Die Türken bekommen immer weniger für ihr Geld. Foto: imago//Mustafa Kaya

Recep Tayyip Erdogan kämpft im eigenen Land mit massiven wirtschaftlichen Problemen. Im kommenden Jahr stehen Kommunalwahlen an, bei denen er seine Macht ausbauen will. Dafür aber braucht er den Westen.

Erst im Mai haben die türkischen Wählerinnen und Wähler Recep Tayyip Erdogan für weitere fünf Jahre als Staatspräsident bestätigt – ein Amt, das in der Türkei mit einer Machtfülle ausgestattet ist, wie sie sonst kein anderer Staats- oder Regierungschef eines westlichen Landes hat. Aber die nächste Abstimmung ist bereits in Sicht: Ende März finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Sie gelten traditionell als wichtiges politisches Stimmungsbarometer – diesmal ganz besonders. Denn Erdogan will alles daransetzen, die vor fünf Jahren von der Opposition gewonnenen Millionenstädte Istanbul, Ankara, Adana und Antalya zurückzuerobern. Damit würde er seine Macht weiter zementieren.

Inflationsziel: 65 Prozent

Aber die schwierige Wirtschaftslage könnte der Regierungspartei AKP in den Metropolen Wählerstimmen kosten. Die Inflation, die in den Städten viel stärker als auf dem Land an den Einkommen der Menschen zehrt, erreichte im Oktober 61,4 Prozent. Zentralbankchefin Hafize Gaye Erkan musste das Inflationsziel für das Jahresende jetzt auf 65 Prozent heraufsetzen. Analysten erwarten bis Mai 2024 sogar einen Anstieg der Teuerung auf 75 Prozent.

Angesichts der chronischen wirtschaftlichen Probleme hat sich Erdogan zuletzt stärker den Beziehungen zum Westen gewidmet. Denn dort sitzen die Investoren, deren Devisen sein Land so dringend braucht. Und die EU ist der wichtigste Absatzmarkt für die türkischen Exporteure. Aber der neu aufgebrochene Gazakonflikt hat alles verändert. Der türkische Staatschef steht vor einem Scherbenhaufen. Die erst im Sommer einigermaßen reparierten Beziehungen zu Israel liegen in Trümmern. Auch das Vertrauen der Finanzmärkte in die Türkei wird erneut erschüttert. Dass im Westen noch jemand mit ihm redet, verdankt Erdogan vor allem der geostrategischen Lage seines Landes an der Schwelle zum Nahen Osten und der Bedeutung der Türkei bei der Steuerung der Flüchtlingsströme.