Dieter Müller mag die Farbe Türkis inzwischen sehr gern. Foto: Motel One

Warum und wie Dieter Müller mit seiner Hotelkette Motel One den Nerv der Zeit getroffen hat.

Es ist wie überall. Türkisblau leuchten die eierförmigen Sessel, die Arne Jacobsen einst designt hat. Türkis ist die Bluse der Dame hinter der Rezeption. Klar, türkisblau ist eigentlich das Wasser der Karibik. Die Assoziationskette ist simpel. Nur befindet man sich nicht auf St. Lucia, sondern am Berliner Spittelmarkt zwischen menschenleeren Hochhäusern. Oder eben an der vielbefahrenen Heilbronner Straße in Stuttgart.

Motel One ist eine Kette. So wie Ikea für Möbel. Oder Vapiano für die schnelle Pasta. Es gefällt jedem, dem der ständige Individualismus zu anstrengend ist. Motel One ist für die Bequemen, die nicht ewig nach dem individuellen Schnäppchen suchen wollen. Auch für Vielreisende, die keine Überraschungen wollen. Für Geschäftsmenschen, die einfach nur in einer fremden Stadt übernachten müssen. Und für die Städtetouristen, die mit dem Billigflieger ein verlängertes Wochenende dem Alltagsgrau entkommen und für die Nacht im Hotel nicht mehr als für den Flug bezahlen wollen.

„Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen“, steht neben Dieter Müller an der Wand. In Türkis natürlich. Das Hesse-Zitat geht immer. Das nimmt der Mann mit dem Hut namens Udo Lindenberg ebenso gerne in den Mund, wie es sich ein Hotelier an die Wand schreibt. Dieter Müller sitzt in der Lobby seines Stuttgarter Motel One. Sein Bruder Lothar neben ihm. Er wiederum ist für Stuttgart und Saarbrücken verantwortlich. Bald schon soll ein zweites in der Stadt eröffnen. Beste Innenstadtlage. Deshalb wird die Nacht auch teurer sein. So staffeln sich die Preise von 49 bis 69 Euro. Man zahlt die Lage. Alles andere ist identisch. Ein Hotel gleicht dem anderen.

Der Firmengründer und Vorstandsvorsitzende Dieter Müller kennt die Zahlen aus dem Effeff. Keine Sekunde muss er darüber nachdenken: Derzeit sind es 35 Hotels, das macht 7500 Zimmer. „15 weitere sind im Bau“, so Müller. 2010 hat die Gruppe ein Umsatzplus von 63 Prozent gemacht. Motel nennt er’s. Nicht Hotel. Die Namensgebung sei schwierig gewesen. „Motel ist weltweit der Begriff für preiswertes Übernachten“, sagt der 57-Jährige. Er sagt preiswert, nicht billig. Billiges kommt ihm nicht ins Haus, das Wort gerade mal in den Mund. „Wenn Dinge nicht wertig sind, sind sie billig“, so Müller. Einer seiner Vorbilder ist Dietmar Hopp, der SAP-Gründer. Auch er ist einer der Aktionäre der Motel-One-Kette.

Die Konkurrenz schläft natürlich nicht. Es gibt mehrere Low-Budget-Hotels von der französischen Accor-Gruppe wie beispielsweise die Ketten Ibis und Etap. Oder auch das Holiday Inn. Seine ersten Schritte hat Müller selbst bei Accor gemacht. Ursprünglich hat er Kaufmann im Groß- und Außenhandel gelernt. Dann kam der Quereinstieg bei Accor, wo er in der Finanzabteilung in Saarbrücken arbeitete. Wahrscheinlich kennt er sich deshalb so gut aus mit den Zahlen. Ihm war klar, dass die Nische der preiswerten Hotels unterbesetzt ist: „Im Low-Budget-Bereich gibt es immer noch wenig Anbieter.“

Bei Motel One macht das Weniger den Preis. Es gibt keine Minibar. Kein Restaurant. Keinen Zimmerservice. Keine Konferenzräume. Keinen Wellnessbereich. Es gibt nicht mehr Flächen, als man sieht. Keine riesige Hotelküche. Keine Lagerräume. Daran wird gespart. Der genügsame Gast braucht aber auch all das nicht. Er will übernachten. Mehr nicht. All diese Dinge muss man nicht mitbezahlen. Low Budget heißt auch wenig Personal. In Stuttgart sind es 18 Mitarbeiter für 170 Zimmer. Niemand, der einem die Tür aufhält. Niemand, der einem den Koffer aus dem Taxi hievt und fragt, wie die Reise war. „Der attraktive Preis ist der USP, den wir haben“, sagt Müller. Der USP – sprich „ju-ess-pi“ – ist das Alleinstellungsmerkmal, die Unique Selling Proposition.

„Den Preis können wir durch die reduzierten Flächen anbieten“, sagt Müller, „nicht durch die Materialien.“ Er zeigt auf die Sessel: „Das ist echtes Leder.“ Müller hat schon mal eine Kette aufgebaut, im 4-Sterne-Bereich. Heute hat sein Produkt zwei Sterne. Auch wenn es nicht danach aussieht. In den Bädern wurde Granit verarbeitet. Die Handtücher misst man in der Branche in Gramm. „Wir haben 600-Gramm-Ware“, sagt Müller. Nicht ohne Stolz. Alles darüber hinaus müsse man von Hand waschen. Die Zimmer sind klein. 16Quadratmeter. „Genauer gesagt 15,8 inklusive der Nasszelle“, sagt Müller. Ach, die Zahlen.

Überhaupt. Der Hotelgast 2011 ist ein undurchsichtiges Wesen. Hoteliers sprechen vom „hybriden“ Gast. Das heißt, dass er sich mal ein Wellness-Wochenende im Luxusresort gönnt, unter der Woche im Business aber günstig im Motel One absteigt. Die Auslastung liegt zwischen 73 und 74 Prozent für das Jahr 2010. Am Anfang waren die Stadtrandlagen, heute kann sich die Firma Stadtmitte-Flächen leisten. Das Wachstum ist enorm, in Deutschland ist die Kette gut aufgestellt. Jetzt kommt das europäische Ausland an die Reihe: Edinburgh, Brüssel, London, Krakau, Prag, Budapest. „Mein Ziel ist es, Motel One zu internationalisieren“, sagt Müller.

Er selbst wohne gerne schön. Nicht nur in Hotels. „Ich gebe viel Geld für private Immobilien aus“, sagt Müller. Er lebt am Starnberger See. Direkt am See. Er hat noch ein Bauernhaus in Kitzbühel. Er sitzt in der Lobby. Fische ziehen über einen Flachbildschirm. Im Winter flackert hier ein Feuer. Auf die Idee mit dem Türkis kam seine Frau. Müller lacht und sagt: „Inzwischen ist es meine Lieblingsfarbe.“

Low-Budget-Hotels

Motel One
Die Nacht im Motel One kostet zwischen 49 und 69 Euro. Das Frühstück ist nicht im Übernachtungspreis enthalten, sondern kostet 7, 50 Euro. Im Jahr 2000 eröffnete das erste Motel One in München. Das ist nicht lange her, wenn man sich überlegt, wie viele es heute davon gibt. Allein in Berlin sind es acht. Ein neuntes ist im Bau. Im Jahr 2010 machte die Motel-One-Group einen Umsatz von 90,9 Millionen Euro.

Die Wirtschaftskrisen der vergangenen Jahre haben der Kette nichts ausgemacht. Eher im Gegenteil. Gebeutelte Firmen sparen zuallererst bei den Reisekosten – und lassen die Manager im Motel One nächtigen. „Wir sind krisenresistenter“, sagt Müller. Zuwächse in der Krise machen sie aber auch keine. 2010 wird die Marke Motel One als „bestes Budgethotel“ vom Deutschen Institut für Servicequalität ausgezeichnet. 2010 und 2011 wird es „beliebteste Budget-Hotelkette für Geschäftsreisende“ von hotel.de.

Weitere Informationen unter www.motel-one.com

Weitere Low-Budget-Ketten
Im Etap-Hotel (www.etaphotel.com) nächtigt man, je nach Lage des Hotels, für 29 bis 69 Euro.

Bei den B&B-Hotels (www.hotelbb.de) zahlt man zwischen 36 und 52 Euro die Nacht.

Im Ibis-Hotel (www.ibishotel.com) kostet die Nacht zwischen 59 und 89 Euro.