Die Einwegflasche gilt bislang vor allem als Müllproduzent Foto:  

Lassen sich Plastikflaschen herstellen, die der Umwelt weniger schaden,als bislang angenommen? Das behauptet ein Discounter und wird deshalb von Deutschen Umwelthilfe scharf kritisiert. Die Antwort auf die Frage ist zumindest nicht so einfach, dass sie in einen Werbespot passt – und überrascht.

Stuttgart - Eine Plastikflasche inmitten unberührter, grüner Natur: Ein klarer Fall von Umweltverschmutzung, oder? Nicht, wenn es nach der neuen Werbekampagne von Lidl geht. Denn der Discounter will mit diesem Bild zeigen: Die vermeintlich böse Plastikflasche ist gar nicht mehr so böse, besteht sie doch inzwischen zu 55 Prozent aus recycelten alten Flaschen. Und dank dieser so genanten Kreislaufflaschen spart das Unternehmen nach eigenen Angaben jährlich 50 000 Tonnen an CO2 ein.

Trotzdem fordert ausgerechnet die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nun den Discounter auf, die Werbekampagne für die Einwegflaschen sofort zu stoppen. Der Vorwurf lautet Greenwashing – also der Versuch, sich besonders umweltfreundlich darzustellen, obwohl man weiterhin unökologische Plastikflaschen verkauft. „Einwegflaschen aus Plastik sind wiederbefüllbaren Mehrwegflaschen ökologisch deutlich unterlegen, weil sie ressourcenintensiver in der Herstellung sind, das Klima besonders stark belasten und unnötige Abfälle produzieren“, so die Stellungnahme der DUH.

Toll, denkt man sich da nun als Kunde. Und welche Getränkeverpackung soll ich nun kaufen? Folgende Fakten zeigen, dass diese Entscheidung gar nicht so einfach ist:

Recyclinganteil

Für Mehrwegflaschen aus Glas werden bis zu 90 Prozent alte Flaschen verwendet, bei den Lidl-Einwegflaschen aus Plastik sind es 55 Prozent dieses so genannten Recyclats. „Normal bei anderen Herstellern ist etwa ein Anteil von 30 Prozent. Verwendet man mehr, färben sich die Flaschen hässlich gelb“, sagt Thomas Fischer, Leiter Kreiswirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Lidl umgeht dieses Problem mit grünen Flaschen und sorgt so bei der Herstellung für etwas geringere Umweltauswirkungen. „Aber da fast die Hälfte des Materials nach wie vor aus Rohöl eingespeist wird, kann eine solche Flasche nicht als umweltfreundlich verkauft werden“, sagt Fischer.

Benedikt Kauertz, Experte für Getränkeverpackungen am Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) Heidelberg verweist dagegen auf die hohe Rücklaufquote von 96 Prozent bei Einwegflaschen aus PET. „Dadurch ist ein sehr sortenreines Recycling möglich und was nicht als Recyclat in der Flasche landet, wird zu Folien oder Fasern verarbeitet.“ Dieses so genannte Downcycling steht bei Umweltschützern in der Kritik, weil durch die Umwandlung in ein qualitativ schlechteres Produkt als das Ausgangsprodukt Ressourcen verloren gehen. In die Ökobilanzen, welche das Ifeu zu Getränkeverpackungen erstellt, ist dieser Verlust aber eingerechnet.

Gewicht

Glasflaschen sind vergleichsweise schwere Getränkeverpackungen, das bringt beim Transport ökologische Nachteile. „Einwegflaschen aus PET dagegen sind die letzten Jahre immer leichter geworden“, sagt Benedikt Kauertz, Experte für Getränkeverpackungen am Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) Heidelberg. Ähnliches gilt für PET-Mehrwegflaschen.

Transportwege

Wie schwer eine Getränkeverpackung ist, spielt vor allem dann eine Rolle, wenn zwischen Hersteller und Kunde weite Wege liegen. Kauft man ein Mineralwasser von einem regionalen Hersteller, kann man ruhig die Mehrwegflasche aus Glas wählen. Wer hingegen ein Wasser aus Norddeutschland wählt, ist mit einer Mehrweg-PET-Flasche besser bedient. Diese werden aus technischen Gründen zwar nur zu 10 Prozent aus Recyclat alter Flaschen hergestellt – im Gegensatz zu den 30 bis 55 Prozent bei PET-Einwegflaschen. Aber bis sie geschreddert werden, kann bis zu 20 Mal neues Wasser darin verkauft werden – und das verbraucht weniger Ressourcen, als jedes Mal neue Flaschen zu verwenden.

Egal welche Flasche man wählt: Es lohnt sich grundsätzlich, auf einen regionalen Abfüller zu achten, denn das hält die Transportwege zwischen Hersteller und Konsument kurz. Die Angabe der Quelle ist Pflicht, sie findet sich also auf jeder Flasche. Auch Discounter beziehen ihr Wasser inzwischen teilweise von regionalen Quellen, weil auch sie durch die kurzen Transportwege Geld einsparen.

Mehrwegsystem

Der Transport beim Mehrwegsystem endet nicht mit der Lieferung ins Geschäft: Die Flaschen müssen auch wieder zurück zum Abfüller. Besonders kurze Wege gibt es bei so genannten Pool-Systemen, erklärt Benedikt Kauertz vom Ifeu. Glasflaschen in braunen Kästen und PET-Flaschen in bläulichen Flaschen mit Perlenmuster werden von allen Mitgliedern der Genossenschaft deutscher Brunnen zurückgenommen.

Fazit

Wer beim Getränkekauf auf den Umweltaspekt wert legt, wählt am besten Mehrweg-PET-Flaschen von einem regionalen Abfüller, der an ein Pool-System angeschlossen ist.Zu viel Bedeutung sollte man dieser Flaschenwahl aber nicht beimessen. „Wenn sie vom schlechtesten zum besten Getränkesystem wechseln, können sie im Jahr maximal 50 Kilo CO2 einsparen, der jährliche Verbrauch eines Deutschen liegt bei etwa 11,8 Tonnen“, sagt Benedikt Kauertz vom Institut für Energie- und Umweltforschung. Wer ab und zu das Auto stehen lasse oder mal auf eine weitere Flugreise verzichte, könne ein Leben lang trinken, woraus er wolle.

Und der Vorwurf der Deutschen Umwelthilfe, Lidl stelle seine Flaschen umweltfreundlicher dar, als sie tatsächlich sind? Georg Müller-Christ, Professor für Nachhaltiges Management an der Universität Bremen winkt ab und sagt: „Umweltfreundliche Produkte gibt es sowieso nicht, außer vielleicht dem Demeter-Kopfsalat.“ Ein Produkt könne immer nur in einzelnen Eigenschaften umweltfreundlicher sein als ein vergleichbares Konkurrenzprodukt. Da dieses bei den Lidl-Flaschen zutreffend sei, sieht er hier „kein Greenwashing, sondern einen guten Einstieg in geschlossene Kreisläufe“.