Ballett-Fan und Ballett-Bloggerin: Elisabeth Kabatek Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Als Fan ganz dicht dabei: Die Stuttgarter Autorin Elisabeth Kabatek begleitet die Reid-Anderson-Festwoche beim Stuttgarter Ballett mit einer Kolumne. Bei der SWR-Ballett-Doku-Premiere zeigt sich: Auch Ballett-Stars futtern Popcorn.

Stuttgart - Na schön. Wir sind nicht Cannes, wir sind nicht Berlin, und George Clooney hat sich auch nicht blicken lassen. Aber Stuttgart kann auch roter Teppich. Und wie! Zum Auftakt der Festwoche zum 20-jährigen Jubiläum von Reid Anderson hat im Metropol Kino Stuttgart der Dokumentarfilm „Von Wundern und Superhelden - 55 Jahre Stuttgarter Ballett“ von SWR-Autor Harald Woetzel Premiere. Okay, der rote Teppich im Metropol ist nicht extra ausgerollt worden, den gab’s schon vor der Filmpremiere, aber schließlich sind wir in Stuttgart auch bescheidener als anderswo und parken den Porsche hinterm Haus. Dieser rote Teppich aber erweist sich als perfekt fürs Fotoshooting. Denn jetzt läuft nahezu die komplette Compagnie des Stuttgarter Balletts darüber und lässt sich in kleinen Grüppchen vom Fotografen ablichten. Intendant Reid Anderson staunt, dass seine Tänzerinnen alle wie Models aussehen. Wahrscheinlich sieht er sie auch selten so elegant, so schick und so sexy, und alle mit strahlendem Lächeln.

Das „Who is Who“ des Stuttgarter Balletts gibt sich heute die Ehre: Eric Gauthier wirft sich seinem künstlerischen Vater Reid Anderson symbolisch vor die Füße, Tamas Detrich improvisiert gut gelaunt ein paar Tanzschritte, dann wird Jason Reilly von Eric Gauthier umarmt, während Sonia Santiago von Tamas Detrich gebusselt wird und Alicia Amatriain Reid Anderson küsst. Es sind aber nicht nur die Insider da, die, die irgendwas mit dem Ballett zu haben, Familienangehörige wie die Eltern des ehemaligen Tänzers Thomas Lempertz, oder Kollegen wie Opernintendant Jossi Wieler.

Zum Popcorn genehmigt sich Jason Reilly auch noch ein Bier

Nein, natürlich lässt es sich auch das ganz normale Stuttgarter Ballettpublikum nicht nehmen, die Filmpremiere mitzuerleben. Dieses eigentlich gar nicht normale, einmalige Stuttgarter Publikum, ohne das auch der beste Intendant und die besten Tänzer nicht existieren könnten, und auf das die ganze Ballettwelt außerhalb von Stuttgart neidisch ist. Seit den 60er Jahren hält sie dem Ballett die Treue, erzählt mir eine Besucherin auf der Treppe. „Das Ballett? Es ist eine einmalige Beziehung“, meint sie und strahlt. „Eine Beziehung, die man so nur in Stuttgart erleben kann.“

Langsam schiebt sich der Strom der Gäste nach oben. Im 1. Stock des Metropol steht Jason Reilly an der Theke an. Sicher für ein Glas Mineralwasser? Er schüttelt den Kopf. „Popcorn und Bier“, sagt er. „Ich esse total gern Junk.“ Und dann grinst er sein wunderbares, breites Jason-Reilly-Grinsen. Wie jetzt - ich dachte, Balletttänzer leben von Wasser, Luft und ein paar Krümeln Brot, damit sie kein Fett ansetzen? Von wegen. Später werde ich in Reihe acht zwischen lauter TänzerInnen sitzen (eine ganze Weile später, ehrlich gesagt, weil ich nicht kapiert habe, dass der Film zwei Kinosäle füllt und ich zunächst im falschen Saal gelandet bin, wo ich mich wundere, dass schon jemand auf meinem Platz sitzt...) Und was machen alle diese schönen, schlanken Menschen um mich herum? Popcorn knuspern, aus ziemlich großen Bechern. Sehr irdisch wirken sie da auf einmal, die Superhelden des Balletts. Man spürt auch, wie gespannt sie sind. Schließlich hat noch niemand, wirklich niemand von ihnen den fertigen Film gesehen. Doch bevor der Film beginnt, gibt es erst noch eine wirklich fabelhafte Rede von Staatssekretärin Petra Olschowski. Eine sehr persönliche Rede, der man anmerkt, dass hier eine Frau spricht, die keine Floskeln benötigt, weil sie weiß, wovon sie spricht.