Mit interaktiver Grafik - Mobiltelefone, Flachbildfernseher, Solarzellen: Viele High-Tech-Produkte werden in Asien produziert. Ein ähnliches Schicksal droht Deutschland bei der nächsten Schlüsseltechnologie, der Batterie fürs E-Auto. Noch aber ist es nicht zu spät.

Die Mercedes B-Klasse mit Elektroantrieb ist seit November für rund 39.000 Euro erhältlich. Batterie und Antriebsstrang stammen von Tesla

Stuttgart - Bescheidenheit ist nicht die stärkste Eigenschaft von Elon Musk. Vor wenigen Wochen kündigte der Tesla-Chef den Bau einer riesigen Batterie-Fabrik in der Wüste Nevadas an. Mehrere Milliarden Euro nimmt der Pionier der Elektromobilität in die Hand. Bis 2020 sollen etwa 6500 Arbeitsplätze entstehen. Dann werden in der Fabrik mehr Lithium-Ionen-Akkus hergestellt als in sämtlichen Produktionsstätten der Welt zusammengerechnet. Als Partner ist der japanische Konzern Panasonic mit dabei. Tesla benötigt die Fabrik, um die schicken, aber recht teuren Elektro-Sportautos einem breiteren Publikum schmackhaft zu machen.

In Deutschland ist man von einer solchen Mega-Fabrik noch weit entfernt. Ein Blick auf die aktuelle Modellpalette der E-Autos zeigt, wie zögerlich die Hersteller agieren. Daimler zum Beispiel verfügt zwar mit Li-Tec über eine hundertprozentige Tochter, die hochwertige Batteriezellen herstellt. Doch einbauen lassen die Stuttgarter diese nur beim kleinen Smart. „Li-Tec macht zwar die beste Batterie – die Frage ist, ob es auch die wirtschaftlich wettbewerbsfähigste ist“, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche jüngst bei der Vorstellung der neuen B-Klasse auf Mallorca unserer Zeitung. Bei der Elektroversion des Kompaktwagens setzt man voll auf den Kooperationspartner Tesla. Batterie und Antriebsstrang werden aus den USA geliefert und in Rastatt montiert. Das spart Kosten. „Wir haben keine Exklusivbeziehungen mit unseren Tochterfirmen, auch diese stehen im Wettbewerb“, sagt ein Daimler-Sprecher. Ein klares Bekenntnis zu Li-Tec klingt anders, auch wenn Zetsche Gerüchte dementiert, wonach sich Daimler bald von seiner Batterietochter trennen will. Im Sommer hatte sich Evonik aus dem Gemeinschaftsprojekt zurückgezogen.

Auch die anderen Autohersteller fahren bei der Elektromobilität auf Sicht, denn noch liegt der Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen im Promillebereich. VW bekommt die Batteriepacks für seinen E-Golf von Panasonic geliefert und baut diese zusammen mit dem Management-System im Werk Braunschweig ein. Ähnlich hält es BMW beim derzeit erfolgreichsten und vielleicht konsequentesten Elektroauto, dem i3. Die Zellen kommen von Samsung und werden im bayrischen Dingolfing zu Batterien zusammengesetzt. „Samsung ist integraler Bestandteil unserer Strategie“, heißt es aus der Entwicklungsabteilung. Audi setzt beim A3 e-tron mit kombinierten Verbrennungs- und E-Motor auf die Zusammenarbeit mit Sanyo. Wohin man auch schaut: Vor allem bei der Batteriezelle kommt an Asien derzeit scheinbar niemand vorbei.

Was dies für die Zukunft der deutschen Automobilindustrie bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen. Vor allem Jobs bei Zulieferunternehmen, die Teile für den Verbrennungsmotor oder den Antriebsstrang produzieren, wären gefährdet. „Die Mehrheit der stark mittelständisch geprägten Zulieferindustrie ist für die anstehenden Herausforderungen nur unzureichend aufgestellt“, warnt daher auch die Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (IHK). Sie hatte bereits vor zwei Jahren beim Fraunhofer-Institut eine Studie zum Strukturwandel durch Elektromobilität in der Autoindustrie in Auftrag gegeben.

Noch aber ist das Rennen um die Zukunftstechnologie nicht entschieden. „Da ist unheimlich Musik drin“, sagt Eric Meiser, Leiter des Industriekreises Batterieproduktion unter dem Dach des Verbands Deutsche Maschinen- und Anlagebau (VDMA). Er nimmt die Autobauer in Schutz. „Sie stehen derzeit vor einem riesigen Zoo an Möglichkeiten.“ Denn momentan befinde sich der Weltmarkt an der Schwelle von Forschung und kleinen Stückzahlen hin zur Massenfertigung. So hätten zwar die Asiaten bei der Fertigung von Lithium-Ionen-Akkus für Laptops oder Mobiltelefone die Nase vorn. Doch die Massenproduktion von großen Autobatterien unterscheide sich davon grundlegend. Bisher etwa würde in den asiatischen Akku-Fabriken sehr viel Ausschuss produziert, die Qualität unterliege großen Schwankungen. Dies sei bei großen Autobatterien, die entsprechend teuer sind, nicht akzeptabel. Für Haftungsfragen müssten außerdem die Produktionsschritte von den Maschinen lückenlos dokumentiert werden und im Falle eines Unfalls rückverfolgbar sein. Eine intelligente Vernetzung ist daher nötig. „Da kommt es auf viele Dinge an, die wir als Maschinenbauer hier gut können.“ Meiser rechnet daher damit, dass mit der nächsten Generation an Autobatterien die Karten neu gemischt werden.

„Es wäre unfair zu sagen, die Autobauer hätten den Trend verschlafen“, sagt auch Werner Tillmetz, Leiter des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) in Ulm. „Wir befinden uns in einer Lernphase“, sagt der Forscher. Tillmetz erwartet in den nächsten fünf bis sechs Jahren eine Verdoppelung der Leistungsdichte bei den Batterien. Ein E-Golf von VW könnte dann 400 statt der bisher angegebenen 200 Kilometer Reichweite schaffen.

Um die Entwicklung der Batterien zu beschleunigen und Boden gutzumachen, ist am ZSW vor wenigen Wochen eine Forschungsplattform mit Modellfabrik entstanden. Dort können Industrieunternehmen, darunter etwa BASF, BMW, Daimler, Elring Klinger oder Siemens, Verfahren zur Herstellung großer Batterien erforschen und anschließend in Kleinserie testen.

Bei Bosch bleiben die Forscher angesichts des sich zuspitzenden Wettbewerbs gelassen. Bereits jetzt bieten die Stuttgarter, ähnlich wie Tesla, Komplettlösungen für den Elektroantrieb an. „Bei der Systemtechnik sind wir vorne mit dabei“, sagt Udo Ruegheimer, Sprecher für Forschung und Entwicklung bei Bosch. So fährt etwa der Fiat 500 E, der bisher jedoch nur in den USA zu haben ist, mit Batterie und Antriebsstrang von Bosch. Die Zelle selbst kommt noch vom ehemaligen Partner Samsung SDI, von dem sich der weltgrößte Automobilzulieferer jedoch getrennt hat.

Auch für den Porsche Panamera Plug-in-Hybrid kommen die Komponenten von Bosch. „Wenn man diese Spannbreite im Griff hat, kann man technisch alles abdecken“, sagt Ruegheimer. Doch noch seien die Stückzahlen klein, in den bestehenden Fabriken Überkapazitäten vorhanden. Eine Großfabrik in Deutschland hält Ruegheimer daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für zwingend. Ändern könnte sich dies nach 2020, wenn, wie erwartet, die Zulassungszahlen bei Elektrofahrzeugen auf den großen Märkten steil nach oben zeigen und eine neue Generation von Batterien serienreif ist. „Das Fell des Bären ist noch nicht verteilt“, sagt Ruegheimer mit Blick auf die asiatische Konkurrenz.