Nach einer Tournee durch Europa jetzt in Stuttgart zu sehen: Szene aus „Faust Exhausted“ Foto: StN

Nach vier Stationen in Europa kommt „Faust Exhausted“ von Tart-Produktion nach Stuttgart in die Rampe. Damit wird die Veranstaltungsreihe „Ampere“ mit freien Theatern aus Stuttgart eröffnet.

Nach vier Stationen in Europa kommt „Faust Exhausted“ von Tart-Produktion nach Stuttgart in die Rampe. Damit wird die Veranstaltungsreihe „Ampere“ mit freien Theatern aus Stuttgart eröffnet.
 
Stuttgart - Herr Eusterschulte, Ihr Projekt „Faust Exhausted“ hat ja nun einige Stationen in Europa durchlaufen, bevor es an diesem Mittwoch erstmals in Stuttgart im Theater Rampe gespielt wird. Wie hat es sich entwickelt?
Wie erhofft, hat es sich von Station zu Station sehr verändert und entwickelt, vor allem sprachlich. Der Stuttgarter Autor Tomo Mirko Pavlovic hat in einem Grundlagentext Goethes „Faust 2“ für die Gegenwart neu bearbeitet, indem er diesen Faust als international operierenden Ego-Nomaden jenseits religiöser, ethischer und politischer Bindungen beschreibt. Dazu gibt es die Textfassung in Deutsch und Bulgarisch, hinzu kommen Passagen, die ins Englische und Französische übersetzt wurden.
Welche Stationen hat dieses Projekt denn durchwandert?
Der Auftakt war in Bulgariens Hauptstadt Sofia, dann ging es nach Luxemburg, anschließend ins rumänische Sibiu, schließlich nach Bern in die Schweiz und jetzt dann nach Stuttgart. Es sind also Stationen am Rande und in der Mitte Europas.
Und was hat sich konkret geändert?
Wie zu erwarten war, hat sich vor allem die sprachliche Durchmischung sehr verändert. Neue Orte sind von Station zu Station hinzugekommen, andere sind weggefallen. In Sibiu etwa ist ein Zitat von Cioran hinzugekommen, der ja dort in der Nähe geboren wurde. Das war also eine Hommage an diesen Ort. Man muss ja auch bedenken, dass die Spielorte selbst völlig verschieden waren. Da waren natürlich Anpassungen nötig. In Sibiu etwa war der klassische Spielort lediglich szenischer Hintergrund.
Wer hat sich denn alles beteiligt?
Es waren sechs darstellende Künstlerinnen und Künstler aus den jeweiligen Partnerorten. Das Projekt habe ich komplett begleitet, zumal sich selbst bei der besten Vorbereitung nicht alles vorausplanen lässt.
Und was wird dann in Stuttgart zu sehen sein?
Im Theater Rampe herrscht ja wieder eine klassische Sprechbühnen-Situation. Wir werden an die Spielfassung anknüpfen, die wir im Luxemburger Nationaltheater hatten, nachdem das Projekt unmittelbar vor Stuttgart an einem historischen Ort – im Schlachthaus Bern – gespielt wurde. In Luxemburg haben wir übrigens mit der Übertitelung begonnen. Und in Stuttgart werden sicher die deutschen Sprachanteile wieder zunehmen, nachdem es zuvor viel Schweizerdeutsch gab.
Könnten Sie das Projekt denn auch noch in weiteren Ländern zeigen?
Natürlich, das wäre kein Problem. Wir werden auch weiterarbeiten an dieser Konzeption, aber es muss ja nicht unbedingt der Faust-Stoff sein. Die Fortsetzung ist also noch offen, aber wir arbeiten daran. Jetzt freue ich mich erst einmal auf die fünf Aufführungen in Stuttgart, bei denen die Schauspieler der anderen Orte übrigens auch anwesend sein werden. Und 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn in der Rampe um 20 Uhr gibt es Werkeinführungen.
Was möchten Sie mit diesem Projekt erreichen?
Wir wollen zeigen, dass nicht nur Tanz und Musik geeignete künstlerische Formen sind, mit denen man in andere Sprach- und Kulturräume gehen kann, das kann man auch mit dem Sprechtheater machen. Es gibt Momente, da ist es viel aussagekräftiger, wenn etwas in einer fremden Sprache ausgesprochen wird als in einer, die vertraut ist. Deshalb haben wir uns auch bewusst für diese Stationenfolge entschieden – mit Sofia als Ausgangspunkt und Stuttgart als Finale.
„Faust Exhausted“ eröffnet ja die Veranstaltungsreihe „Ampere – Die Freien unter Strom“ im Theater Rampe, die eine Plattform für die freie Theaterszene sein soll. Darüber werden Sie sich sicherlich sehr freuen.
Natürlich, es ist ein Beleg für die Vitalität, Vielseitigkeit und Wichtigkeit der Stuttgarter freien Szene.
Nun ist aber noch das ehemalige Theater im Depot im Stuttgarter Osten als feste Spielstätte für die Freien hinzugekommen, zumindest mal für ein Jahr. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Zunächst muss man einmal sehen, dass in der Planungsphase von „Faust Exhausted“ und „Ampere“ noch keine Rede davon war, dass das ehemalige Theater im Depot für die Freien zur Verfügung steht. Ich sitze ja jetzt nun im Vorstand des Trägervereins der neuen Spielstätte und finde dies gut als Alternative oder Ergänzung. Ich bin kein Freund von Ausgrenzungen und Konkurrenzdenken. Es wäre doch schön für die freie Szene und für die Zuschauer, wenn Rampe, das Figurentheater und das ehemalige Theater im Depot künftig enger zusammenarbeiten. Daraus könnten sich vielversprechende Synergieeffekte ergeben.
Das ehemalige Theater im Depot wurde Mitte Juni dieses Jahres mit einer Tanztheaterproduktion eröffnet. Wie wird es da weitergehen?
Das war zunächst mit heißer Nadel gestrickt. Der neue künstlerische Leiter Bernd Schlenkrich wurde erst kurz vor der Eröffnung mit dem Projekt „Forever Medea“ von Nicki Liszta vorgestellt. Das bedeutet, dass wir noch an den Grundstrukturen arbeiten. Aber von Herbst an werden wir ein hoffentlich sehr attraktives Programm anbieten. Im September werden wir hierfür mit einem weiteren Eröffnungsfest den Startschuss geben.