Die Getreidesorte Emmer wurde im Vorderen Orient schon vor mehr als 10 000 Jahren angebaut. Jetzt wächst das Urgetreide auf den Feldern der Universität Hohenheim. Foto: Uni Hohenheim

Mit interaktiver Grafik - Die Vielfalt der Nutzpflanzen schwindet. Dazu kommt der Klimawandel, der dem Getreide zu schaffen macht. Doch die Deutschen müssen nicht um ihr täglich Brot fürchten – zumindest nicht, wenn sich Bauern, Bäcker und Verbraucher auf die alten Sorten besinnen.

Hohenheim - Der Regen hat den Emmer platt gemacht. 40 Liter Wasser pro Quadratmeter sind bei den jüngsten Unwettern auf die Fildern herunter geplatscht. Das hat die mannshohen Halme umknicken lassen. Jetzt liegen sie am Boden, wie eine große grüne Matratze sehen Teile des Versuchsfelds an der Universität Hohenheim nun aus. Geknickt ist Friedrich Longin deswegen nicht. Das wird schon wieder, sagt der Experte von der universitären Landessaatzuchtanstalt. „Der Emmer hält das aus.“

Die Urgetreidesorten wie Emmer, Einkorn und Dinkel halten ganz schön viel aus: Die beiden großen Frostphasen im langen Winter 2013 beispielsweise waren für die Getreidesorte Einkorn kein Problem. Während die Natur ringsum braun wurde, streckten die ersten Einkorn-Keimlinge ihre grünen Köpfchen unerschütterlich aus der Erde. Oder die Hitzewelle jetzt an Pfingsten: Bis zu 37 Grad Celsius Hitze hatten die Bauern im Kraichgau gemessen. Während der Weizen einen Sonnenbrand bekam, gedieh der Emmer fleißig weiter.

So ist es nicht verwunderlich, dass Friedrich Longin zusammen mit dem Landesinnungsverband für das württembergische Bäckerhandwerk beim Getreide-Fachtag der Uni Hohenheim vor Bäckern, Saatgutzüchtern und Bauern eifrig für das Urgetreide wirbt: Für den Experten sind das die Rohstoffe für die Brötchen der Zukunft. Doch: „Nur wenige wissen davon.“

Die Sommer werden heißer, im Winter gibt es Frost – das gefällt dem Weizen nicht

Wer heute an Brot denkt, denkt an Weizen. Schließlich ist das die wichtigste Getreideart in Deutschland: Die Ackerbaufläche ist zur Ernte 2013 um knapp vier Prozent auf drei Millionen Hektar ausgeweitet worden. Die Landwirte erwarten auch in diesem Jahr eine Weizenernte von knapp 23 Millionen Tonnen. Doch wie lange noch?

Das Frühjahr wird trockener und kürzer, die Sommer trockener und heißer, im Winter verlängern sich die Frostperioden. Das gefällt dem Weizen gar nicht. Steigt die Durchschnittstemperatur um ein Grad, ist mit Ernteeinbußen von zehn Prozent zu rechnen, zeigt eine Studie der Stanford University. Nach Ansicht von Experten wie Longin ist es demnach höchste Zeit, sich mit einem Ersatz für Weizen und andere Getreide-Sorten zu beschäftigen.

Lange suchen müsste man nicht, man müsste sich nur erinnern: an die Steinzeit, als sich vor 10 000 Jahren im nahen Osten die Menschen vom Wildgetreide Einkorn ernährten. Die Körner wurden zur Handelsware, gelangten in fremde Regionen und vermischten sich mit anderen Wildgräsern – es entstanden die Kreuzungen Emmer und Dinkel, später dann Hart- und Weichweizen. Noch bis in das 19. Jahrhundert hinein wuchsen die alten Sorten hierzulande auf Feldern, bis sie komplett vom ertragreicheren Brotweizen verdrängt wurden. Dabei sind die traditionellen Sorten seit jeher besser an die lokalen Bedingungen angepasst. Dennoch sind auch sie nicht perfekt, warnt Friedrich Longin.

Der Nachteil von Emmer: Niedriger Ertrag und aufwendige Weiterverarbeitung

Der größte Nachteil ist der niedrige Ertrag und die aufwendigere Verarbeitung: Emmer und Einkorn gehören zu den Spelzgetreiden. Das Korn ist von einer festen Spelze umschlossen, die das Korn schützt. Während Weizen nach dem Dreschen sofort weiterverarbeitet werden kann, muss bei Emmer und Einkorn erst die Spelze vom Korn getrennt werden. „Das muss den Bauern vergütet werden“, sagt Longin.

Zudem stellt die Weiterverarbeitung von Emmer & Co hohe Ansprüche an den Bäcker – etwa aufgrund des Kleberanteils. Von diesem Kleber, der aus Proteinen besteht, hängt es ab, wie elastisch der Teig wird. Doch die Kleberqualitäten des Urgetreides zeigen enorme Schwankungen, je nach Sorte und Anbaugebiet. Ein Nachteil, den die Bäcker zum Vorteil ausbauen sollten, rät der Vorsitzende der Bäckerinnung, Andreas Kofler. Indem sie sich beispielsweise mit regionalen Spezialitäten gegenüber Supermärkten und Ketten behaupten.

Das klappt aber nur, wenn der Verbraucher den Wert des Urgetreides anerkennt. Experten wie Longin setzen dabei auf das wachsende Gesundheitsbewusstsein der Deutschen. Immerhin wird ihnen einen Reichtum an Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen geboten. Einkorn etwa enthält den höchsten Gehalt an Carotinoiden. Und auch wenn das Urgetreide Gluten beinhalten, berichten viele Verbraucher, dass sie weniger Verdauungsprobleme haben, wenn sie statt eines Weißbrötchens ein Dinkelbrot gegessen hätten. Der Ursache für die Bekömmlichkeit will Longin mit Kollegen weiter auf den Grund gehen.

Das Urgetreide Dinkel wird immer beliebter – auch beim Kunden

Immerhin, beim Dinkel geht die Rechnung auf: Das Getreide hat an Beliebtheit gewonnen, insbesondere in den vergangenen zwei Jahren ist die Dinkelnachfrage um bis zu 20 Prozent jährlich nach oben geschnellt – zu abrupt für die Bauern: Lediglich 20 000 bis 60 000 Hektar – so wird geschätzt – beträgt die Fläche an Dinkelfeldern in Deutschland, die Hälfte davon wird in Baden-Württemberg bewirtschaftet. Viel zu wenig, um die bundesweite Nachfrage zu befriedigen, weshalb es seit Monaten Engpässe bei Dinkelprodukten gibt. „Bis zur neuen Ernte im September wird diese Knappheit anhalten“, sagt Longin.

Und auch dann sind die Urgetreidesorten noch nicht konkurrenztauglich zum Weizen. „Da müssen wir noch mit ein paar Züchtungen nachhelfen“, sagt Longin. In fünf Jahren aber könne aber auch der Emmer aus seinem Nischendasein heraustreten, ebenso das Einkorn. Am Ende bleibt die Frage an den Verbraucher: Welches Brot soll es sein? Darauf muss jeder seine eigene Antwort geben.