Die Glücksspiel-Industrie boomt. Aber der Zeitvertreib kann süchtig machen. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung stellt den „Glücksspielatlas“ vor. Er enthält alarmierende Zahlen.

In Deutschland sind 1,3 Millionen Menschen spielsüchtig. Weitere 3,3 Millionen zeigen ein riskantes Spielverhalten und gelten als suchtgefährdet. Diese alarmierenden Zahlen stehen im erstmals erstellten „Glücksspielatlas“, der am Montag vom Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen Burkhard Blienert vorgestellt worden ist.

Der Atlas ist eine grundlegende Zusammenstellung von Zahlen und Daten zur Spielsucht, vom Krankheitsbild über die ökonomischen Rahmendaten der Branche bis zu Aspekten der Prävention. Die Zusammenschau macht vor allem eines deutlich: Das Glücksspiel ist kein Randphänomen, das sich in Hinterzimmern von Gaststätten und Spielhallen abspielt. „Das Glücksspiel hat die Mitte der Gesellschaft erreicht“, sagte Bremer Wissenschaftler und Mitherausgeber des Atlas Tobias Hayer. Noch prägnanter fasste der Bundesbeauftragte Blienert zusammen: „Glücksspiel ist big business.“

Glücksspiel bringt über 5 Milliarden Steuereinnahmen

Einige Zahlen unterstreichen diesen Befund: 44,1 Milliarden Euro haben die Deutschen im Jahr 2021 an Automaten, auf Online-Spielportalen oder bei Sportwetten ausgegeben. Die Nachfrage brachte den Anbietern im vergangenen Jahr 13,5 Milliarden Bruttospielerträge ein – und das bezieht sich nur auf das Hellfeld der legalen Seite der Branche. Der Staat verdient beim Geschäft mit dem Glück kräftig mit. 2021 spülten die Glücksspiel-Betriebe Steuereinnahmen von 5,2 Milliarden Euro in die Kassen des Fiskus. Das übertrifft die Einnahmen aus der Tabaksteuer jährlich um rund zwei Milliarden Euro.

Blienert erfüllt das boomende Business mit Sorge: „Glücksspiel bringt ganz erhebliche Gefahren für Wohlergehen, Gesundheit und soziale Sicherheit mit“, sagte der Beauftragte. Glücksspiel könne „Familien zerstören, Existenzen vernichten und Betroffene in den Suizid treiben“. Angesichts der Zahlen, die der Glücksspielatlas zusammenträgt, kommt er zum Schluss: „Es muss etwas geschehen.“

Sportwetten-Anbieter verdienten 2022 1,4 Milliarden Euro brutto

Blienert präsentiert eine Reihe von Forderungen. Dazu gehört die Bekämpfung des illegalen Glücksspiels und effizientere Kontrollen. Politisch brisant werden Blienerts Positionen vor allem dann, wenn es um das Thema Werbung geht. Hier geht es natürlich vor allem um das höchst lukrative Feld der Werbung für Sportwetten. Die 1,4 Milliarden Euro Brutto-Erträge für die Branchen der Sportwettenanbieter in 2022 sind zwar nicht der größte Honigtopf in der Welt der Glücksspiele. Geldspielautomaten bringen 4,8 Milliarden Euro ein, das „gute alte“ Lotto noch 4,1 Milliarden. Aber Sportwetten können rasch süchtig machen. Fast jeder Dritte, der eine Sportwette abschließt, weise eine Glücksspielstörung auf, heißt es im Atlas. Blienert sieht eine „gefährliche Verharmlosung“ durch die Verquickung von Sport und Sportwetten. Er will vor allem Jugendliche besser vor den Gefahren schützen.

Beauftragter will Werbeverbote

Hier wird es brisant. Dieser Schutz geschieht nämlich am wirksamsten durch Werbeverbote. Der Sucht- und Drogenbeauftragte der Bundesregierung wiederholte am Montag seine Forderung, Sportwetten-Werbung im Fernsehen vor 23 Uhr zu verbieten. Das wäre für die übertragenden Sender ein harter Schlag und hätte vermutlich unmittelbare Konsequenzen auf den Umfang von Übertragungen. Auch die Sportverbände dürften nicht erfreut sein.