Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet sein Urteil zur Erbschaftsteuer Foto: dpa

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fordern Unternehmen schnellstmöglich Planungssicherheit von der Politik, wie unsere Umfrage zeigt.

Stuttgart - Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts fordern Unternehmen schnellstmöglich Planungssicherheit von der Politik, wie unsere Umfrage zeigt:

Europapark: „Das Gericht hat die Bedeutung von familiengeführten Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittelständischen Unternehmen, anerkannt“, betont Geschäftsführer Roland Mack. „Leider haben wir aber noch immer keine Planungssicherheit. Ich appelliere daran, dass uns die Politik schnell aufzeigt, wohin die Reise geht.“ Die Unterscheidung zwischen kleinen und großen Familienunternehmen verstehe er nicht. Gerade große familiengeführte Unternehmen, darunter einige Weltmarktführer, sicherten viele wichtige Arbeitsplätze und hätten eine hohe Investitionskraft. „Ich hoffe, dass der Gesetzesentwurf am Ende für alle Familienunternehmen fair ist.“

Bosch: Der Gesetzgeber müsse nun eine Lösung finden, die die Unternehmensnachfolge sichere. Es gehe darum, steuerliche Rahmenbedingungen zu schaffen, dass die Fortführung eines Familienunternehmens möglich sei, sagt ein Bosch-Sprecher.

IHK Region Stuttgart: Die Industrie- und Handelskammer kritisiert den erneuten Aufschub einer verbindlichen Gesetzesregelung. „Die Unternehmen haben lange auf das Urteil gewartet – jetzt müssen sie sich noch länger gedulden. Dabei müssen sie einen Unternehmensübergang genau planen“, sagt Erbschaftsteuerexpertin Susanne Herre. Für die großen Unternehmen müsse man eine Bedürfnisprüfung gesetzlich verankern. Wichtig sei gerade jetzt eine wasserfeste Vorgabe: „Man muss eine Regelung finden, die auf Dauer verfassungskonform ist. Das A und O ist die Rechtssicherheit.“

Handwerkskammer Region Stuttgart: „Die Handwerksbetriebe in und um Stuttgart sind vom Erbschaftsteuergesetz besonders betroffen“, betont Sprecher Gerd Kistenfeger. 30 000 Betriebe gibt es, fast ausnahmslos sind sie in Familienhand. Rund acht Mitarbeiter zählt ein Betrieb im Schnitt. Es gibt viele Ein-Mann-Unternehmen, aber auch Mittelständler mit Hunderten Mitarbeitern wie Gebäudereinigungsfirmen. Da jeder dritte Betriebsinhaber älter als 55 Jahre sei, würden in den kommenden fünf bis zehn Jahren fast 10 000 Betriebe übergeben – oder zumindest die Regelungen dafür getroffen. Die Kammer dringt auf eine rasche Lösung – „konsequent im Sinne der Firmen im Land“, so Kistenfeger. „Die bisherigen steuerlichen Begünstigungen dürfen nicht wegfallen. Sonst führt das zu Einbußen, die für die Betriebe existenzbedrohend sind.“

Trumpf: „Das Urteil lässt dem Gesetzgeber erhebliche Spielräume. Die muss er jetzt so nutzen, dass Betriebsvermögen so weit wie irgend möglich geschont bleibt“, sagt die Chefin des Maschinenbauers, Nicola Leibinger-Kammüller. Andernfalls seien Investitionen und Arbeitsplätze in Gefahr. „Wir bei Trumpf investieren jedes Jahr etwa acht bis zehn Prozent unseres Umsatzes in Forschung und Entwicklung – das wäre in dieser Form sicher nicht mehr möglich, wenn uns Betriebsvermögen in großem Umfang für Steuerzahlungen entzogen würde.“

Voith: Der Anlagenbauer fordert „endlich eine sinnvolle, dauerhafte und tragfähige Lösung gefunden würde, die Familienunternehmen Planungssicherheit gibt“. Die Vorgaben des Verfassungsgerichtes „machen die Übergabe an die nächste Generation für die Unternehmen nicht einfacher und werden nicht dazu führen, dass der Standort Deutschland für Familienunternehmen über Generationswechsel hinweg attraktiv bleibt.“

Bundesverband mittelständische Wirtschaft: „Die beste und mittelstandsfreundlichste Antwort auf das heutige Urteil ist die vollständige Abschaffung der Erbschaftsteuer“, betont Präsident Mario Ohoven.

Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW): Für eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer spricht sich ZEW-Präsident Clemens Fuest aus. „Die Steuersätze sollten für alle Erben deutlich gesenkt werden, auf acht bis zehn Prozent. Dafür sollten die speziellen Verschonungsregeln vollständig entfallen und durch eine unbürokratische Stundungsregel ersetzt werden, die Liquiditätsprobleme entschärft.“