Foto: ReFood

Die Diskussion um die geplante Biogas-Anlage in Nürtingen wird vor Gericht fortgesetzt

Stuttgart/Nürtingen - In der Regionalversammlung hat die geplante Biogasgroßanlage in Nürtingen 35 Befürworter quer durch alle Fraktionen. Quer durch alle Fraktionen geht aber auch die Abneigung gegen den für die Gasfabrik gewählten Standort auf freiem Feld zwischen Nürtingen und Großbettlingen. 43 Regionalräte lehnen es ab, dass dort gebaut wird, weil das Areal in einem regionalen Grünzug liegt. Diese Mehrheit verpflichtet jetzt den Verband Region Stuttgart (VRS), gerichtlich gegen das Regierungspräsidium Stuttgart vorzugehen. Diese Behörde hat den Nürtingern erlaubt, von den Zielen des Regionalplans abzuweichen und in den Grünzäsur zu bauen. Während die Befürworter der Anlage die Klage für ein energiepolitisch falsches Signal halten, pochen die Gegner auf die Planungshoheit des Verbands. Auch Maßnahmen der Energiewende, so der CDU-Sprecher Udo Goldmann, hätten sich an den Grundsätzen der Regionalplanung zu orientieren. Dies gelte vor allem für den Schutz von Freiräumen.

Ursprünglich hatten die Stadtwerke Nürtingen und ihr Partner Refood ein zwei Hektar großes Gelände in einem Waldstück in der Nähe des jetzt gewählten Standorts als Bauplatz für ihr Projekt im Auge. Dieses soll 45 000 Tonnen Speisereste jährlich zu soviel Gas vergären, dass 20 Prozent der Nürtinger Gasverbraucher damit versorgt werden können . Für den Platz im Wald gab es die Zustimmung aller Stellen – auch der Region. Bei der Feinplanung stellte sich jedoch ein unüberwindbares Hindernis in den Weg. Der seltene Baumfalke war und ist in dem Wäldchen zu Hause. Das Auftauchen dieses Vogels bedeutet das Aus für jegliche Bauabsichten.

In einem zweiten Suchlauf stellte sich dann ein Platz auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen neben dem Wald als geeignet heraus. Für diesen Standort mussten die Bauherren in spe allerdings ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren beim Regierungspräsidium Stuttgart (RP) beantragen. Der Grund: Das Areal liegt mitten in einem vom Verband Region Stuttgart ausgewiesenen Grünzug. Die Aufsichtsbehörde schlug sich klar auf die Seite der Nürtinger. Die Größe und Bauweise der Biogasanlage, so das RP, wirke sich nicht störend auf den Grünzug aus. Dessen Funktionen (beispielsweise als Frischluftschneise) würden erhalten bleiben. Nicht zuletzt wies die Behörde auch daraufhin, dass die geplante Biogasanlage einen wichtigen Baustein für die Energiewende im Land darstelle.

Um dem Prozess aus dem Weg zu gehen, haben die Nürtinger ihr Bauvorhaben optimiert

Für die Mehrheit der Regionalräte im zuständigen Ausschuss hat es sich das Regierungspräsidium mit seiner Entscheidung zu leicht gemacht. Vor allem sei die Bedeutung eines regionalen Grünzugs ungenügend gewürdigt worden. Im Gegensatz zur Verwaltung um VRS-Chefplaner Thomas Kiwitt entschied sich der Ausschuss dafür, gegen die Entscheidung des Regierungspräsidiums zu klagen. Um den Gang vor Gericht aus dem Weg zu gehen, haben die Nürtinger ihr Bauvorhaben optimiert. Unter anderem soll die Anlage jetzt tiefer in den Boden eingegraben werden. Dadurch seien die Gebäude weder von Nürtingen noch vom Nachbarort Großbettlingen aus zu sehen. Diese Planung erhöhte in der Regionalversammlung zwar die Zahl der Befürworter. Die Mehrheit ließ sich allerdings nicht von der Klage abbringen.

Die Stadtwerke Nürtingen und der Oberbürgermeister der Stadt, Otmar Heirich, haben sich bereits vor der Entscheidung der Regionalversammlung von einer möglichen Klage wenig beeindruckt gezeigt. Das baurechtliche Verfahren sei in der Zwischenzeit auf den Weg gebracht. Wenn die endgültige Baugenehmigung vorliege und die Klage der Region noch Bestand habe, werde es zum Baustart kommen. OB Heirich und Stadtwerke-Chef Volkmar Klaußer sind zuversichtlich, dass sie das 18 Millionen Euro teure Projekt auch mit juristischer Hilfe auf den Weg bringen können.