„Für die Mafia sind Städte wie Waiblingen und Fellbach ureigenes Terrain“, sagt die Journalistin Petra Reski, Foto: StN

Italiener aus Waiblingen, Fellbachs Rathauschef Palm und Polizei wehren sich gegen Mutmaßungen.

Waiblingen - Die Gerüchte existieren schon seit Jahren. Jetzt erhalten sie neue Nahrung – und ernten erboste Reaktionen. Konkret geht es um die Frage: Ist das Remstal eine Hochburg der Mafia? Das behauptet die Journalistin Petra Reski, die an diesem Dienstag im Waiblinger Kulturhaus Schwanen (20 Uhr) ihr Buch „Von Kamen nach Corleone“ über das Netz der Mafia in Deutschland vorstellt. Die katholische Gemeinde Waiblingen ist empört.

Mit ihren Thesen ist die 54-Jährige, die in Kamen im Ruhrgebiet geboren wurde und in Venedig lebt, schon länger auf dem Markt. „Baden-Württemberg ist neben Nordrhein-Westfalen eine Hochburg der ’Ndrangheta; Stuttgart, Fellbach, Singen – das ist aktenkundig und umfangreich dokumentiert“, erklärte sie etwa im Juni 2011 in einem Interview mit unserer Zeitung. Fellbach ist für Reski übrigens kein unbekanntes Pflaster: So erhielt sie zusammen mit dem Fotografen Paolo Pellegrin im Jahr 2003 den mit 6000 Euro dotierten und von der Weinstädter Presseagentur Zeitenspiegel ausgelobten Hansel-Mieth-Preis für engagierten Journalismus – für eine Reportage über die Auswirkungen des Kriegs auf ein Dorf in Kroatien.

Etliche Bürger merkten auf und wurden bei den jeweiligen Stadtoberhäuptern vorstellig

Gerade in Fellbach stießen deshalb ihre Äußerungen bezüglich der Mafia im Großraum Stuttgart mit den angrenzenden Städten Esslingen, Ludwigsburg, Waiblingen und eben Fellbach auf besondere Aufmerksamkeit. Etliche Bürger merkten auf und wurden bei den jeweiligen Stadtoberhäuptern vorstellig. Fellbachs OB Christoph Palm erkundigte sich daraufhin persönlich beim Landeskriminalamt und sah sich eigens zu einer Stellungnahme im Gemeinderat veranlasst. Demnach stelle der Rems-Murr-Kreis „keinen Brennpunkt der italienischen organisierten Kriminalität“ dar. Tatsächlich seien nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche Italiener speziell aus Kalabrien nach Deutschland und ins Remstal eingewandert. Und „die Ehre der Familie und ihr Zusammenhalt werden fast immer über individuelle Interessen und Selbstverwirklichung gestellt“. Doch führen diese Italiener im Remstal „teilweise in der dritten Generation ein bürgerliches Leben“ und seien „redliche, arbeitsame und gesetzestreue Mitglieder unserer Gesellschaft“. Palms Warnung vor einer Pauschalierung: „Den Schluss zu ziehen, jeder Kalabrese sei per se mafiaanfällig oder verdächtig, ist völlig falsch.“

In den vergangenen Tagen nun ist die Diskussion erneut aufgeflammt, diesmal in der Kreishauptstadt. Mit Blick auf Reskis Schwanen-Auftritt wies eine Lokalzeitung darauf hin, dass die Mafia laut der „preisgekrönten Journalistin Petra Reski“ auch Waiblingen als ihr „ureigenstes Terrain“ bezeichne. Dabei ging die Zeitung auch auf Reskis Anspielung bezüglich Stuttgart 21 ein. Die Landeshauptstadt sei „eine deutsche Hochburg der Mafia – und Schauplatz eines gigantischen Bauprojekts“. Kein Wunder, dass als Veranstalter von Reskis Gastspiel im Remstal unter anderem die Tiefbahnhofgegner des Waiblinger Bündnisses für K 21 agieren – „mit freundlicher Unterstützung der Volksbank Stuttgart eG“, wie es in der Einladung des Schwanen heißt.

Keinerlei Erkenntnisse bezügliche einer Mafia-Hochburg im vorderen Remstal

Die ganzen „vagen Angaben“ von Reski kommen bei vielen Waiblinger Italienern indes gar nicht gut an. Für Thomas Raiser, seit sieben Jahren Pastoralreferent der katholischen Gemeinde S. Antonio da Padova Waiblingen, „schießt sie leider über das Ziel hinaus und stellt die hier im Raum Stuttgart lebenden italienischen Familien quasi unter Generalverdacht“ – bleibe dafür aber Beweise schuldig. „Im Übrigen sind es die hier lebenden Süditaliener leid, dass sie, die diese Region in den letzten 50 Jahren mit aufgebaut haben, immer von neuem mit dem Thema in Verbindung gebracht werden.“

Zur aktuellen Lage betont Ronald Krötz, Sprecher der Waiblinger Polizeidirektion, dass es keinerlei Erkenntnisse bezügliche einer Mafia-Hochburg im vorderen Remstal gebe. Ähnlich sieht’s der Stuttgarter Oberstaatsanwalt Helmut Krombacher, der sich mit der Thematik intensiv auseinandersetzt. Reskis Behauptungen, „das sagt sich leicht“, doch für die Behörden müsse es Beweise geben. Natürlich beobachte man die Szene und wisse, dass viele Menschen aus Kalabrien sich im Raum Waiblingen niedergelassen hätten. „Doch das sind fast alles völlig normale Bürger, die mit Straftaten nichts am Hut haben.“ Ansonsten wäre er natürlich „sehr dankbar, wenn uns italienische Normalbürger auch vertrauliche Hinweise auf Mafia-Aktivitäten geben“. Sein Fazit: „Der Großraum Stuttgart als Mafia-Hochburg? Also so kann ich das nicht unterschreiben.“