CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach ist dankbar. Foto: dpa

Ein Jahr nach Beginn der Enthüllungen durch den Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden seien die Bundesbürger nicht besser vor dem Ausspähen ihrer Internet-Kommunikation geschützt. „Leider“ könne man das nicht behaupten, sagt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach.

Ein Jahr nach Beginn der Enthüllungen durch den Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden seien die Bundesbürger nicht besser vor dem Ausspähen ihrer Internet-Kommunikation geschützt. „Leider“ könne man das nicht behaupten, sagt der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach.

Berlin - Herr Bosbach, muss man Edward Snowden dankbar sein?
Ja, wir sollten Edward Snowden dankbar sein. Ohne seine Informationen hätten wir keine genaue Kenntnis über Art und Umfang der amerikanischen Ausspäh-Aktivitäten, die man in ihrer Intensität nicht mit dem schlichten Hinweis auf Gefahrenabwehr und Terrorbekämpfung rechtfertigen kann.
Snowden hat also selbst Ihnen, als erfahrenem Innenpolitiker, Neuigkeiten erzählt?
Dass die NSA auch Daten mit Bezug zu Deutschland erhebt, speichert und auswertet, ist keine Sensation. Aber das flächendeckende Ausmaß und die anlasslose Speicherung über eine längere Dauer auf Servern amerikanischer Dienste war uns in diesem Umfang nicht bekannt.
Manchmal hört man aber, dass der Bundesnachrichtendienst nicht anders arbeitet.
Das ist wirklich unzutreffend. Dessen nachrichtendienstliche Tätigkeit unterscheidet sich fundamental von der Arbeit der NSA.
Inwiefern? Auch der BND untersucht internetgestützte Kommunikation.
Es ist aber gerade keine Aufgabe des BND, befreundete Nationen und deren Bürger auszuspähen. Der BND konzentriert sich auf die Krisengebiete dieser Erde und auf Staaten, bei denen wir Grund zur Annahme haben, dass sie die Sicherheit unseres Landes gefährden können. Bei der elektronischen Überwachung hält er sich strikt an die gesetzlichen Grenzen. Bei der Überwachung der Telekommunikation bleibt er zudem deutlich unter dem, was rechtlich erlaubt ist. Die Arbeitsweise ist eine ganz andere.
Nämlich?
Einfach gesagt: US-Dienste suchen – wie der BND auch – nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Nach Informationen, die uns helfen, Gefahren rechtzeitig abzuwehren. Die Amerikaner denken: Wenn wir alles Heu dieser Welt haben, ist die Nadel mit Sicherheit darunter. Die deutschen Dienste denken: Wenn wir alles Heu der Welt sammeln, ist die Gefahr viel zu groß, dass die Nadel, die wir finden müssen, übersehen wird.
Wurden in Deutschland die richtigen Konsequenzen gezogen?
Die Bundesregierung hat rasch und konsequent reagiert. Aber bis zur Stunde haben wir weder von den USA noch von Großbritannien hinreichend aussagekräftige Antworten auf unsere Fragen erhalten. Das ist enttäuschend. In den USA gibt es aber inzwischen eine lebhafte innenpolitische Debatte über die Praxis der NSA. Präsident Obama hat angekündigt, dass deren Arbeit auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt werde. Aber allein der Hinweis, dass das Handy der Kanzlerin nicht mehr abgehört wird, beruhigt mich nicht. Das ist selbstverständlich, aber viel zu wenig.
Sind die Deutschen heute vor dem Ausspähen ihrer Internet-Kommunikation besser geschützt als vor einem Jahr?
Nein, das kann man so leider nicht sagen. Aufgrund der Snowden-Enthüllungen ist aber die Sensibilität deutlich höher. Dass Präsident Obama eine Kurskorrektur zumindest angekündigt hat, wäre ohne Snowdens Enthüllungen wohl nicht der Fall gewesen.
Haben wir denn innenpolitisch überhaupt Konsequenzen gezogen?
Unsere rechtlichen Möglichkeiten beschränken sich auf den Geltungsbereich des Grundgesetzes. Das heißt aber nicht, dass wir politisch machtlos sind. Wenn die Amerikaner wider Erwarten bei ihrer bisherigen Praxis bleiben sollten, dann müssen wir über das Safe-Harbour- und das Swift-Abkommen (bei beiden Abkommen geht es um den Austausch von personenbezogenen Daten zwischen Europa und den USA, Anmerkung der Redaktion) sprechen. Beide Abkommen betreffen den Transfer sensibler personenbezogener Daten von der EU in die USA. Beide Abkommen wurden im Interesse der USA und amerikanischer Firmen geschlossen. Deswegen wäre es wichtig, wenn die EU hier zu einer einheitliche Haltung fände.
Das heißt im Klartext?
Wenn die USA so weiter machen wie bisher, sollte die EU das Safe-Harbour- und das Swift-Abkommen zur Disposition stellen. Ein einfaches „Weiter so“ dürfte es dann nicht geben. Würde die EU an beiden Abkommen festhalten, obwohl die USA ihre Ausspähpraxis nicht ändern, demonstrierte sie nur ihre eigene Machtlosigkeit.
Sind Sie zufrieden mit der Art, wie der Generalbundesanwalt die Angelegenheit Snowden handhabt?
Zufrieden sein kann man natürlich nicht, aber ich habe für seine Argumentation durchaus Verständnis. Range sieht keine Chance, die umfangreichen Ausspäh-Aktivitäten der Amerikaner so aufzuklären, dass bestimmten Personen eine strafrechtliche Verantwortung zugeordnet werden kann. Das ginge ja nur mit der Auswertung von Akten und Auskünften amerikanischer Zeugen. Damit ist jedoch nicht zu rechnen. Da hat der Generalbundesanwalt leider Recht.
Aber eine Vernehmung Snowdens wenigstens durch den Untersuchungsausschuss ist doch notwendig?
Herr Snowden ist mit Sicherheit der wichtigste Zeuge. Auch wenn man nicht davon ausgehen kann, dass er sensationell neue Fakten mitteilen wird, die wir noch nicht kennen. Es ist wichtig, dass der Ausschuss auch ihn vernimmt. Ob durch Videokonferenz oder durch eine persönliche Befragung in Moskau ist dabei nicht entscheidend.