Akrobatik-Einlagen und bunte Kostüme sind Teil jeder Tour von DJ Bobo. Foto: Leuchtameisen

Der Schweizer René Baumann wurde als DJ Bobo in den 1990er Jahren berühmt. Im Mai ist er mit seiner neuen „Circus“-Show in Stuttgart. Ein Gespräch über seine Tour mit Michael Jackson, seinen Umgang mit Misserfolgen und den Alltag als Familienvater.

Stuttgart - Herr Baumann, in den 1990er Jahren waren viele Künstler des sogenannten Eurodance erfolgreich, doch nur Sie sind übrig geblieben. Wie haben Sie das geschafft?
Ich hoffe, dass es an der Qualität liegt. An der Qualität der Live-Auftritte in erster Linie. Das haben sich die Menschen gemerkt.
Wie hat sich die Branche seitdem verändert?
Die Musikbranche ist schnelllebig geworden und verzeiht keine Fehler. Wer heute einen Titel falsch auswählt, bekommt keine zweite Chance mehr. Wir hatten damals noch Zeit, wir konnten Fehler machen. Das Publikum war loyaler. Heute ist es sprunghaft und kaum mehr am Künstler orientiert. Musik hat eine andere Aufgabe bekommen.
Hat sich auch DJ Bobo verändert?
Ja, der ist viel besser geworden. Wäre ja auch komisch, wenn nicht, oder?
Können Sie noch breakdancen?
Das ist wie Fahrradfahren. Das verlernt man nicht.
Zeigen Sie das auch auf der Bühne?
Weniger als früher. Das würde komisch aussehen neben den durchtrainierten 25-jährigen Tänzern. Ich dosiere das besser. Das habe ich von Michael Jackson gelernt. Wir waren mit ihm auf der „History-Tour“ 1996, das war seine letzte Tour. Wenn es darauf ankam – bei „Billy Jean“ oder „Thriller“ –, hat er mitgetanzt, bei anderen Liedern nicht. So ähnlich ist es bei uns auch. Das Gewicht verschiebt sich mehr auf den Gesang.
Wie war es mit Michael Jackson auf Tour?
Es war ein Traum von mir, weil er mein großes Vorbild war. Wegen ihm habe ich das Tanzen begonnen. Und ich hätte ihm das gerne gesagt. Aber als wir gesprochen haben, sagte ich nur: „I like your show“ (Ich mag deine Show). Und er sagte: „I like your show.“ Das war es. Dabei hätte ich ihm echt gerne gesagt, dass er für mich eine Inspiration war in meinem musikalischen Leben. Aber in dem Moment war das unpassend. Da labert man ihn ja auch nicht zu.
Ihre Shows sind sehr aufwendig. Wie lang bereiten Sie sich auf so eine Tour wie die jetzt anstehende „Circus-Tour“ vor?
Der Name Circus ist in Rio de Janeiro im Oktober 2012 entstanden. Also bereiten wir uns seit gut eineinhalb Jahren auf die Tour vor. 120 Leute sind dabei. Etwa 100 davon sind Techniker, Köche, Helfer und so weiter. Und 22 Leute stehen auf der Bühne.
Sind das noch die Tänzer und Musiker der ersten Stunde?
Sowohl als auch. Es gibt Leute, die sind schon seit Kindesbeinen dabei, und dann kommen natürlich immer neue dazu. Für die „Circus-Tour“ brauchten wir zum Beispiel Artisten, die bucht man speziell dafür.
Würden Sie sich als Perfektionist bezeichnen?
Oh ja. Ich bin noch nie hundert Prozent happy von der Bühne gewatschelt. Ich finde immer etwas, das nicht funktioniert. Aber das ist auch der Reiz. Das ewige Streben danach, es noch besser zu machen – das liebe ich.
Wie kriegen Sie den Alltag mit der Familie und das Leben auf Tour unter einen Hut?
Ich bin gar nicht so oft auf Tour. Das mache ich nur alle zwei Jahre. Wir schauen, dass wir immer nur fünf Shows am Stück spielen und dann drei Tage Pause haben. Ich mache keine 15 Shows am Stück, nur um Geld zu sparen. Die Familie hat Vorrang. Es ist wichtig, dass ich montagmorgens um halb sieben wieder die Kinder wecken kann. Auch wenn ich tags zuvor noch auf der Bühne stand. Dieser Wechsel ist manchmal schwierig. Ich bin fertig und habe wenig geschlafen. Aber dann stehe ich morgens an ihrem Bett, und die Kinder freuen sich. Das ist schön.
Was war der wichtigste Wendepunkt in Ihrer Karriere?
Der wichtigste Wendepunkt war für mich vom DJ aus der Discothek zum DJ, der Konzerte spielt. Zunächst muss man wissen, woher ich komme: aus der Musikrichtung Eurodance, die in den Discotheken stattgefunden hat. Diese Musik auf die Bühne zu bringen war ein Kraftakt. Allein schon wegen des Namens DJ Bobo. Es hat gedauert, bis die Leute kapiert haben, dass ich nicht Platten auflege.
Haben Sie sich überlegt, den Namen zu ändern?
Ja, haben wir. Aber nur überlegt. Prince hat damals seinen Namen geändert, und das ging so dermaßen in die Hose. Da haben wir uns gesagt: Lieber eine Marke, die etwas komisch ist, als eine Marke, die keiner kennt. Das war eine gute Entscheidung.
War es von Anfang an Ihr Ziel, berühmt zu werden?
Mein Traum war eine eigene Schallplatte. Ich wollte, dass die Leute zu meiner Musik tanzen. Weiter gingen die Gedanken nicht.
Wie haben Sie es geschafft, von der Musik zu leben?
Als DJ war das einfach. Ich war viel zu gut, um nicht davon leben zu können. Aber von der eigenen Musik zu leben war schwieriger. Denn da muss man in Vorleistung gehen. Die Musik musste ich zuerst produzieren. Dann hatte ich drei Flops. Der Song Nummer vier war mit „Somebody Dance With Me“ der erste Hit 1993. Dieser Prozess hat gedauert.
Was war es für ein Gefühl, als die ersten Songs floppten?
Ich hatte gar nicht erwartet, dass die Songs durch die Decke gehen. Ich wollte nur, dass die Leute tanzen. Aber bei den ersten drei Songs sind die Leute von der Bühne weggewatschelt. Das war schlimm.
Wer sind heute die DJ-Bobo-Fans?
Zuerst waren es die Club-Gänger im Alter von 18 bis 25 Jahren. Mit den ersten Hits kamen die Teenie-Zeitschriften und dadurch die ganz Jungen von zehn bis 18 Jahre. Dann gab es „Wetten, dass . .“-Auftritte, dadurch kamen auch Ältere dazu. Dementsprechend ist die Zielgruppe sehr breit. Es gibt viele Fans, die über die Jahre mitgekommen sind. Aber das Wort Fan passt heute nicht mehr. Es sind inzwischen eher Zuschauer oder Besucher, die etwas erleben wollen. Viele haben vielleicht gar keine Platte, aber das spielt keine Rolle, sie kennen die Musik trotzdem.
Erwartet das Publikum vor allem die alten Hits von Ihnen?
Sie erwarten auch immer neue Songs. Man darf die Leute nicht unterschätzen, die wollen nicht zu einer Oldie-Night gehen. Wenn man nur noch alte Songs spielt, hat man sich als Künstler aufgegeben.
Hören Ihre Kinder auch Ihre Musik?
Ja. Aber die hören beide nicht so richtig Musik. Sie sind beide eher sportbegeistert. Zu Hause fördere ich das aber auch nicht künstlich. Ich lasse da nicht meine Songs laufen.
Was kriegen Ihre Kinder von der Karriere des Vaters mit?
Eigentlich alles. Die waren schon damals, als sie noch ganz klein waren, bei den Tourneen dabei. Für sie ist mein Beruf ganz normal. Wir wohnen in einem kleinen Dorf, das haben wir bewusst so gewählt. Da gibt es nur 180 Kinder in der Schule. Es war ganz wichtig für uns, dass die Kinder dort ein normales Umfeld haben und Mami und Papi auch zu allen Elternabenden gehen können, ohne dass es die Leute durcheinanderbringt. Für die anderen Eltern bin ich der Papi von Kayley und Jamiro und fertig. Dass ich noch irgendetwas anderes mache, ist schön, aber nicht so wichtig.

Am 11. Mai kommt DJ Bobo mit zwei Shows um 16 und 20 Uhr in die Stuttgarter Porsche-Arena. Tickets sind unter www.djbobo.ch ab 30,90 bis 65 Euro erhältlich.