Die Forschungssonde "Gaia" hob am Donnerstag um 10.12 Uhr an Bord einer Sojus-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana ab. Foto: EUROPEAN SPACE AGENCY, ESA/dpa

Die Milchstraße wird neu kartiert: Europa will mit einem hochpräzisen Teleskop eine Milliarde Sterne unserer Galaxie katalogisieren. Das soll auch helfen, große Meteoriteneinschläge zu vermeiden.  

Die Milchstraße wird neu kartiert: Europa will mit einem hochpräzisen Teleskop eine Milliarde Sterne unserer Galaxie katalogisieren. Das soll auch helfen, große Meteoriteneinschläge zu vermeiden.

Darmstadt/Kourou - Die Europäische Raumfahrtagentur Esa hat ihr modernstes Teleskop ins All geschickt, um eine Milliarde Sterne so exakt wie noch nie zu erfassen. Die Forschungssonde „Gaia“ hob am Donnerstag um 10.12 Uhr an Bord einer Sojus-Rakete von der Weltraumstation Kourou in Französisch-Guayana ab.

Sie soll eine dreidimensionale Karte unserer Galaxie, der Milchstraße, erstellen und zur Klärung ihres Entstehens einen Blick in die Kinderstube werfen. Erwartet wird eine enorme Datenmenge, etwa 200.000 DVDs. Nach Zwischenschritten soll der Katalog des Himmels etwa im Jahr 2020 vorliegen.

„„Gaia“ wird fünf Jahre den Himmel rund 70 mal abtasten - und das mit einer Präzision, wie sie bisher noch nicht möglich war“, sagte der Esa-Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb, Thomas Reiter, im Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt. Nach Auskunft des Herstellers Astrium ist die Digitalkamera so genau, dass sie von der Erde aus eine 1-Euro-Münze auf dem Mond entdecken könnte. Insgesamt gibt es in der Milchstraße schätzungsweise mindestens 100 Milliarden Sterne.

„Gaia“ erreicht laut Plan Anfang 2014 den Arbeitsplatz in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung zur Erde. „Wir werden auch viele Objekte finden, die wir noch gar nicht kennen“, meinte Projektleiter Andreas Rudolph. Erforscht werden neben der Position auch Temperatur, Helligkeit und Zusammensetzung der Sterne. Das soll Hinweise auf die Geschichte geben. „Wir wollen wissen: Wie ist die Milchstraße entstanden?“, sagte Reiter.

Ein Stammbaum der Milchstraße soll zusammengestellt werden

Mit der Sternenzählung wollen Wissenschaftler eine Art Stammbaum zusammenzustellen. Wie in einem Zeitraffer soll quasi zurückgespult werden können, wo Sterne entstanden sind und wie sich die Milchstraße über Milliarden Jahre hinweg gebildet hat. Ein „Vorspulen“ soll erahnen lassen, was aus ihnen einmal werden könnte. Das soll zudem helfen, Unglücke zu vermeiden, wie etwa den verheerenden Einschlag eines Meteoriten in Russland im Februar 2013.

„Gaias“ Vorgängermission „Hipparcos“ hatte in den Jahren 1989 bis 1993 mehr als 100.000 Sterne mit hoher Präzision und etwa 2,5 Millionen Sterne mit geringerer Genauigkeit vermessen. „„Gaia“ ist hier unser nächster Quantensprung“, sagte Rudolph. Nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist die Messgenauigkeit von „Gaia“ 50 mal höher als die genauesten Messungen von „Hipparcos“.

Die vom Raumfahrtunternehmen Astrium entwickelte Digitalkamera hat eine Milliarde Pixel. Die Entdeckungsmaschine kann also kleine Gegenstände noch aus enormer Entfernung erkennen. „Damit können wir auch Sterne sehen, die 400.000 Mal weniger Leuchtkraft haben als die Sterne, die wir mit bloßem Auge noch erkennen, sagte Astrium-Bereichsleiter Wolfgang Pitz.

„Es ist eine große Erleichterung, dass die erste Phase nach dem Start hervorragend gelungen ist“, sagte der an dem Projekt beteiligte Astrophysiker Stefan Jordan von der Universität Heidelberg. Er hat ein Programm mitentwickelt, das täglich die Qualität der vom Satelliten gesendeten Daten kontrollieren soll. „Wir sind sehr gespannt darauf, ob die ersten Daten, die wir bekommen, schon halbwegs so sind, wie wir sie uns vorgestellt haben“, sagte Jordan. Mit verwertbaren wissenschaftlichen Daten sei Mitte Januar zu rechnen.