Volker Weil im Gespräch mit zwei Jungwählern in Bad Cannstatt. Foto: Lichtgut/Kovalenko

Der 49-jährige IT-Spezialist Volker Weil kämpft um Stimmen für die FDP im Wahlkreis Nord. Sein Ziel ist der Einzug seiner Partei in den Bundestag, er selbst steht mit Listenplatz 35 auf verlorenem Posten.

Stuttgart - Soll es Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge geben? Es gibt Dinge, die gehen für Volker Weil gar nicht. Da zeigt er bei der Podiumsdiskussion in der Feuerbacher Festhalle die Rote Karte. „Ich bin ganz klar gegen staatliche Bevormundungspolitik“, sagt er. Mehr als 300 Zuhörer, unerwartet viele Leute, sind in das Bauwerk von Paul Bonatz und Friedrich Eugen Scholer gekommen, wo sich Volker Weil mit sechs anderen Kandidaten zur Wahl messen lässt.

Das ist schon daher schwer, weil vorwiegend Politprofis auf dem Podium sitzen. Weil ist erst seit 2014 FDP-Mitglied, bei der Landtagswahl 2016 war er Zweitkandidat für Gabriele Reich-Gutjahr, und nun ist er Bundestagskandidat im Wahlkreis II. Und mit wenig Aussichten, nach Berlin zu reisen. Denn er steht auf Listenplatz 35. Warum verbringt er den Freitagabend in einem Saal, in dem AfD-Anhänger und -Parteigänger provozieren? „Ich will meine liberale Überzeugung in die Politik einbringen, um die gesellschaftliche Mitte zu stärken“, sagt er.

Mut machen

Wohl und Wehe der rund 30 000 Einwohner und der circa 35 000 Arbeitsplätze in Feuerbach hängen von Firmen wie Bosch und Behr ab, den großen Zulieferern der Automobilindustrie. In Feuerbach sind daher nicht nur eingeschworene FDP-Wähler ganz und gar reserviert, wenn zum Feldzug gegen den Diesel geblasen wird.

Der 49-jährige Diplom-Ökonom will Mut machen: „Von Silicon Valley können deutsche Firmen lernen, wie man mit den Chancen, die Technologie bietet, Erfolg haben kann.“ Oder der Forderung, öffentliche Verkehrsmittel auszubauen, besser zu verknüpfen und die „Wahlfreiheit der Bürger damit zu erhöhen“. Sein Plädoyer für eine Entschädigung der Diesel-Autobesitzer auf Kosten der Autokonzerne wird gehört, aber nicht überschwänglich beklatscht. Akademisch, eher wie ein Vorschlag klingt das, was der Mann im faltenfreien silbergrauen Anzug spricht. Als rede er von einer anderen Welt als der der Feuerbacher.

In Bad Cannstatt hat sich der Vater dreier Kinder in den Straßenwahlkampf gestürzt. Seine Wahlkampfkämpen bauen auf der Marktstraße ein gelb-magenta-blaues Klapppult auf und legen Prospekte bereit. „Für den Wahlkampf habe ich mir Urlaub genommen“, sagt der IT-Spezialist, der als Vertriebsleiter in ganz Deutschland unterwegs ist. Die letzten vier Wochen vor der Wahl will er Präsenz zeigen. Die Passanten sehen ihn wohl, aber diskutieren will kaum einer.

Zwei potenzielle Jungwähler lassen sich auf ein Gespräch ein, beide mit türkischen Wurzeln. „Wann ist die Wahl?“, fragt der eine, und Weil sagt ihnen, weshalb sie am 24. September ihr Kreuzchen bei ihm machen sollen. Er wolle Steuerentlastung für untere und mittlere Einkommen und das Asylrecht nicht einschränken. „Und wie bekämpfen Sie die Schläfer und Gefährder?“, wollen die zwei wissen. „Indem wir die Sicherheitsbehörden besser unterstützen, die Länderbehörden verknüpfen und dafür die IT-Möglichkeiten besser nutzen“, antwortet Weil. „Wie stehen Sie zu Europa?“, fragt der eine, „ich bin nämlich nicht für Erdogan.“ Der FDP-Mann besänftigt: „Man muss die Provokationen herunterfahren, muss eine neue Basis finden.“ Die Jungwähler sind skeptisch.

Er will den Leuten nichts aufzwingen

Weil verteilt weiter Prospekte. Ein Passant winkt ab: „Die CDU gewinnt sowieso wieder!“ Weils Helfer richten derweil das Konterfei von FDP-Chef Lindner wieder auf. Der Wind hat den Papp-Beau in die Knie gezwungen. Weil schildert indes seine Strategie. „Ich werde auf Wochenmärkte gehen, Sommerfeste besuchen, aber den Leuten nicht das Gespräch aufzwingen.“ Anders als 2013, als die FDP „ihr Desaster“ erlebt habe, blieben negative Kommentare und Spott aus. Das macht dem Vaihinger Bezirksbeirat den Job leichter, auch wenn die Fragen ab und an sehr speziell sind. „Wie steht die FDP zum Heilpraktikergesetz?“, möchte ein Mann mittleren Alters wissen. „Wir sind eine Partei der Freiheit“, antwortet Weil, „und gegen die Abschaffung von Berufen.“ Nach einer guten Stunde klappen die Wahlkämpfer ihr Pult zusammen und ziehen ab.

Mögliche Koalitionäre auf Schmusekurs

Auf dem Podium in Feuerbach gibt ihm der Moderator die Chance, aus dem Wahlprogramm der FDP zu zitieren: Wohnungsbau durch verschlankte Auflagen und beschleunigte Genehmigungsverfahren attraktiver machen, in Bildung und Digitalisierung investieren, steuerliche Leistungen in ein Bürgergeld zusammenfassen, an einer Alternative zum Diesel forschen. Das entlockt der CDU-Kandidatin Karin Maag die Bemerkung: „Unser Programm deckt sich im Wesentlichen mit dem der FDP.“

Einer Koalition in Berlin scheint Weil nicht abgeneigt: „Meine Lieblingskoalition ist diejenige, in der wir unsere Inhalte am besten durchsetzen können.“ Noch ist das Zukunftsgeklingel. Bis dahin gibt der Musikfreund und Jäger alles. „Ich habe ein schönes, gutes Leben, auch ohne Politik. Aber ich möchte für die FDP ein möglichst gutes Ergebnis“, sagt Weil.