Original orientalisch: Shuan Rafaat stellt für seinen Imbiss am Olgaeck nebenan auch sein eigenes Brot her. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Halal oder nicht: Landestypische Küchen bieten vielen Migranten ein Stück Heimat und stellen auch eine Bereicherung für die Einheimischen dar. Beobachtungen an neuen Imbissen am Olgaeck und in „Klein-Istanbul“ in Feuerbach

Stuttgart - Wer das Olgaeck stadtauswärts passiert, dem fallen seit einigen Monaten die arabischen Schriftzeichen ins Auge, die das Restaurant Raman zieren. Hier in der Charlottenstraße 40 hat Shuan Rafaat seinen lang gehegten Traum verwirklicht. Wo früher der Döner- und Pizza-Grill Artos zum Schnellimbiss lud, serviert der 33-Jährige heute orientalische Speisen. Grill-Kebap gibt es auch, aber der Drehspieß, der des Deutschen liebstes Fast Food gart, steht nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit. „In erster Linie geht es mir um die persisch geprägte Küche“, erklärt Rafaat, der mehr als zwölf Jahre Gastronomieerfahrung mitbringt. „Wir haben eine große Auswahl an Grillgerichten aus dem orientalischen Raum im Angebot.“ Das Fladenbrot wird in der angegliederten Bäckerei zubereitet und kann dort auch separat erworben werden. „Diese Kombination findet man in Stuttgart sonst meines Wissens nicht“, sagt Rafaat.

Auf die arabische Schrift angesprochen, muss der Restaurantbetreiber schmunzeln. „Viele Kunden fragen, was da eigentlich steht“, berichtet er. „Sie sind dann immer ganz überrascht, dass es einfach die Übersetzung der Wörter ist, die auch auf Deutsch angeschrieben sind. Restaurant zum Beispiel.“ Einer der Schriftzüge bedeutet allerdings etwas anderes: halal. Die Aufschrift findet sich seit geraumer Zeit auch am Nur Kebab auf der anderen Straßenseite.

Ältere Muslime fragen, ob das Fleisch halal sei

Legen Muslime heute mehr Wert auf die Garantie, dass nur reines Fleisch Verwendung findet? „Die Leute, denen das wichtig ist, haben schon immer gefragt, ob das Fleisch halal sei“, so Shuan Rafaat. „Gerade ältere Muslime sind manchmal misstrauisch. Wir beantworten die Frage schon, ehe sie das Restaurant betreten. Halal bedeutet bei uns, dass ,Basmala‘ gesagt wird, ehe ein Tier getötet wird. Unser Fleisch stammt aus islamischer Schlachtung.“ Von Schächten spricht Rafaat nicht. Gut möglich, dass er um die Kontroversen weiß, die dieses Thema in Deutschland auslösen kann. Stattdessen betont er, alle Zutaten stammten so weit wie möglich aus der Region.

Ist der häufigere Verweis auf die Einhaltung von Speisegeboten ein Zeichen, dass sich die muslimische Gemeinschaft wieder stärker über ihren Glauben definiert? Wie weit ist der Schritt von der Traditionspflege zur Abschottung? Vielleicht gibt ein Blick nach „Klein-Istanbul“ Aufschluss: Rund um die Mauserstraße in Feuerbach erstreckt sich ein Industriegebiet. Biegt man von der Borsigstraße aus in den Straßenzug ein, so steigt einem bald schon ein verlockender Duft in die Nase. Das Restaurant Dedemoglu bietet hier alles vom herzhaften Frühstück bis zur türkischen Spezialität. „Ich spare mir gerne das Flugticket nach Istanbul, wenn ich auch hier das entsprechende Flair genießen kann“, verrät Florian (23) und nippt an seinem Tee. Dass er einer der wenigen Gäste ohne Türkischkenntnisse ist, stört ihn nicht.

Integrationsbeauftragter sieht keine Zeichen für Parallelgesellschaft

Warum auch? Nicht nur das Schild mit der Aufschrift „Mittagstisch“ kündet davon, dass hier niemand versucht, sich zu separieren. „Ich werte die Angebote in der Mauserstraße nicht als Zeichen für die Herausbildung einer Parallelgesellschaft“, stellt Gari Pavkovic, Integrationsbeauftragter der Stadt Stuttgart, seinen Standpunkt klar. Die Konzentration türkischer Geschäfte in Feuerbach sei Ausdruck einer speziellen ethnischen Ökonomie: „Sie können dort Brautkleider kaufen, Kopftücher oder spezielle Lebensmittel – das sind Nischen für Kunden, die besondere Bedürfnisse haben, und es ist einleuchtend, dass sich die Geschäfte in der Nähe der Moschee niederlassen, wo viele Menschen mit diesen Bedürfnissen zu erwarten sind.“

Der Döner hat die Oberhand gewonnen

Essensgewohnheiten ändern sich. Pavkovic erinnert an die vielen jugoslawischen Gastronomen, die mit Cevapcici und preiswerten Fleischplatten lockten, ehe der Döner die Oberhand gewann. Rund 400 Millionen Mal wandert er jährlich in unsere Mägen. „Die orientalischen und türkischen Gastro-Communitys haben sich gut auf diese Entwicklung eingestellt“, bemerkt Gari Pavkovic. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Zunahme von muslimischen Mitbürgern durch die Ankunft von Flüchtlingen eine gewisse Rolle spielt, wenn es darum geht zu signalisieren, dass das kulinarische Angebot auch den religiösen Vorschriften entspricht.“ Und er ergänzt: „Das hat aber nichts mit Abgrenzung von der deutschen Gesellschaft zu tun. Es geht wohl eher darum, eine spezielle Kundengruppe stärker an sich zu binden.“

Dönerläden, bei denen man wisse, dass Wert auf den religiösen Hintergrund gelegt werde, gebe es schon länger, sagt Pavkovic. „Wir wollen natürlich auch Gäste gewinnen, die keine Muslime sind“, stellt Shuan Rafaat klar. Die Karte, die noch in Arbeit ist, soll zweisprachig ausfallen. Orientalische und türkische Küche, soviel steht fest, finden ihr Publikum. „Am Wochenende oder in der Mittagszeit kommen auch etliche deutsche Gäste hierher“, sagt die Bedienung im Café und Restaurant Osmani Tulumbacisi, das seit September 2016 in der Mauserstraße ansässig ist. Halal oder nicht: Der nichtmuslimische Gast urteilt vor allem nach Qualität und Geschmack. In dieser Hinsicht ist das Raman eine Bereicherung.