Stadtführer Bernhard Schwegler (Mitte) kennt sich mit historischen Fachwerkbauten und Schmuckelementen aus. Foto: Eva Herschmann

Bei Führungen zum 9. Deutschen Fachwerktag zeigt der Stadtführer Bernhard Schwegler die schönsten Häuser in der denkmalgeschützten Altstadt von Schorndorf. Aber auch, was schief laufen kann bei der Sanierung von historischen Gebäuden.

Schorndorfs wohl schönstes Fachwerkhaus, die Dr. Palm’sche Apotheke am idyllischen Marktplatz, ist streng genommen eine Mogelpackung. Die mittelalterliche Fassade mit den imposanten Neidköpfen und den Andreaskreuzen ist nämlich nur vorgehängt. Darüber sowie über Streben, Rauten und Eselsrücken und über die Stadtgeschichte hat der Stadtführer Bernhard Schwegler bei einer mehr als einstündigen Führung durch die historische Altstadt im Rahmen des 9. Deutschen Fachwerktags und Tags des offenen Umgebindehauses am Pfingstsonntag erzählt.

Der Marktplatz von Schorndorf gilt als einer der schönsten in Süddeutschland, er ist wie die ganze Innenstadt denkmalgeschützt. Die Stadt ist Mitglied der Deutschen Fachwerkstraße, einer der bedeutendsten Ferien- und Kulturstraßen quer durch das Land mit mehr als 100 Mitgliedsstädten.

Vielfach ist Fachwerk unter Putz verborgen

Auf rund 3500 Kilometern führt die Deutsche Fachwerkstraße, die südlich von Hamburg startet und bis an den Bodensee geht, durch sieben Bundesländer und dabei durch mehr als 700 Jahre Fachwerkgeschichte. Der Deutsche Fachwerktag wiederum soll das Bewusstsein für den Bestand und die Erhaltung der Fachwerkstädte wecken. An diesem Tag werden Vorträge, Workshops und Führungen mit dem Themenschwerpunkt Fachwerk angeboten – und nebenbei auch Geschichte und Geschichten erzählt, wie die vom ehemaligen Schorndorfer Badhaus in der Höllgasse 13, bei dem das Fachwerk unter Putz verborgen ist. „Das Badhaus gab es bis zum 30-jährigen Krieg“, erzählte Schwegler den mehr als 20 Interessierten, darunter Ur-Schorndorfer sowie internationale Gäste, „danach wurde nicht mehr gebadet, sondern gepudert und parfümiert.“

Fachwerk ist von der Definition her ein Skelettbau aus Holz, bei dem die horizontale Aussteifung mittels schräg eingebauter Streben erfolgt und die Zwischenräume, die sogenannten Gefache, mit einem mit Lehm verputzten Holzgeflecht oder mit Mauerwerk ausgefüllt sind. Die Bauhölzer – zumeist aus Eiche, Tanne und Fichte, wobei das Nadelholz ausschließlich für Kopfbalken verwendet wurde – wurden jeweils auf einem sogenannten Aufrichtplatz zusammengesetzt, dann in die Stadt transportiert und aufgestellt. Die Bauweise entwickelte sich aus der frühgeschichtlichen Pfostenbauweise, über das Firstsäulen- und das Firstsäulenständerhaus, bei denen die Wandpfosten vielfach noch im Erdreich eingegraben waren, schließlich zur Rähmbauweise oder dem Stockwerksbau. Fachwerk gebe es seit Urzeiten, erzählte Bernhard Schwegler. „Die einfachsten Bauten dieser Art sind Pfostenhäuser wie es Rundhütten sind, erst danach kam das Ständerhaus.“

Das Besondere und Einzigartige am Fachwerk sind neben der handwerklichen Bauweise die Schmuckelemente, wie die Neidköpfe an der Palm’schen Apotheke. „Sie gehen auf die Kelten zurück, die ihre Gegner nach dem Sieg köpften und die abgeschnittenen Häupter zur Abschreckung aufstellten“, sagte Stadtführer Schwegler. „Und sie blicken immer in Richtung Westen, weil von dort das Böse herkam.“

Bretter halten das Fachwerk zusammen

Mittlerweile leiden einige Häuser rund um den Marktplatz Schorndorf, das 1262 als Grenzfestung zwischen Staufen und Württemberg gegründet wurde, unter den Folgen falscher Behandlung. Gerade in den 70er-Jahren, so erzählte Schwegler, habe man die Holzbalken häufig mit Mineralfarbe gestrichen, die das Holz verfaulen lässt, weil es keine Luft bekommt. Ein Beispiel ist ausgerechnet das Stadtmuseum, dessen historische Fassade mithilfe von aufgenagelten Brettern zusammengehalten werden muss. Viele Fachwerkschönheiten sind zudem, wie das Badhaus, noch immer unter Putz verborgen. „Es kostet viel Geld, sie herauszuholen“, sagte der Fachmann. Beim Geburtshaus von Gottlieb Daimler, das derzeit saniert wird, scheut man diese Kosten nicht.

„Aus Holz gebaut – Wohnen in der Fachwerkstadt“ lautete der Titel einer zweiten Führung am Deutschen Fachwerktag im Stadtmuseum. Stadtführerin Sabine Welter erläuterte anschaulich die Bauweise wie auch das frühere Alltagsleben dort. Die beiden Fachwerkhäuser, die im 17. Jahrhundert errichtet wurden und Schulgebäude waren, dienten auch Wohnzwecken. Und es gab neben den Schulräumen und den Lehrerwohnungen auch Unterkünfte für Bedienstete sowie kleinere Ställe für Tiere.