Ankunft von Flüchtlingen auf dem Bahnhof von Schönefeld (Brandenburg).Foto:dpa Foto:  

Zahlt Deutschland Flüchtlingen mehr, als andere EU-Staaten? Ein neuer Vergleich zeigt nun: Die Unterschiede sind groß, aber Deutschland ist neben Belgien, Estland oder Frankreich nur ein Staat von mehreren, der hohe Leistungen gewährt.

Berlin - In der strittigen Frage, ob Deutschland mit seinen Sozialleistungen für Flüchtlinge besonders attraktiv ist, bietet ein neuer EU-Vergleich wichtige Erkenntnisse. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat erstmals die Leistungen verglichen, die Flüchtlingen und Asylsuchenden in den verschiedenen Mitgliedstaaten zustehen. In dem Papier, das dieser Zeitung vorliegt, zeigt sich: Die Unterschiede in Bezug auf die finanzielle Unterstützung für Asylsuchende zwischen den Ländern sind groß, doch Deutschland ist nur ein Staat von mehreren, die verhältnismäßig hohe Geld- und Sachleistungen zahlen.

Derzeit bekommen Asylsuchende hierzulande 135 Euro Taschengeld im Monat, wenn sie in einer Erstaufnahmeeinrichtung untergebracht sind. Das Geld ist für persönliche Bedürfnisse gedacht. Dazu kommen während dieser Zeit Sachleistungen – also Verpflegung, Kleidung oder die Gesundheitsversorgung. Leben die Geflohenen in einer Unterkunft, in der sie kein Essen bekommen, erhalten sie zusätzlich zum Taschengeld noch 216 Euro im Monat.

Neuer Gesetzentwurf sieht Kürzungen bei Geldleistungen vor

Dieser Betrag soll nun auf 187 Euro sinken. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, den Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) gerade zur internen Abstimmung in der Bundesregierung freigegeben hat. Im Gegenzug könnte demnach wieder größerer Wert auf Sachleistungen gelegt werden, indem etwa Stromkosten oder notwendige Wohnungsreparaturen teils erstattet werden.

„Die Planungen, Geldzahlungen an Flüchtlinge zu kürzen und durch mehr Sachleistungen zu ersetzen, sind zu begrüßen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Hauptmann. Er ist der Meinung, dass die finanzielle Unterstützung für Asylsuchende in Deutschland „zu großzügig bemessen“ sei. Die Vorschläge der Bundesregierung würden dazu dienen, „die Anreize für Migranten, Deutschland als Ziel auszuwählen, zu minimieren“, so Hauptmann. Auch Innenminister Thomas de Maizière hatte kürzlich „annähernd gleiche Standards“ in den EU-Staaten gefordert.

Leistungssysteme und Lebenshaltungskosten unterscheiden sich EU-weit stark

Zahlt Deutschland im Vergleich tatsächlich mehr? Eine einheitliche Übersicht gab es dazu bisher nicht, zumal sich die Leistungssysteme wie auch die Lebenshaltungskosten EU-weit teils erheblich unterscheiden. Der Vergleich der Bundestagswissenschaftler schafft nun etwas Abhilfe.

In Belgien etwa bekommen alleinstehende Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen zusätzlich zu Sachleistungen wie Essen und Kleidung monatlich etwa 220 Euro Taschengeld. Sind die Geflüchteten individuell untergebracht, gibt es weitere 280 Euro für die Verpflegung. Relativ hohe Leistungen gewährt auch Dänemark: Hier bekommen Asylsuchende 146 Euro Taschengeld. In Estland sind es 130 Euro.

Vor allem süd- und osteuropäische Länder zahlen dort lebenden Flüchtlingen dagegen wenig Taschengeld aus. Die Spanne reicht von null Euro in Griechenland über 13 Euro in Kroatien bis zu etwa 75 Euro in Italien, Schweden und Irland.

EU-Kommission will den Erhalt von Sachleistungen räumlich begrenzen

Die Opposition im Bundestag hält die geplante Kürzung für falsch. Es sei nicht verwunderlich, dass „die Höhe der Sozialleistungen in einem der reichsten Staaten Europas im oberen Drittel der EU-Staaten angesiedelt ist“, sagte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck dieser Zeitung.

Dass neben familiären Bindungen auch die Unterschiede bei Sozialleistungen „Sekundärbewegungen begünstigen“, hat auch die EU-Kommission festgestellt. Damit ist gemeint, dass viele Asylbewerber in ein Land ihrer Wahl weiterreisen und nicht wie eigentlich vorgeschrieben einen Antrag im Erstaufnahmeland stellen. Als Grund für die verschiedenen Niveaus hat die Brüsseler Behörde die „häufig als Kann-Bestimmung ausgestalteten Vorschriften“ in den EU-Asyl-Richtlinien ausgemacht. Nicht nur das soll sich ändern: Mit der sogenannten Dublin-Reform, die die Kommission bereits im Mai vorgeschlagen hat, soll der Erhalt von Sachleistungen räumlich begrenzt und sollen „Konsequenzen bei Zuwiderhandlungen“ eingeführt werden.