Deutschland soll zum Land der schnellen Datenleitungen werden und von intelligenten Netzanwendungen profitieren. Foto: dpa

Ob Geschäftsleute, Datensammler, Informationshungrige oder Kontaktsuchende: Auf das Internet sind heute alle angewiesen. Deshalb wird eine gute Netzpolitik immer wichtiger. Viele Entscheidungen stehen bald an. Sind sie auch gut für die Verbraucher?

Stuttgart - Ob Geschäftsleute, Datensammler, Informationshungrige oder Kontaktsuchende: Auf das Internet sind heute alle angewiesen. Deshalb wird eine gute Netzpolitik immer wichtiger. Viele Entscheidungen stehen bald an. Sind sie auch gut für die Verbraucher?

Schnelles Internet:

Derzeit hat im Bundesschnitt nur rund jeder fünfte Haushalt auf dem Land das schnelle Internet, im Bundesschnitt sind es circa zwei Drittel. Damit liegt Deutschland international nur im Mittelfeld. Wer Pech hat, kann als Verbraucher kein Video streamen oder als Unternehmer keinen Online-Shop gründen. Auch die für Ältere immer wichtigere Telemedizin benötigt eine möglichst schnelle Verbindung. Die schlechte Versorgung fängt schon außerhalb Stuttgarts an.

Die Bundesregierung will das schnelle Internet mit einer Download-Geschwindigkeit von 50 Mbit/Sekunde bis 2018 flächendeckend schaffen. Nach Expertensicht ist das kaum möglich, weil es zu wenig Haushaltsmittel gibt. Die für diesen Sommer angekündigte Versteigerung von Rundfunkfrequenzen für das mobile Internet hilft nicht wirklich. Die zu erwartenden Erlöse decken bei weitem nicht den Bedarf.

Somit bleibt der Breitbandausbau weitgehend der Wirtschaft überlassen. Die Telekom will schon bald mehrere Millionen Haushalte ans schnelle Internet anschließen, bis 2018 könnten es gar 80 Prozent der Haushalte haben. Dafür will sie aber die sogenannte Vectoring-Technik benutzen, bei der die Leitungen exklusiv von einem Anbieter genutzt werden, also der Telekom. Die Konkurrenz hätte das Nachsehen.

Fazit: Genehmigt die Bundesnetzagentur das Telekom-Vorhaben, würde der Breitband-Ausbau mit einem mangelnden Wettbewerb erkauft. Langfristig könnten die Preise für das schnelle Internet steigen. Der Bund muss viel mehr in das schnelle Internet investieren, gerade in ländlichen Regionen. Sonst bleibt Deutschland Mittelmaß.

Sicheres Internet:

Ob Hackerangriffe oder Geheimdienstattacken: Jeder Zweite wurde in Deutschland bereits Opfer von Cyberkriminalität, jedes dritte Unternehmen ist betroffen, besagen Umfragen des IT-Branchenverbands Bitkom. Die Sicherheit spielt künftig wohl die wichtigste Rolle im Netz, denn es werden Geld und Expertise geklaut, die Privatsphäre von Verbrauchern wird verraten.

Die Bundesregierung will Bürger und Unternehmen im Netz besser schützen. „Wir wollen Verschlüsselungsstandort Nr. 1 auf der Welt werden“, heißt es zum Beispiel in der „Digitalen Agenda“, die im August 2014 präsentiert wurde. Tatsächlich gilt Verschlüsselung als bester Schutz. Doch Innenminister Thomas de Maizière forderte jüngst, die Behörden müssten die Verschlüsselung umgehen, wenn dies „für ihre Arbeit und zum Schutz der Bevölkerung notwendig“ sei. Damit wäre der „Verschlüsselungsstandort Nr. 1“ de facto wieder abgeschafft.

Außerdem soll ein IT-Sicherheitsgesetz künftig Unternehmen aus kritischen Bereichen dazu verpflichten, Attacken auf ihre IT-Systeme unverzüglich zu melden – darunter fallen Energie- oder Telekommunikationsnetze, Banken und Verkehrsbetriebe. In der Regel reicht eine anonyme Meldung. Bürger erfahren also meist nicht, ob ihre Daten betroffen sind.

Fazit: Das IT-Sicherheitsgesetz nutzt den Verbrauchern nur bedingt. Bei den wichtigen Verschlüsselungstechnologien bleiben sie auf sich alleine gestellt. Sie können sich mit den Sicherheitsprogrammen der Firmen schützen und müssen sich um ihre Weiterbildung weitgehend selbst kümmern

Gleiches Internet:

Bleibt das Internet für alle gleich? Die sogenannte Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten gleich behandelt und auch gleich schnell übertragen werden. Das ist bisher der Fall. Doch vor allem Telekom, Vodafone & Co dringen darauf, dass Diensteanbieter wie Google, Apple und Amazon dafür zahlen, wenn sie ihr Netz benutzen. Denn während die Internetgiganten mit Video- und Musikstreaming oder Online-Shopping immer mehr Geld scheffeln, treiben sie für die Netzbetreiber die Kosten nach oben. Schließlich muss für den rasant steigenden Datenverkehr das Netz ausgebaut werden, das kostet Milliarden. Außerdem machen den Netzbetreibern Dienste wie What’s-App das Geschäft kaputt.

Deshalb wollen die Netzbetreiber Geld von Google & Co sehen, damit die Daten schnell weitergeleitet werden; dafür versprechen sie eine Art Überholspur und drängen seit Jahren die Politik, unterschiedliche „Qualitätsklassen“ zu genehmigen. Kritiker sehen das als Einstieg ins Zwei-Klassen-Internet. Kleinere und klammere Firmen könnten sich die Überholspur nicht leisten, was wiederum Innovationen und Wachstum im Internet hemme. Und auch die Verbraucher würden mittelfristig zahlen, wenn sie nicht auf der Kriechspur ihre Videos ruckelfrei sehen wollten.

Dieses Jahr wird es spannend: Das Europäische Parlament will, dass die Netzneutralität in der EU gesetzlich verankert wird. Die EU-Kommission ist sich aber uneinig. Einige Länder haben die Netzneutralität gesetzlich verankert, die Positionen von Bundesregierung und des neuen EU-Digitalkommissars Günther Oettinger sind nicht eindeutig. Grundsätzlich wollen sie an der Netzneutralität festhalten, aber auch Ausnahmen zulassen.

Fazit: Noch steht die Netzneutralität, und das ist gut so. Bei einem Aufweichen müssten sich die Verbraucher auf höhere Kosten einstellen, um schnell und zuverlässig im Internet unterwegs zu sein. Zugegeben: Das Netz braucht Investitionen – aber sie dürfen nicht den Weg ins Zwei-Klassen-Internet bahnen.

Schulfach Internet:

Schüler nutzen schon früh Smartphones, Computer oder soziale Netzwerke im Internet. Sie müssen wissen, welche Vorteile und Gefahren das Internet bietet, wie man sich bei Cybermobbing verhält, wie man für den Unterricht recherchiert. Doch Deutschland hängt im internationalen Vergleich bei der digitalen Bildung hinterher. Laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom sind auch viele Schüler mit der digitalen Bildung unzufrieden. Jeder Zweite würde gerne mehr über Urheberrechte, Verhalten in sozialen Netzwerken, Datenschutz oder das Erstellen einer Webseite lernen. 75 Prozent der Schüler wünschen sich demnach gar ein verpflichtendes Schulfach Informatik in den Klassen 5 bis 10.

In Baden-Württemberg lehnt man das ab. „Medienbildung kann nicht nur an einem Fach festgemacht werden“, heißt es aus dem Bildungsministerium. Im Land werden derzeit die Bildungspläne aus dem Jahr 2004 reformiert. Sie treten im Schuljahr 2016/17 in Kraft. Die fächerübergreifende Medienbildung soll dabei ab der Grundschule mehr Gewicht erhalten.

Nachholbedarf gibt es auch bei den digitalen Lehrmitteln. Es gibt zum Beispiel Unterrichtsmaterialien, die kostenlos nutzbar sind und weiterverarbeitet werden können, sogenannte Open Educational Ressources. Es sind sozusagen Bausteine, die individuell auf Lernbedürfnisse zugeschnitten werden können. Deutschland hat erst spät deren Möglichkeiten erkannt, auch weil rechtliche Rahmenbedingungen wie das Urheberrecht problematisch sind. Die USA investieren zum Beispiel zwei Milliarden Dollar (1,8 Milliarden Euro) in solche Projekte, Deutschland stellt wohl eine Million Euro zur Verfügung.

Fazit: Der Umgang mit Internet und Informatik gehört heute zu den Kulturtechniken. Ein verpflichtendes Fach muss es dafür nicht geben. Das Lernen über und mit dem Internet und das Programmieren sollte weiter verstärkt werden. Bildung ist Ländersache, doch es fehlt eine gemeinsame, überzeugende digitale Strategie von Bund, Ländern und Kommunen.