Betroffen von der Lage des VfB: Ex-Manager Herbert Briem Foto: Baumann

Die Talfahrt des VfB Stuttgart lässt Herbert Briem (57) keine Ruhe. Der langjährige Funktionär des Tabellenletzten prangert Missstände an und sagt: „Ich hoffe nur, dass der Verein keinen Lehrling zum Sportdirektor macht.“

Stuttgart - Herr Briem, Sie waren Spieler, Sportdirektor und Scoutingchef beim VfB. Wie sehr leiden Sie unter der aktuellen Situation?
Mir geht das sehr nahe. Der VfB spielt jetzt schon mehrere Jahre gegen den Abstieg, jetzt ist er Tabellenletzter, das ist ganz bitter. Aber das ist ja nicht alles.
Was meinen Sie?
Mich stören einige Dinge am VfB.
Zum Beispiel?
Wenn ich höre, wie geringschätzig über die Scoutingabteilung gesprochen wird, bin ich schon irritiert. Da heißt es schon mal, den Scouts fehlen das Netzwerk und die Kompetenz, und faul seien sie obendrein. Und niemand nimmt sie in Schutz, das ist unglaublich. Was beim VfB passiert, ist der Wahnsinn! Ich weiß, dass keiner der Scouts Dienst nach Vorschrift schiebt, dass alle mehr arbeiten, als sie müssten. Solche Vorwürfe sind verletzend für diese Leute.
Der Vorwurf lautet, die Scouts holen zu viele Spieler, die sich dann als Flops entpuppen.
Die Frage ist doch, ob deren Kompetenz überhaupt genutzt oder womöglich sogar ignoriert wird. Das ist immer das Bequemste: Wenn im Verein Bolzen gedreht werden, gehen alle in Deckung. Aber ich sage Ihnen: Wenn der Verein häufiger auf seine Scouts gehört hätte, wäre die Zusammensetzung der Mannschaft eine andere.
Der VfB holt Spieler, gegen deren Verpflichtung sich die Scouts ausgesprochen haben?
Oder sie wurden gar nicht dazu gehört. Auf jeden Fall sind am Ende viel zu oft nur die Scouts schuld. Aber dieses Thema hatten wir beim VfB ja schon zu meiner Zeit. Bis zur Meisterschaft 2007 lief das alles wunderbar, danach sind die Alleingänge losgegangen. deshalb habe ich damals auch aufgehört. Da wurden Spieler gegen unsere Empfehlung geholt, die sich dann als Flops herausgestellt haben. Ich fürchte, das läuft jetzt wieder so.
Spieler wie Yildiray Bastürk?
Zu diesem Spieler habe ich damals intern schon eine Meinung geäußert. Aber das holen wir jetzt nicht hoch.
Aktuell ist Adam Hlousek so ein Fall. Beim 1. FC Nürnberg, so ist zu hören, sind sie nicht unglücklich darüber, dass sie ihn los sind.
Unabhängig davon: Auch für diese Verpflichtung wird allein die Scoutingabteilung verantwortlich gemacht.. Aber da muss man sich fragen: Wer kennt Nürnberg und Hlousek beim VfB am besten? Derjenige hat entweder auf seine Verpflichtung gedrängt, oder er hätte alles tun müssen, um sie zu verhindern. Ich weiß, wie die Scouts beim VfB bestimmte Spieler einschätzen. Die Fans meinen immer, Transfers seien intern abgestimmt. Aber häufig sind das einsame Entscheidungen von einigen wenigen Leuten.
Trifft das auf Filip Kostic auch zu? Bisher hat er noch nicht gezeigt, warum er sechs Millionen Euro Ablöse wert sein soll.
Es ist zu früh, um seine Entwicklung zu beurteilen – aber ich kann mir nicht vorstellen, dass da die Scoutingabteilung voller Überzeugung zugestimmt hat. Ich meine, wenn er 500 000 Euro kostet, dann kann man sagen: Okay, schauen wir an, wie er sich entwickelt. Aber nicht für sechs Millionen!
Verbrennt der VfB in diesem Bereich mehr Geld als andere Vereine?
Es gibt wenige Clubs, die das optimal umsetzen. Aber es kann nicht sein, dass bestimmte Leute auf eigene Faust Spieler verpflichten. Schauen Sie, ein Trainer ist womöglich nach einem halben Jahr weg. Wenn ein Verein das vier , fünf Jahre durchzieht, dann sitzt er am Ende auf zehn Spielern, die er vielleicht nicht brauchen kann. Ich hoffe nur, dass der VfB das endlich erkennt. Jetzt hat er die Chance, eine neue Struktur aufzubauen.
Sie meinen die Besetzung des Manageramtes?
Ich hoffe nur, der Verein holt keinen Lehrling. Dafür ist diese Position zu wichtig. Da braucht es viel Erfahrung und jemanden, der weiß, was zu tun ist.
Robin Dutt ist ein heißer Kandidat.
Es steht mir nicht zu, über ihn zu urteilen. Ich kenne ihn und weiß, dass Robin ein intelligenter Bursche ist und eine positive Ausstrahlung hat. Das spricht schon mal für ihn. Außerdem hat er viel Erfahrung im Profigeschäft gesammelt. Ich würde es ihm zutrauen, jedenfalls mehr als den anderen, die gehandelt werden.
Sie meinen Jan Schindelmeiser?
Der am Ende in Hoffenheim nicht nur Erfolge feierte.
Oder Christian Nerlinger?
Der beim FC Bayern gescheitert ist.
Bleibt Jochen Schneider.
Wenn der VfB intern sucht, dann ist Jochen Schneider sicher eine gute Lösung. Ich hoffe nur, der VfB holt niemanden, nur weil derjenige mal 20 Freistöße in den Winkel gehauen hat. Oder mal 20 Freistöße gehalten hat.
Sie meinen Jens Lehmann?
Kein Kommentar.
Gibt es für Sie einen Verein, bei dem Management und Scouting vorbildlich sind?
Das Leverkusener Modell müsste ein Fingerzeig für den VfB sein. Die haben Rudi Völler als Gesicht nach außen, und Sie hatten Michael Reschke, der hinter den Kulissen arbeitet, die Scouts einsetzt, die Dinge vorbereitet und auch selbst umsetzt.
Reschke ist jetzt bei Bayern München.
Das bestätigt doch, dass er top Arbeit macht.
Sie gehen beim VfB ein und aus, als Berater von Alexandru Maxim haben Sie häufig Kontakt zum Verein. . .
Das ist das nächste Thema. Mich stört ganz vehement, wie mit ihm umgegangen wird.
Das zu sagen ist Ihre Aufgabe als Berater – schließlich spielt er unter Huub Stevens nicht.
Das ist die Philosophie des Trainers, die muss ich akzeptieren. Aber wenn dann behauptet wird, Maxim sei ein Fehleinkauf, ist das schlicht daneben. Es gibt Statistiken, an denen war ich als sein Berater nicht beteiligt. Demnach ist Maxim im Schnitt alle 120 Spielminuten an einem VfB-Tor beteiligt, sei es als Torschütze oder als Vorlagengeber. Das ist ein Schnitt von 120 Minuten pro Tor – macht drei Treffer in vier Spielen. Von dieser Sorte Spieler gibt es nicht so viele in der Bundesliga.
Trotzdem spielt er nicht.
Wenn sich das ein Tabellenletzter erlauben kann, dann muss es dem Verein gut gehen.
Wie gesagt, Sie sind gut bekannt beim VfB. Bittet Sie da mal jemand um Ihre Meinung?
Nein, das ist auch nicht notwendig. Wenn jemand meinen Rat will: Meine Telefonnummer ist bekannt. Aber manche Dinge ärgern mich einfach – wie zum Beispiel diese Kritik an den Scouts. Der Anspruch des VfB war immer, in Europa zu spielen. Zu meiner Zeit musste es die Champions League sein. Jetzt holt der Verein teilweise Spieler, die sonst wahrscheinlich kaum einen anderen Club fänden. Und obwohl das teilweise andere verbocken, gibt man nur den Scouts die Schuld. Da sage ich: Wer in der Komfortzone lebt, kann leicht andere schlecht machen. Ich halte das für verwerflich. Ganz entscheidend wird für die Zukunft des Clubs sein, dass alle im Verein ein Ziel verfolgen – und dass endlich alle interne Ressourcen und Kompetenzen auch genutzt werden.