Dienstleistungsbörsen beleben die Nachbarschaft, werden aber meist von älteren Menschen genutzt.
Stuttgart - „Tauschen statt kaufen“ lautet das Motto der Tauschringe aus der Region. Egal ob in der Landeshauptstadt, in Neugereut, in Waiblingen oder in Backnang, Tauschbegeisterte finden sich überall. Deutschlandweit gibt es sogar rund 400 solcher Tauschringe. Doch was ist eigentlich ein Tauschring?
Ein Tauschring ist eine Organisation, in der die Mitglieder untereinander vorwiegend Dienstleistungen, aber auch Waren austauschen. Dabei gilt ein simples Prinzip: Jede Arbeit ist gleichwertig. Wenn Tauscher A etwa eine Stunde lang für Tauscher B bügelt, kann er dafür eine Stunde Arbeit von einem beliebigen Tauscher bekommen. Jedes Tauschringmitglied besitzt ein Mitgliedskonto, auf dem seine geleisteten Arbeitsstunden in einer Fantasie-Währung aufgelistet sind, denn Geld fließt in den Tauschringen keines.
„Uns geht es um gelebte Nachbarschaftshilfe“, sagt Valentina Berg, eines der Gründungsmitglieder des Tauschrings Neugereut. Er ist derzeit der jüngste Tauschring der Region und besteht seit etwa einem Jahr. Die Palette der Tauschgemeinschaft reicht von Hausarbeiten über Hilfe bei Ämtergängen und Umzugshilfe bis zu handwerklichen Arbeiten. Einmal im Monat kommt die Marktzeitung raus, in der alle Gesuche und Angebote verzeichnet sind. Auch im Internet findet man aktuelle Anzeigen.
Zufriedenstellende Tauschgeschäfte dank Kommunikation und Austausch
„Uns ist das persönliche Treffen unserer rund 25 Mitglieder sehr wichtig“, meint Valentina Berg. Denn nur durch Kommunikation und Austausch kämen zufriedenstellende Tauschgeschäfte zustande. Natürlich gebe es auch Tauschregeln und ein Kontolimit, erklärt die 44-Jährige. „Einmal im Monat treffen wir uns zum Tauschen und Austauschen“, berichtet das Gründungsmitglied.
Wie man einen Tauschring auf die Beine stellt, haben die Neugereuter beim Tauschforum Stuttgart gelernt. Seit 1995 werden dort Tauschgeschäfte ausgehandelt, Dienstleistungen angeboten und Waren getauscht. „Das Tolle an unserer Gemeinschaft ist ihre Vielfalt“, sagt Gabi Thon vom Koordinierungskreis des Tauschforums. Rund 70 zufriedene Mitglieder zählt der Tauschring, der sich selbstständig finanziert.
Auch Nahrungsmittel und Fahrdienste sind sehr gefragt
„Man bekommt Hilfe, wenn man sie braucht“, betont Heinz Sulewski vom Tauschforum. Ob kurzfristige Hilfen im Haushalt im Krankheitsfall, Unterstützung bei Feiern oder dringende Reparaturen, alles kann schnell und unkompliziert verhandelt werden. Auch Nahrungsmittel und Fahrdienste sind sehr gefragt. Sogar Tauschgeschäfte mit Tauschringen in Berlin, Schwäbisch Gmünd oder Waiblingen sind beim Tauschforum keine Seltenheit. Über aktuelle Angebote und Nachfragen informiert die Marktzeitung oder das Online-Portal des Tauschrings.
Ergänzend zum Angebot der anderen Tauschringe bietet das Tauschforum Stuttgart monatlich einen offenen Flohbrunch im Generationenhaus Heslach an, bei dem auch Nichtmitglieder und Gruppen des Generationenhauses herzlich willkommen sind. Für Mitglieder und Nichtmitglieder gibt es neben dem Stammtisch auch Stadtteil- und Arbeitsgruppentreffen.
„Wir haben ein Durchschnittsalter von 55“
Der wohl größte Tauschring der Region sitzt in Waiblingen. Die 150 Mitglieder des Remstaler Tauschrings tauschen, was das Zeug hält. Ob Kuchen oder Werkzeug, Hilfe im Haushalt oder Näharbeiten, in Waiblingen gibt es, was das Herz begehrt. „Wir haben über 20 Kategorien“, sagt Carmela di Rienzo vom Remstaler Tauschring. Auch hier steht die Gemeinschaft im Mittelpunkt, denn einmal im Monat treffen sich bis zu 40 Tauscher zum Stammtisch und wickeln ihre Geschäfte persönlich ab.
Allen gemein ist jedoch der fehlende Nachwuchs. „Wir haben ein Durchschnittsalter von 55“, sagt Carmela di Rienzo, und auch beim Tauschforum Stuttgart und beim Neugereuter Tauschring sind eher die älteren Generationen aktiv. Während das Tauschforum auf junge Familien setzt, will man sich in Waiblingen gezielt an Berufsschulen vorstellen. Von ihrer Attraktivität sind alle Tauschringe gleichermaßen überzeugt, denn wo sonst bekommt man selbst gemachte Marmelade, gebügelte Wäsche oder Umzugshelfer für ein wenig Zeit?
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