Vor der Einschulung werden im Land alle Kinder auf ihren Entwicklungsstand getestet. Foto: dpa

Viele Kindergartenabgänger brauchen Hilfe für einen reibungslosen Wechsel in die erste Klasse.

Stuttgart - Jedes dritte Kind in Stuttgart hat vor der Einschulung große sprachliche Schwächen. Von 4058 getesteten Kindern blieben 1357 hinter den Erwartungen zurück und benötigen eine Sprachförderung. Fast 50 Prozent dieser Kinder haben einen Migrationshintergrund.

Bitte langsam nachsprechen! "Ribanelu". Wenn das ohne Holpern geklappt hat, versuchen Sie es mit den Kunstwörtern: "Lekmo" und "Fodikan". Eigentlich sollte man dabei keinen Knoten in die Zunge bekommen. Und doch kann es schon mal vorkommen. Vor allem bei Vorschulkindern, deren sprachliches Gedächtnis weniger gut ausgeprägt ist.

Dieser Sprachtest ist ein kleiner Bestandteil der großen Einschulungsuntersuchung, kurz ESU. Im April 2005 hatte die Landesregierung die ESU beschlossen, seit 2008 ging das Modell in den Regelbetrieb. Schon die ersten Testergebnisse bei 92.000 Kindern im ganzen Land zeigten: Jeder vierte Erstklässler hat Sprachprobleme.

So aufschlussreich diese Zahlen auch waren. In Stuttgart gaben sich Bildungs- und Sozialpolitiker und der Gemeinderat damit nicht zufrieden. "Wir wollten die Kinder nicht selektiv rausgreifen, sondern alle untersuchen, damit die Eltern differenziert beraten werden", sagte Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer vor dem Jugendhilfeausschuss im Rathaus mit einem Anflug von Stolz. Denn der Grundsatzbeschluss des Landes sei gut, aber der Stuttgarter Weg noch ein bisschen besser - weil aussagekräftiger.

Im Vergleich zum Land wurden in Stuttgart fast alle Kinder des Einschulungsjahrgangs 2010 erfasst. Beim Sprachentwicklungstest sind es 4058. Fast die Hälfte davon sind Migrantenkinder. Diese Tests kosten die Stadt zwar viel Zeit und Geld, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Nun ist es amtlich: In Stuttgart ist der Bedarf an Sprachförderung höher als angenommen. Statt einem Viertel aller Vorschüler im Alter zwischen viereinhalb und fünf Jahren muss ein Drittel sprachlich gefördert werden. In absoluten Zahlen sind das 1357 Kinder. Ihnen wird der Übergang vom Kindergarten zur Schule nur dann ohne größere Probleme gelingen, wenn Eltern und Pädagogen die Kinder unterstützen. In der Praxis sieht das so aus:

Das Aha-Erlebnis: Die Eltern, die in der Regel beim Test dabei sind, erleben die Schwächen ihrer Kinder konkret. Für manche sind diese Erlebnisse Anreiz zum Handeln oder zur Zusammenarbeit mit den Pädagogen.

Experten-Tipps: Mit dem Einverständnis der Eltern werden die Ergebnisse an die Erzieher in der Kita weitergeleitet. Zudem geben die Experten des Gesundheitsamts den Pädogogen Tipps, auf welche Fähigkeiten im letzten Kita-Jahr besonders geachtet werden muss.

Hausaufgaben: In Beratungen werden Eltern Möglichkeiten gezeigt, wie sie ihre Kinder im häuslichen Bereich gezielt fördern können. Das Städtische Elternseminar hat dazu auch ein Flugblatt entwickelt. Titel: "Jedes Kind kommt in die Schule".

An der Einschulung lässt sich tatsächlich nichts ändern. Aber auf das Wie kommt es an - also ohne Sprachdefizite. Dies wird sicherlich nicht bei allen Kindern gelingen. Da machen sich auch die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses keine Illusionen. Im Alltag werden die guten Anregungen bei den Eltern nicht immer auf fruchtbaren Boden fallen. So gibt Robert Kauderer (Freie Wähler) zu bedenken: "Reicht es, nur Empfehlungen an die Eltern abzugeben?" Die Frage wurde in dieser Sitzung nicht erschöpfend behandelt. Sie wird wohl eher in der Praxis von Fall zu Fall beantwortet. Aber im Grundsatz waren sich die Stadträte einig - keiner widersprach Iris Ripsam (CDU): "Der Stuttgarter Weg ist ein guter Weg."