Klicken Sie sich durch die Bilder von der Hausdurchsuchung. Foto: dapd

Der EnBW-Deal und die Ermittlungen gegen Mappus werden zur Belastung für die Südwest-CDU.

Stuttgart - Als Stefan Mappus noch Ministerpräsident von Baden-Württemberg war, nutzte er die spärliche Freizeit gerne dazu, um mit seinen beiden Söhnen im heimischen Garten in Pforzheim Fußball zu spielen. „Da kommst du auf andere Gedanken“, hat er mal in kleiner Runde gesagt.

Nun ist nicht bekannt, ob der 46-Jährige in diesen Tagen oft kickt. Die Zeit dazu dürfte er haben, einen freien Kopf freilich hat der Hobby-Pilot nicht. Denn die Aufarbeitung des EnBW-Deals nimmt immer dramatischere Züge an. Am Mittwoch erhielt der ehemalige Ministerpräsident ungebetenen Besuch. Beamte der Staatsanwaltschaft Stuttgart, flankiert von Polizisten, standen vor der Haustür und baten um Einlass. „Es wurden schriftliche Unterlagen und Datenträger sichergestellt, die nun auszuwerten sind“, teilt die Staatsanwaltschaft wenig später mit. Zeitgleich schlagen die Ermittler auch andernorts zu: In Mühlacker, Ettlingen, Bad Soden, Karlsruhe, Düsseldorf, Stuttgart und Frankfurt am Main, wo die Unternehmenszentrale der Investmentbank Morgan Stanley ist, werden mehrere Wohnungen und Geschäftsräume durchsucht.

CDU-Kameraden gemeinsam im Visier der Justiz

Die Staatsanwaltschaft fährt also zweigleisig. Sie hat gegen Mappus ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue eröffnet und geht zugleich wegen des Verdachts der Beihilfe zur Untreue gegen seinen Freund und Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis vor. Der hatte im Dezember 2010 für Mappus den Wiedereinstieg des Landes bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW) eingefädelt und den gesamten Geheim-Deal mit dem französischen Staatskonzern EdF unter dem Codenamen „Olympia“ abgewickelt.

Das Duo, das sich aus gemeinsamen Zeiten bei der CDU kennt und schon zusammen zur Papst-Audienz in Rom war, wollte dem Land offenbar einen guten Dienst tun. Allein, es wurde ein Bärendienst. Denn nun sind die CDU-Kameraden gemeinsam im Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, seinerzeit einen überhöhten Preis für das Aktienpaket an die Franzosen bezahlt und damit dem Land geschadet zu haben. Zur Erinnerung: Mappus hatte 4,7 Milliarden Euro hingelegt, auf dass das Land wieder rund 46 Prozent an der EnBW erhält. In den vergangenen Monaten hatten vor allem Grüne und SPD dem ehemaligen Regierungschef immer wieder vorgeworfen, das Geld der Steuerzahler verschleudert zu haben – um wenige Monate vor der Landtagswahl einen politischen Erfolg zu haben. Einen Beleg, wonach der Kaufpreis überhöht war, gab es nie. Deshalb blieb die Staatsanwaltschaft lange tatenlos.

Geheim-Deal zum Schaden des Landes?

Doch der Prüfungsbericht des Rechnungshofs vor wenigen Tagen hat die Wende gebracht. Tenor der Analyse: Mappus habe ohne Not den Deal im ICE-Tempo durchgezogen und eine sorgfältige Prüfung unterlassen. Die Staatsanwälte brüteten tagelang über der Analyse und kamen schließlich zum Ergebnis, die Ermittlungsverfahren einzuleiten. Es gebe „tatsächliche Anhaltspunkte“, dass der Geheim-Deal in jenen Dezember-Tagen zum Schaden des Landes geschah, heißt es in der Begründung für die beiden spektakulären Verfahren.

Und so liest sich die Begründung der Ermittler denn auch wie eine halbe Anklageschrift. Der Erwerb der Aktien sei „nicht ordnungsgemäß vorbereitet“ gewesen, es habe keine ausreichende Wirtschaftlichkeitsprüfung gegeben, eine Prüfung des Landesinteresses sei „nur unzureichend“ vorgenommen worden, und die Tatsache, dass Mappus und Notheis bei ihrer Aktion weder den Landtag noch den Rechnungshof und nicht mal das Finanzministerium informiert hätten, widerspreche der Landeshaushaltsordnung. Bekanntlich hatte der Staatsgerichtshof die Umgehung des Landtags später als Verfassungsbruch verurteilt.

Mappus habe sogar 840 Millionen Euro zu viel bezahlt

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrem Katalog an Verdachtsmomenten noch weiter. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Vertrag zwischen Land und EdF nicht wie geplant zu einem Kaufpreis von 39,90 Euro pro Aktie abgeschlossen wurde, sondern auf 40 Euro aufgerundet wurde. „Das ließ die Kaufpreissumme um insgesamt 11,2 Millionen Euro ansteigen, wodurch ein Nachteil für das Vermögen des Landes eingetreten sein könnte“, sagen die Ermittler. Dass Mappus dann „ohne weitere Verhandlungen“ akzeptiert habe, dass der Kaufpreis inklusive Dividende auf 41,50 Euro stieg, mag die Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren. Diese habe das Land zusätzliche 170 Millionen Euro gekostet. Und: Dass Morgan Stanley „pauschal“ den Auftrag erhalten habe, den Deal abzuwickeln, „ohne dass das zu zahlende Honorar vereinbart worden war“, hat bei den Ermittlern den Antrieb zur Aufklärung zusätzlich verstärkt.

Möglicherweise fühlen sich die Ermittler durch ein weiteres Gutachten bestätigt, das seit Mittwoch offiziell auf dem Tisch liegt. Darin kommt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton im Auftrag der grün-roten Landesregierung zu dem Ergebnis, Mappus habe damals sogar 840 Millionen Euro zu viel bezahlt. Da ist von überhöhten Übernahmeprämien, falschen Vergleichswerten und nicht berücksichtigten Risiken der EnBW die Rede. Das vernichtende Urteil von Gutachter Martin Jonas: Die seinerzeitige Bewertung von Morgan Stanley, der Kaufpreis von 41,50 Euro pro Aktie sei fair, sei „nicht nachvollziehbar“. In Wahrheit habe der Wert bei gut 34 Euro gelegen. Kein Wunder, dass sich Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) darin bestätigt sieht, vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Paris gegen die EdF zu klagen und Geld zurückzufordern. Bisher hatte das Land eine Rückzahlung von zwei Milliarden Euro gefordert, nun werde man die Summe auf 840 Millionen Euro „anpassen“. Aber niemand könne jetzt noch ernsthaft fordern, dass das Land seine Klage zurückziehen soll, sagt Schmid und lehnt sich ob der guten Umfragewerte für Grün-Rot entspannt zurück.

CDU steckt im Tief – politisch wie moralisch

Von derartiger Entspannung kann bei der CDU keine Rede sein. Sie steckt im Tief – politisch wie moralisch. „Der Zeitpunkt des Ermittlungsverfahrens überrascht, die Tatsache aber nicht“, versucht sich Landtagsfraktionschef Peter Hauk in Schadenbegrenzung. Hauk hatte zuletzt mit Landesparteichef Thomas Strobl alles dafür getan, die Ära Mappus als Vergangenheit zu bezeichnen, auf dass die Südwest-CDU nach der verlorenen Landtagswahl aus dem Tal der Tränen herauskommen möge. Nun aber dürften die Augenringe noch tiefer werden. Natürlich seien die Ermittlungen „nicht gut für uns“, räumt Hauk ein. Ja, es habe damals „gravierende Fehler“ bei der Abwicklung des Geschäfts durch den Ministerpräsidenten gegeben. Aber: Die CDU sei 58 Jahre an der Macht gewesen, Mappus nur ein Jahr. „Unsere CDU-Mitglieder sind anders“, beteuert Hauk, da dürfe „kein Gschmäckle bleiben“, sagt er und verspricht deshalb, man werde weiter aktiv an der Aufklärung im Untersuchungsausschuss mitarbeiten: „Wer den beschwerlichen Weg der Aufklärung geht, muss ihn bis zum Schluss gehen.“

Der beschwerliche Weg könnte schmerzhaft werden. Zum einen, weil „ein Ende der Ermittlungsverfahren nicht absehbar ist“, sagt die Staatsanwaltschaft. Zum anderen, weil die Parteiseele kocht. Viele in der Südwest-CDU fürchten, dass das Thema EnBW inklusive des pikanten E-Mail-Verkehrs zwischen Notheis und Mappus noch lange wie eine lästige Klette an den Kleidern der Partei hängt. Schon nächste Woche droht eine Abrechnung. Dann ist Landesparteitag in Karlsruhe. Offizielles Thema: die Zukunftswerkstatt. Das inoffizielle Thema dürfte Vergangenheitsbewältigung heißen.

Anwälte reagieren scharf

Einer aber mag das alles nicht verstehen, geschweige denn akzeptieren: Stefan Mappus. Nach dem Sturz bei der Landtagswahl hatte er versucht, Abstand zu gewinnen. Doch der Job beim Pharmakonzern Merck in Südamerika war beendet, noch ehe er richtig begonnen hatte – wegen des EnBW-Deals. Nun droht ihm ein neuerlicher Absturz.

Es dauert am Mittwoch einige Stunden, dann reagieren seine Anwälte mit einer schriftlichen und im Ton scharfen Erklärung. „Unser Mandant hat ausschließlich im Interesse des Landes Baden-Württemberg gehandelt. Er hat den Tatbestand der Untreue nicht erfüllt.“ Die Franzosen hätten jegliche Beteiligung des Landtags abgelehnt und auf eine Geheimhaltung bestanden, Mappus sei es aber wichtig gewesen, die EnBW in Landesbesitz zu bekommen. Der Rechnungshof habe diese und andere Gesichtspunkte in seinem Gutachten nicht berücksichtigt und auch entlastende Zeugenaussagen aus dem Untersuchungsausschuss „ignoriert“. Für die Anwälte von Mappus steht damit fest, dass das Ermittlungsverfahren „mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt werden wird“. Das aber ist derzeit nicht absehbar.