Stromtrasse im Abendhimmel – Die Preise steigen tendenziell an. Foto: dpa

Längst sind es nicht mehr nur neue Stromautobahnen oder Solarzellen, die die Energiewende in Deutschland teurer machen. Die niedrigen Zinsen belasten die Energieversorger zusehends. Das macht sich auch bei den Energiepreisen bemerkbar.

Stuttgart/Berlin - Energieversorger, die in Baden-Württemberg anbieten und dafür das Netz der EnBW benutzen, müssen sich 2016 auf höhere Kosten einstellen. Die Netzentgelte für Strom stiegen im kommenden Jahr voraussichtlich um durchschnittlich 20 Prozent, sagte der Geschäftsführer der EnBW-Tochter Netze-BW, Christoph Müller, am Mittwoch in Stuttgart. Bei Gas beträgt das Plus 28 Prozent.

Die gestiegenen Kosten stellt die EnBW-Tochter rund 100 kleineren Versorgern und Stadtwerken in Baden-Württemberg in Rechnung, über die mehrere Millionen Endverbraucher Energie beziehen. Somit wirkt die jetzt angekündigte Preiserhöhung direkt auf die Endverbraucherpreise für Haushalte und Industrie. In welchem Umfang das geschieht ist unsicher. „Wie die Energievertriebe der einzelnen Versorger reagieren ist deren Sache“, sagte Müller.

Werden die gestiegenen Kosten voll weitergegeben zahlt eine Durchschnittsfamilie mit einem Jahresverbrauch von 4000 Kilowattstunden Strom im kommenden Jahr 42 Euro mehr als 2015. Bei einem Gasverbrauch von 12 000 Kilowattstunden – was zum Heizen einer großen Wohnung nötig ist – ergeben sich Mehrkosten von 37,20 Euro.

Preiserhöhungen für Endkunden sind wahrscheinlich

Die sogenannten Netzentgelte sind Teil des Endkundenstrompreises und werden von einer staatlichen Behörde – der Bonner Bundesnetzagentur geprüft. 2016 werden nach den jetzt vorliegenden Zahlen bei Strom rund 7,5 Cent pro Einheit fällig, bei Gas rund 1,6 Cent.

Die Beträge werden erhoben, um den Neubau von Leitungen und Umspannwerken, die sichere Einspeisung von Solarenergie aber auch diverse Sonderposten, etwa Pensionsrückstellungen für die Beschäftigten im Energiebereich, zu finanzieren. Gerade letzterer Effekt wirkt sich zunehmend als Kostentreiber aus. Fast die Hälfte der aktuellen Kostensteigerung geht nach Angaben von Netze-BW-Chef Müller aufs Konto von Pensionsrückstellungen.

Betriebsrenten werden teuer

Überall in Europa sehen sich Unternehmen, die ihren Mitarbeitern Betriebsrentenzusagen gemacht haben, vor dem Problem, mehr Geld dafür auf die hohe Kante legen zu müssen. Grund sind die niedrigen Zinsen, die die Vermehrung des angelegten Kapitals erschweren. Man leide erheblich unter den sinkenden Zinsen, sagte Müller.

Außerdem steigen die Netzentgelte, weil immer mehr Geld zum Neu- und Umbau von Energienetzen oder für die Anbindung von Off-Shore-Windparks aufgewendet werden muss. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett in Berlin beispielsweise die Verlegung zweier großer Stromtrassen unter die Erde auf den Weg gebracht. Besonders Bayern hatte sich für diese sehr teure Art das Trassenbaus stark gemacht. Die sogenannte „Lex Seehofer“ allein könnte im Netzbereich zu Mehrkosten von bis zu acht Milliarden Euro führen und sich mit bis zu zehn Euro zusätzlich pro Jahr auf die Haushaltsstromrechnung auswirken.

In Stuttgart werden die Netzentgelte wahrscheinlich sinken

Speziell bei der jetzigen Netzentgeltserhöhung kommen die Haushalte aber eigentlich noch glimpflich weg. Mittelständische Unternehmen müssen teils deutlich höhere Aufschläge hinnehmen.

Im Netzgebiet der Stadt Stuttgart könnte die jetzige Preisrunde gar zu sinkenden Netzentgelten führen. Der Grund: In ländlichen Gebieten sind die Netzkosten fast immer höher als in der Stadt, weil die Kosten für die teure Infrastruktur nur auf weniger Verbraucher umgelegt werden können. Nach dem Rückkauf des EnBW-Netzes durch die Stadt Stuttgart ist das neue Stuttgarter Netz jetzt vom stark ländlich geprägten EnBW-Netz losgelöst. Das wirkt kostensenkend.

Das ändert aber grundsätzlich nichts daran, dass der Druck in Sachen Energiepreise weiter hoch ist. Am 15. Oktober veröffentlichen die Netzbetreiber ihre Prognose der EEG-Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien. Diese könnte von aktuell 6,2 auf 6,5 Cent je Einheit Strom steigen.