Wie viel wert sind eigentlich die Zeugenaussagen? Foto: dpa

U-Ausschuss zum umstrittenen EnBW-Deal steht vor einem Dilemma mit den Zeugen.

Stuttgart - Als ob es nicht schon schwierig genug wäre, den milliardenschweren EnBW-Deal aufzuklären, kommt nun ein neues Problem hinzu: Wie viel wert sind eigentlich die Zeugenaussagen?

Wer schon mal vor Gericht geladen wurde, der weiß, dass der Richter noch vor der Öffnung des ersten Aktendeckels einen unmissverständlichen Hinweis an den Zeugen gibt: Man müsse die volle Wahrheit sagen. Wenn man wissentlich die Unwahrheit sage, mache man sich strafbar. Nicht anders geht es in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zu. Jeder Zeuge wird vor seiner Aussage auf seine Rechte und Pflichten hingewiesen, im übrigen kann jederzeit eine Vereidigung vorgenommen werden.

Nach diesem Muster versucht auch der Untersuchungsausschuss des Landtags seit Wochen die Hintergründe des umstrittenen EnBW-Deals vom Herbst 2010 aufzuarbeiten, als der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in einer Geheimaktion dem französischen Staatskonzern EdF die Anteile an der EnBW für rund fünf Milliarden Euro abkaufte. Gut 20 Zeugen wurden inzwischen vernommen, und sie alle wurden darauf hingewiesen, im Fall der Fälle noch vereidigt werden zu können. Bisher war dies nicht nötig. Nur in einem Fall wurde das Instrument als Drohkulisse hervorgeholt. Als Dirk Notheis, Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley Ende März rund sieben Stunden vor dem Ausschuss verhört wurde und auf etliche Fragen nur ausweichende Antworten parat hatte, stellte die SPD den Antrag auf Vereidigung. Allein, der Antrag wurde erst einmal zurückgestellt.

Entsprechender Passus auf den Meineid ist weggefallen

Ob der Antrag überhaupt noch mal auf den Tisch kommt, ist nun aber äußerst fraglich. Denn der Untersuchungsausschuss steht vor einem Dilemma, das bundesweit zu einem Top-Thema unter Juristen geworden ist. Nach einer Änderung des Paragrafen 162 im Strafgesetzbuch ist ein entsprechender Passus auf den Meineid weggefallen. In der Folge entschied das Oberlandesgericht Celle, dass ein Meineid – also eine Falschaussage nach einer Vereidigung – vor einem Untersuchungsausschuss nicht mehr strafbar ist. Der hessische Staatsgerichtshof legte daraufhin fest, dass Vereidigungen in Untersuchungsausschüssen überflüssig sind.

Was aber hat das für Konsequenzen in der Arbeit der Untersuchungsausschüsse? Diese Frage war eine der meist diskutierten Punkte, als sich die Verfassungsgerichtspräsidenten von Bund und Ländern jetzt auf Einladung des baden-württembergischen Staatsgerichtshofspräsidenten Eberhard Stilz in Stuttgart zu ihrer Jahrestagung trafen. Stilz selbst mochte am Dienstag nicht über die internen Debatten reden, räumte aber ein: „Wir haben es jetzt mit einer schwierigen Rechtslage zu tun.“ Der Bundesgerichtshof habe bisher noch keinen Hinweis gegeben, wie das Problem behoben w erden soll.

Dabei ist eine Klärung dringend nötig. Denn das Strafmaß ist höchst unterschiedlich. Wer vor einem Untersuchungsausschuss lügt und nicht vereidigt wurde, dem droht jetzt und auch künftig lediglich ein Strafbefehl oder eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren. Bei einem Meineid beginnt das Strafmaß aber erst bei einem Jahr. Nicht umsonst galt die Vereidigung deshalb bisher als habhaftes Mittel, um Zeugen zur wahrheitsgemäßen Aussage zu bewegen. Stilz jedenfalls machte am Dienstag klar, dass der EnBW-Ausschuss nun vor einem Dilemma steht, denn die Art der Belehrung müsse überdacht werden.