord.

Das Parken ist zwar kostenlos, die Fahrt mit der Stadtbahn aber nicht. Bis zum Hauptbahnhof sind es zwei Zonen, ein Einzelfahrschein für diese Strecke kostet 2,80 Euro. Hin und retour zum Parkplatz also 5,60 Euro. Wie viel der Aufwand die SSB kostet, will die Pressestelle des chronisch defizitären städtischen Betriebs nicht sagen. Der Feinstaub-Shuttle solle aber beibehalten werden. Schon nächste Woche könnte er wieder im Einsatz sein.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) sagt zum Wochenende einen verbesserten Luftaustausch vorher, daher endet der jetzige Alarm an diesem Freitag um 24 Uhr. Die Entspannung werde aber nicht von langer Dauer sein: „Bereits zu Beginn der neuen Woche ist es sehr wahrscheinlich, dass nächtliche Inversionen und abflauender Wind den Luftaustausch stark beeinträchtigen“, so Uwe Schickedanz vom Deutschen Wetterdienst in Stuttgart. Dann würde gegen den krebserregenden Staub Alarm Nummer 4 ausgelöst werden.

Ab April kein Feinstaubalarm mehr?

Ab Mitte April bis Oktober wird es voraussichtlich gar keinen Feinstaubalarm mehr geben, weil es durch die stärkere Sonneneinstrahlung keine Inversion (die untere Luftschicht im Kessel wird durch die obere abgeschirmt) mehr gibt. Von 2013 bis 2015 gab es von Mitte April bis Ende September nur ein (2013/2014) bis drei (2015) Tage, an denen der EU-Feinstaub-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten worden war.

Wenn es nach Nicole Razavi, der verkehrspolitischen Sprecherin der CDU im Landtag geht, wird es bei einer Regierungsbeteiligung der CDU im Herbst keinen Alarm mehr geben. Es sei „sinnlos, die Alarme auf der jetzigen Basis fortzusetzen“, sagt Razavi. Autofahrer stiegen nicht um, weil sie „kein gleichwertiges Angebot“ vorfänden. Die grün-rote Landesregierung habe den Ausbau des Nahverkehrs versäumt, ihn durch schlechtere Zuschussregeln erschwert. Die CDU wolle den Eigenanteil der Kommunen und deren Risikoübernahme verringern. Das Feinstaubproblem müsse von den Autoherstellern technisch gelöst werden. Fahrverbote lehnt Razavi ab. Viele Berufspendler hätten keine Umsteigemöglichkeit.

Die Fraktion von SÖS/Linke plus im Gemeinderat forderte am Donnerstag verbindliche Fahrverbote. Man müsse von „Körperverletzung im Amt sprechen“, wenn es keine Verbote gebe, sagte der Fraktionschef Hannes Rockenbauch.