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Vorsitzender des EnBW-Untersuchungsausschusses erhebt schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung.

Stuttgart - Fehlende Unterlagen und die Verwirrung um Aussagegenehmigungen: Vor dem Start des EnBW-Untersuchungsausschusses lässt dessen Chef Ulrich Müller (CDU) keine Zweifel, dass das Klima zwischen den Beteiligten vergiftet ist.


Herr Müller, was fällt Ihnen spontan zum Thema EnBW-Untersuchungsausschuss ein?

Nicht nur das Thema, der EnBW-Aktienkauf, stellt eine brisante Mischung aus Wirtschaft, Recht und Politik dar, sondern auch die Akteure im und rund um den Ausschuss bewegen sich in diesem magischen Dreieck.

Eigentlich will das Kontrollgremium des Landtags am Freitag den ehemaligen Ministerpräsidenten Mappus als Zeuge hören. Oder nicht?
Wir werden ihn hören, und nach einem von der Landesregierung entfachten Sturm im Wasserglas sage ich auch: Wir werden ihn praktisch komplett öffentlich hören.

Das klingt vorwurfsvoll.
Ich bin in der Tat verärgert über die Entwicklungen. Es kann nicht sein, dass die grün-rote Landesregierung die Arbeit des Untersuchungsausschusses behindert, wir als Ausschuss Entwicklungen nur über die Presse erfahren oder gar nicht über sie informiert werden und letztendlich in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, als gehe es in diesem Ausschuss drunter und drüber.

Wieso ist es so weit gekommen?
Die Landesregierung hat viel dafür getan, um Verwirrung zu stiften. Ob das absichtlich oder aus Unkenntnis der Fakten geschehen ist, lasse ich mal dahingestellt. Es kann nicht sein, dass das Staatsministerium zum Beispiel Mitte vergangener Woche einem kleinen Kreis ausgewählter Journalisten gegenüber behauptete, die EdF wolle eine Aussage von Herrn Mappus im Untersuchungsausschuss verhindern, und damit der Eindruck entstand, die alten Vertragspartner – nämlich EdF und Mappus – würden jetzt gemeinsame Sache machen, um die Aufklärung des Falls zu behindern. Im Schreiben der EdF an die Landesregierung ist mit keinem Wort davon die Rede, dass Herr Mappus nicht aussagen darf. In Wahrheit ging es um die Frage, ob der Inhalt des Vertrags über den EnBW-Aktienkauf von der Vertraulichkeitsvereinbarung befreit wird. Das aber hätte schon seit Wochen durch einen Kontakt zwischen der Landesregierung und der EdF geschehen können. Warum es nicht gemacht wurde, ist mir schleierhaft.

Haben Sie eine Erklärung für die Verwirrung?
Nein. Ich sage aber ganz klar: Dieses öffentlich in Szene gesetzte Verwirrspiel hätte nicht sein müssen und ist aus Sicht eines Untersuchungsausschusses auch nicht hinnehmbar. Es passt aber zu den Entwicklungen der vergangenen Monate. Nehmen Sie folgendes Beispiel: Wochenlang hat Staatsministerin Krebs behauptet, ein Großteil des Untersuchungsausschusses werde womöglich hinter verschlossenen Türen stattfinden müssen, weil die damaligen Vertragspartner – die Investmentbank Morgan Stanley und die Stuttgarter Kanzlei Gleiss Lutz – auf den Verschwiegenheitsverpflichtungen bestehen würden. Als ich mich des Themas angenommen habe, war binnen zwei Tagen klar, dass über alles in den Sitzungen beraten werden kann. Oder nehmen Sie dieses Beispiel: Ich habe schon Anfang Februar die Regierung gebeten, mir mitzuteilen, ob denn nun alle damaligen Vertragspartner von den Verschwiegenheitsverpflichtungen entbunden seien, also auch die EdF, und auch alle Vertragsinhalte zugänglich seien. Aber das Staatsministerium hat es bis heute nicht für nötig gehalten, dem Ausschuss eine Antwort zukommen zu lassen.

Wie geht es nun weiter?
Alle im Landtag vertretenen Parteien sind sich einig, dass mit dem Ausschuss die Hintergründe über den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW im Dezember 2010 geklärt werden sollen. Wenn man das will, muss man aber fair und vor allem transparent miteinander umgehen. Darauf lege ich auch als Ausschussvorsitzender größten Wert. Doch die Landesregierung hat aus meiner Sicht in den vergangenen Wochen das Thema falsch behandelt. Der Scherbenhaufen ist nun zu besichtigen, und er sorgt dafür, dass ein äußerst gereiztes Klima zwischen Regierung, Parlament und EdF entstanden ist, wobei man immer daran denken muss, dass das Ganze auch der EnBW nicht guttut. Was die Regierung bei diesem Thema abliefert, ist Staatstheater, aber sie spielt nicht in bester Besetzung.

Es war Ihr Ziel, auch EdF-Chef Henri Proglio als Zeuge vor den Ausschuss zu bekommen, damit er über die Vertragsverhandlungen mit Mappus reden kann. Wird das noch gelingen?
Nach den Entwicklungen der vergangenen Tage habe ich da meine Zweifel. Die Verärgerung in Paris ist doch mit Händen zu greifen, seitdem die EdF vom Land vor der Internationalen Handelskammer in Paris verklagt worden ist. Das hat die EdF dem Land auch schriftlich mitgeteilt. Dennoch behauptet die Regierung, dem sei nicht so. Das ist schlicht unwahr. Die Sache hat aber noch einen weiteren Aspekt: Es gibt einen einstimmigen Beweisbeschluss, die Regierung möge uns Akten geben, wenn sie Schadenersatz glaubt fordern zu können. Eine Klage gegen die EdF ist angekündigt, die Akten werden uns trotzdem vorenthalten.

Das wäre kein Kavaliersdelikt. Haben Sie für diese Kritik weitere Belege?
Ich sage mal generell, dass wir auf Antworten in der Regel wochenlang und manchmal vergeblich warten. Und es ist auch unzulässig, einen Zeugen aufzufordern, er möge Dokumente, die wir als Ausschuss von ihm verlangt haben, erst ins Staatsministerium schicken. Der Untersuchungsausschuss hat ein eigenes Recht, Beweise zu erheben. Er muss nicht warten, was ihm die Regierung liefert.

Dass Finanzminister Schmid mit der Klage überprüfen will, ob das Land damals womöglich zu viel Geld für die EnBW-Anteile bezahlt hat, ist doch aber richtig.
Mir erschließt sich die Erfolgsaussicht der Klage bisher nicht. Aus den Schreiben der EdF an das Land ist eindeutig zu ersehen, dass man die Schiedsgerichtsklage des Landes als völlig unbegründet ansieht. Ich befürchte, dass man in Paris in Sachen Untersuchungsausschuss jetzt auf stur schaltet, womit die Ausschussarbeit nicht erleichtert, sondern erschwert werden wird.

Und nun?
Es ist und bleibt mein oberstes Anliegen, diesen Untersuchungsausschuss rechtlich sauber zu führen und dabei parteipolitisch neutral zu agieren. Es kann aber nicht sein, dass das Staatsministerium im Gegenzug ein eigenes Spiel spielt. Ich habe schon vier Untersuchungsausschüsse erlebt. Aber die Art und Weise, wie hier die Regierung mit dem Thema, den Beteiligten, der Öffentlichkeit und vor allem dem Parlament umgeht, ist für mich nicht hinnehmbar.