Eine Woche lang hat Gisela Schneider, die Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission die Seuchengebiete von Sierra Leone besucht. Diese Reisen unternimmt sie regelmäßig, seit die Organisation beschlossen hat, die westafrikanischen Länder im Kampf gegen Ebola zu unterstützen Foto: Difäm

Die Zahl der Neuinfektionen geht zurück, doch die Ebola-Epidemie ist nicht vorbei: Das Ziel der westafrikanischen Regierungen, die Ausbreitung des Virus bis April einzudämmen, sehen Experten skeptisch. Die Tübinger Missionsärztin Gisela Schneider berichtet von ihrer Reise nach Sierra Leone.

Tübingen - Es sind Bilder, nach denen man sich 14 Monate gesehnt hat: Sie zeigen saftige Orangen an den Marktständen, zu Dutzenden in Eimern angeboten. Oder die hupenden Autos und die gelben bis auf den letzten Platz besetzten Busse, die röhrend anfahren. Die Bilder zeigen auch Kinder, die in den Gassen von Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, Fußball spielen. Die Fotos, die von der Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm), Gisela Schneider, aufgenommen worden sind, zeigen eine Stadt, die sich nach monatelangem Kampf gegen eine tödliche Ebola-Epidemie im Alltag versucht – vergebens.

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Noch während die Bilder entstehen, wird bekannt, dass in Westafrika 144 neue Fälle der tödlichen Krankheit registriert wurden, auch in Sierra Leone. Bei vielen könne nicht festgestellt werden, wo, wann und bei wem sich die Neuerkrankten infiziert hätten. „Es ist noch nicht vorbei“, sagt auch Gisela Schneider nach ihrer Rückkehr in Tübingen. Das Ziel von Guinea, Sierra Leone und Liberia, die Zahl der Neuinfektionen in den kommenden 60 Tagen auf null zu senken, sieht sie skeptisch: Rückschläge seien wahrscheinlich. „Die Epidemie ist unberechenbar.“

Noch immer sind viele Kliniken geschlossen, Patienten bleiben unbehandelt

Eine Woche lang hat die 56-jährige Missionsärztin zusammen mit der Katastrophenhilfe der Diakonie und der christlichen Hilfsorganisation Christian Health Association of Sierra Leone die Seuchengebiete des Landes besucht. Diese Reisen unternimmt sie regelmäßig, seit die Organisation beschlossen hat, die westafrikanischen Länder Sierra Leone und Liberia im Kampf gegen Ebola zu unterstützen. So hat die Arzneimittelhilfe des Difäm mehrere Lieferungen an Medikamenten und Schutzmaterial im Wert von einer halben Million Euro geschickt. „Doch es braucht mehr als eine Notfallhilfe“, sagt Schneider. Nun gelte es, medizinische Aufbauarbeit zu leisten und medizinisches Personal zu schulen. „Nicht nur, damit die Krankenhäuser bei künftigen Ebola-Epidemien besser gerüstet sind, sondern auch um Hilfe bei anderen Krankheiten zu leisten.“ Probleme bereiten zunehmend die Masern, aber auch Aids. Schwächen im afrikanischen Gesundheitssystem haben dazu geführt, dass der Ausbruch nicht kontrolliert werden konnte – und dass die ganze Welt zur Hilfe kommen musste. „Aufgrund von Ebola musste die übliche medizinische Versorgung runtergefahren werden“, sagt Schneider.

Noch immer sind viele Kliniken geschlossen. Kinder bekommen keine Impfungen, Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden nicht mehr behandelt. „Die Leute haben Angst, in Gesundheitszentren zu gehen, weil dort Menschen schon an Ebola gestorben sind.“ Hinzu kommt die Sorge vor dem Wiederauflammen der Epidemie. „Ärzte und Pfleger können teils nicht beurteilen, wie viel Schutz wirklich notwendig ist.“ Es werde überreagiert – mit der Folge, dass Notleidende nicht behandelt werden. So wie die hochschwangere Frau, der Schneider bei einem Besuch in einem Krankenhaus begegnete: Die Pfleger trauten sich nicht, ihr den Blutdruck zu messen, aus Sorge, dass über das medizinische Gerät Viren übertragen werden könnten. Die Ärztin berichtet auch von Großeltern, die ihre neugeborenen Enkel in die Klinik brachten, weil die Mütter bei der Geburt verstorben sind: „Die Frauen konnten oder wollten aus Furcht nicht ihr Baby in den Kliniken zur Welt bringen.“

Nur eines eint die Menschen im Land: die enorme Sehnsucht nach Alltag. Viele hätten die Aufhebung des Notstands mit dem Ende der Epidemie gleichgesetzt, sagt Schneider. „Die Menschen sind müde, sie wollen zurück zur Normalität.“

In einem Blog mit der Diakonie Katastrophenhilfe berichtet Difäm-Direktorin Gisela Schneider von ihren Erlebnissen: www.difaem.de/aktuelles/ebola-blog/