Die Schadstoffbelastung in Stuttgart ist hoch. Foto: dpa

Reinigen moderne Dieselmotoren die Luft? Mit dieser zugespitzten Aussage hatte Bosch-Chef Volkmar Denner Anfang des Jahres für ungläubiges Staunen gesorgt. Ein Bosch-Ingenieur hat am Dienstag den Stadträten die Wirkungsweise modernster Partikelfilter erläutert.

Stuttgart - Wird der Dieselmotor vollkommen verkannt? Ist er am Ende gar nicht jene Dreckschleuder, die die Luft mit gesundheitsschädlichem Feinstaub und Stickoxid belastet, sondern das genaue Gegenteil: eine Art Luftreinigungsmaschine? Brauchen wir womöglich mehr Dieselfahrzeuge auf unseren Straßen, um saubere Luft zu gewährleisten?

Dieser Eindruck hatte sich aufgedrängt, nachdem Bosch-Chef Volkmar Denner zu Jahresbeginn in den Stuttgarter Nachrichten ein flammendes Plädoyer für den Dieselmotor gehalten hatte. Offenbar unter dem Eindruck des VW-Abgasskandals, auch Dieselgate genannt, hatte der Konzernchef moderne Dieselmotoren pauschal als eine Art Feinstaubsauger gelobt und sich dagegen ausgesprochen, Dieselfahrzeuge für die hohe Schadstoffbelastung der Stuttgarter Luft verantwortlich zu machen. Die CDU-Fraktion im Rathaus, von jeher des Automobil-Skeptizismus gänzlich abhold, wollte es genauer wissen: Auf ihren Antrag hin entsandte der Weltmarktführer der Automobilzulieferer am Dienstag seinen Senior Vice President Engeneering in den Technischen Ausschuss des Gemeinderats, um Rede und Antwort zu stehen. Die Aussagen von Michael Krüger zeigten ein wesentlich differenzierteres Bild der Problematik: Demnach sind hochmoderne Abgasfilter von Bosch, die die Euronorm 6 erfüllen, offenbar tatsächlich in der Lage, die angesaugte Luft – wenn auch nur in geringem Umfang – zu reinigen.

Technisch ist vieles möglich

Das Problem: Nur die allerwenigsten Fahrzeuge, die in den Talkessel einfahren, sind mit solchen Motoren ausgerüstet, und selbst diejenigen verursachen Feinstaub allein durch den Brems- und Reifenabrieb und stoßen zudem gleichwohl die ebenfalls gesundheitsgefährdenden Stickoxide aus. Zudem kann der Zulieferer Bosch wie auch im Fall VW keine Garantie dafür übernehmen, welche Manipulationstechniken bei der Abgasreinigung sich manche Automobilhersteller einfallen lassen, um Geld zu sparen und ihre Gewinnmarge zu erhöhen.

Rein technisch betrachtet ist es sehr wohl möglich, moderne Dieselmotoren mit Filtern auszustatten, die die von der EU verordneten Grenzwerte einhalten. Doch gut 90 Prozent der Dieselflotte besteht aus Autos mit Euronorm 5 und weniger. Diese entsprechend nachzurüsten, so der Ingenieur, sei „schwierig“. Auch Umweltbürgermeister Peter Pätzold (Grüne) betonte: „Wir sprechen hier von der Euro-6-Norm, müssen aber darauf achten, dass wir insgesamt die Schadstoffgrenzwerte einhalten.“

Föll setzt auf den Fortschritt

CDU-Fraktionschef Alexander Kotz sieht im technischen Fortschritt dennoch eine Chance, der hohen Luftbelastung mittelfristig beizukommen: „Der Autoverkehr ist kein grundsätzliches Problem.“ Ganz anders der Linke-Stadtrat Christoph Ozasek: Sein Vorschlag, einen laufenden Dieselmotor bei geschlossenen Fenstern im Sitzungssaal aufzustellen, um die Segnungen der Dieseltechnologie am eigenen Leib zu erfahren, kam aber zu spät. „Die Autos als Ganzes sind ein Problem, nicht nur die Antriebstechnologie“, so der Stadtrat. Das rief Freie-Wähler-Chef Jürgen Zeeb und FDP-Stadtrat Michael Conz, den Gralshüter des Automobils, auf den Plan: Zeeb nannte die Ausführungen des Bosch-Chefingenieurs eine wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Verteufelung des Autos.

Conz zeterte, die Linken „wollen uns das Auto verbieten“. Vergleichsweise differenziert argumentierten Grüne und SPD: Björn Peterhoff sagte, zwar habe sich technisch bereits einiges getan, es seien aber weitere Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung nötig. Hans H. Pfeifer warf die Frage auf: „Warum brauchen Ingenieure immer erst politischen Druck, bevor sie ihre Produkte optimieren?“ Florian Flaig von der Bosch-Presseabteilung wollte das nicht gelten lassen: „Wir kooperieren eng mit der Politik und setzen uns etwa für realistische Abgastests ein.“