Mariama Diba (Vordergrund) ist Leiterin eines Gartenprojekts in dem gambischen Dorf Chamen – im Hintergrund schöpfen Frauen und Kinder Wasser, um die Pflanzen zu gießen Foto: Sabab Lou Foto:  

In der Weihnachtszeit tobt der Kampf um Spenden. Experten beklagen, dass viele Hilfsorganisationen bloß Geld nach Afrika schicken, obwohl nur nachhaltige Hilfe sinnvoll sei.

In der Weihnachtszeit tobt der Kampf um Spenden. Experten beklagen, dass viele Hilfsorganisationen bloß Geld nach Afrika schicken, obwohl nur nachhaltige Hilfe sinnvoll sei.

Stuttgart - Der Anfang war nicht leicht. „Die Afrikaner sind oft nicht daran gewöhnt, dass Hilfe an Auflagen gebunden ist“, sagt Friedrich Keller-Bauer, Vorstand der Stuttgarter Stiftung Sabab Lou. Die gemeinnützigen Organisationen und die staatliche Entwicklungshilfe haben den Afrikanern einen Reflex angewöhnt, sagt Keller-Bauer: Der weiße Mann bringt einfach nur Geld. „Das Resultat sind oft Ruinen von Brunnen oder Fabrikhallen, die von öffentlichen Geldern finanziert wurden und jetzt zusammenfallen“, sagt er. Experten kritisieren, dass Spendengelder, die nicht nachhaltig investiert werden, die Menschen abhängig machen wie Drogen.

Keller-Bauer wollte es anders machen, als er 2009 die Stiftung Sabab Lou gründete. Der 64-Jährige hat während seines Berufslebens als Geschäftsführer eines mittelständischen Trauringherstellers gearbeitet und war danach Unternehmensberater. Als er sich dem Ruhestand näherte, stellte er fest: „Es wäre unanständig, mit allem, was ich habe, abzutreten.“ Er gründete Sabab Lou, das heißt auf Deutsch „was man tun muss, um sein Ziel zu erreichen“. Und das ist das Ziel von Keller-Bauer: Er möchte den Menschen in Afrika, die unterhalb der Armutsgrenze leben, helfen, eigene Unternehmungen zu gründen, um langfristig ihr eigenes Einkommen generieren zu können. Das heißt: Keller-Bauer verteilt in der Regel keine Almosen, sondern Darlehen. Diese knüpft er an bestimmte Auflagen.

Wenn sich eine Dorfgemeinschaft entschließt, mit Hilfe der Stiftung etwa einen Viehbetrieb zu gründen oder Gemüse anzubauen, müssen die Beteiligten zusammen mit der Stiftung einen Geschäftsplan erstellen und die Mittel errechnen, die sie für ihre Unternehmung benötigen.

Wichtig ist, dass die Menschen Rücklagen bilden

Diese gewährt ihnen die Stiftung als Darlehen, gibt darüber hinaus aber auch Zuschüsse. „Für die Darlehen müssen die Menschen keine Zinsen bezahlen“, sagt Keller-Bauer. „Die Stiftung verdient an den Projekten nichts.“ Die Laufzeiten sind flexibel. Sie können vier Jahre betragen oder auch zehn. „Wichtig ist, dass die Menschen Rücklagen bilden, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs, der Reparatur und Instandhaltung von Geräten, aber auch der Wiederbeschaffung der Anlagen dienen.“ Nur so sei nachhaltiges Wirtschaften möglich, sagt Keller-Bauer.

Auch Volker Seitz, Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, kritisiert, dass in der Entwicklungshilfe der Gedanke an die Nachhaltigkeit von Hilfen zu kurz kommt: „Das zentrale Problem in der Entwicklungshilfe ist, dass es keine Wirksamkeitsstudien und Fehleranalysen gibt“, sagt Seitz. „Es gibt in den letzten 50 Jahren keinerlei erkennbaren Zusammenhang zwischen der Höhe der Entwicklungshilfe, die in ein Land geflossen ist, und der ökonomischen Entwicklung in diesem Land“, kritisiert er. „Niemand weiß beispielsweise, wie viel Geld in welcher Form auch immer in ein bestimmtes Land geflossen ist. Man will es einfach nicht wissen, man tut ja Gutes.“

Anstrengender ist der Weg, den Keller-Bauer eingeschlagen hat. Den Afrikanern war zunächst nicht klar, warum Keller-Bauer dauernd von Rücklagen und nachhaltigem Wirtschaften redete. Statt einen Teil des Erwerbs aus dem Verkauf von Gemüse – wie vereinbart – zurückzulegen, gaben sie alles aus und kauften sich erst mal Dinge des alltäglichen Lebens wie Töpfe, Kleidung oder andere Dinge, die sie dringend brauchen. „Das kennen sie nicht anders, und das ist aufgrund ihrer wirtschaftlichen Lage auch absolut verständlich“, sagt Keller-Bauer. Es gilt: Was da ist, wird ausgegeben.

Die Stiftung fördert solare Pump-und Bewässerungssysteme

Bisher fördert die Stiftung zwei landwirtschaftliche Projekte: Beim Anoshe-Women-Projekt in Ghana bewirtschaften rund 350 Frauen etwa 140 Hektar Land. Die Stiftung fördert den Anbau und die Vermarktung von Feldfrüchten und hilft den Frauen beim Aufbau von Schafs- und Schweinemastbetrieben. „Schon 2011 hat der Betrieb den vollen Einsatz an Kapital (3400 Euro) wieder eingespielt“, sagt Keller-Bauer. 2012 betrugen die Gesamteinnahmen aus dem Verkauf der Feldfrüchte 27 300 Euro, davon gingen 18 200 Euro direkt an die Frauen, 9100 Euro gingen in die Rücklagen.

Sabab Lou unterstützt schwerpunktmäßig die Frauen einer Dorfgemeinschaft. „Damit wollen wir einerseits ihre Rolle in der Gemeinschaft stärken“, sagt Keller-Bauer. „Andererseits sind die Frauen in Afrika die treibende Kraft.“ Beim Baddibu-Projekt in Gambia hat die Stiftung über Darlehen solare Pump- und Bewässerungssysteme gefördert. Die rund 250 Frauen aus drei verschiedenen Dörfern bewirtschaften eine Fläche von zehn Hektar. Einnahmen erwartet Keller-Bauer erst in der Saison 2013/2014.

Weil es so schwer war, den Frauen das Prinzip des Sparens und Reinvestierens zu vermitteln, hat Keller-Bauer bei den Projekten den Wasserpfennig eingeführt. Das heißt: wenn sich die Frauen für ihre Haushalte von dem Wasser aus den Pump- und Bewässerungsanlagen bedienen, zahlen sie für einen Kanister mit 20 Litern einen sogenannten Wasserpfennig – das sind rund drei Cent. Neben den beiden landwirtschaftlichen Projekten bietet die Stiftung in einem Projekt für arme Frauen in Ghana auch Mikrokredite an. Um sich mit einem Kleinbetrieb selbstständig zu machen, kann eine Frau einen Kredit über 80 Euro beantragen, die Laufzeit beträgt in der Regel ein Jahr.

Das Eintreiben von Spenden ist ein eigener Markt geworden

Insgesamt hat Sabab Lou seit 2009 rund 99 000 Euro an Darlehen vergeben und Zuschüsse in Höhe von insgesamt 84 000 Euro.

Kleine Stiftungen wie Sabab Lou haben beim Kampf der großen Organisationen um Spendengelder wenig Chancen, weil sie kaum ein Budget für Werbung haben.

Das Eintreiben von Spenden ist aber ein eigener Markt geworden, es gibt spezielle Ausbildungen für Fundraiser (Spendenbeschaffer) und spezialisierte Marketingagenturen, die mit Hitlisten jener Fotos arbeiten, welche die Menschen am meisten berühren. Vorn dabei sind dunkelhäutige Kinder, die stumm und mit großen Augen in die Kameras blicken. Längst wehren sich Wissenschaftler mit afrikanischen Wurzeln gegen die stereotype Inszenierung der Afrikaner als bemitleidenswerte Menschen, die sich nicht selbst helfen können.

„Der weitverbreitete Paternalismus, also die Neigung, besser als der Betroffene zu wissen, was gut für ihn ist, droht die Menschen zu entmündigen“, sagt Volker Seitz, der von 2004 bis 2008 als Botschafter für Deutschland in Kamerun gearbeitet hat. „Warum wird den Afrikanern immer wieder eingeredet, dass sie ihre Probleme nicht selbst lösen könnten?“