Nach der Arbeit beim Käseherstellen lockt eine zünftige Einkehr auf der Alm. Foto: Bernhard

Auf einer Alm kann man lernen, wie Milch verarbeitet wird. In der Region Chiemsee-Alpenland bieten sich 62 bewirtschaftete Berghütten an.

Oberaudorf - Auf der Alm gibt es angeblich keine Sünde. Aber dafür jede Menge Kuhdung. Der steile Weg hinauf zur Schweinsteiger-Alm (ja, ganz entfernt tatsächlich verwandt mit Fußball-Weltmeister Bastian) ist gespickt mit den Hinterlassenschaften der braun-weiß gefleckten Rindviecher, die hier an den Hängen des Wildalpjochs ihre Sommerfrische verbringen. Fast frevelhaft muten die dampfenden Fladen inmitten der blühenden Almwiesen mit wilden Orchideen, Waldhyazinthen und Knabenkraut an. Doch das ist halt Natur. „Mit Romantik hat das Almleben wenig zu tun“, sagt die Oberaudorfer Sennerin Katharina Kern.

„Das ist harte Arbeit und viel Verantwortung fürs Vieh - an sieben Tagen in der Woche.“ Dann schweift ihr Blick zu den Gipfeln und zaubert ein Leuchten in ihre Augen. „Aber schee is’ scho.“ Längst nicht mehr alle Bauern treiben ihr Milchvieh über den Sommer auf die Almen, denn auch in den idyllischen Dörfern zwischen Chiemgau und Tirol bestimmen längst globale Konkurrenz und EU-Verordnungen das Wirtschaften auf den Höfen. Manche Bauern schicken nur ihr Jungvieh hinauf auf die Höhe. Dann reicht ein täglicher Besuch um nachzuschauen, ob alles okay ist. Milchvieh dagegen verlangt Volleinsatz: zweimal täglich melken und die Milch dann entweder ins Tal bringen oder gleich vor Ort verarbeiten. Zu Käse zum Beispiel. Aus der Hälfte der 2400 Liter Milch, die Katharina Kerns Almkühe jede Woche produzieren, werden etwa 100 Kilo leckerer Schnitt- oder würziger Almkäse gemacht.

Schweinsteiger-Alm ist die artenreichste in Europa

Wie das geht, zeigen die Sennerin und ihre Nachbarin Michaela Abt regelmäßig Schulklassen und Touristen: Man nehme einen Kupferkessel, schütte zwei große Kübel Milch hinein und erwärme sie langsam auf 30 Grad. Klingt banal, verlangt aber einiges an Muskelkraft. Kessel und Kübel sind nicht gerade Leichtgewichte, und das Umrühren mit einer Art gelöcherter Kehrschaufel lässt ungeübte Arme schnell erlahmen. Endlich sind die Bakterien in der Milch auf Betriebstemperatur. Die Versuchskäser dürfen ein Reagenzglas voll Kälberlab einrühren, dann deckt die Sennerin den Kessel ab. Während die Milch „dicklegt“, gehen wir „nach den Viechern schauen“. Die stehen hoch am Hang und fressen friedlich in der Gegend herum. Ihr Speiseplan liest sich wie ein Kräuterlexikon, denn der Muschelkalkboden, die sonnige Lage und nicht zuletzt die „Bearbeitung“ durchs Almvieh machen die Schweinsteiger-Alm zu einer der artenreichsten in Europa.

Der Käse ruft! Die Milch hat sich in eine gallertartige Masse verwandelt, die es mit Hilfe einer Käseharfe in Kleinteile zu zerlegen gilt. „Schön gleichmäßig längs und quer“ zieht man mit den auf einen langen Rahmen gespannten Drahtsaiten Muster in den weißen Glibber. Gefühlte Stunden später ist der Käsebruch klein genug, um erneut erwärmt zu werden, damit er fest wird. Dann abschöpfen, abtropfen und setzen lassen - und fertig ist ein wunderbarer Rohmilchkäse, der an Mozzarella erinnert. Am Tisch gesellt er sich zum Monate gereiften Bergkäse, zu Räucherspeck, Holzofenbrot und frischem Kräuterquark. Da verdient jeder Bissen fünf Sterne. Dann läuten die Kuhglocken den Abschied. Eine halbe Stunde später und einige Höhenmeter tiefer holen die Handys tief Luft und begrüßen ihre Besitzer piepsend und surrend zurück in der Zivilisation.

Der Käsekuchen ist eine Offenbarung

Die hätte gerne noch ein bisschen wegbleiben dürfen. Zur einer ausführlichen Auszeit lädt die Baumooser Alm von Alois Sonnenhuber. Der ehemalige IT-Manager und selbst ernannte Almtrainer für Persönlichkeitsentwicklung bietet hier Übernachtung mit Vollpension: kein Strom, wenig Wasser und ziemlich frische Temperaturen in der mehr als 250 Jahre alten Alm. Doch das Wenige hat Stil. Im Schlafstadl schmücken Stoffherzen die bequemen Bettkojen, den Weg zum Örtchen begleiten Wurzelgestalten und warmer Kerzenschein. Die Küche ist Geborgenheit pur. Auf dem Holzherd blubbert ein Wasserkessel, die Holzwände samt moosiger Isolierung verleiten zum Streicheln. Der Käsekuchen aus dem Holzofen ist eine Offenbarung, nicht minder der unter Anleitung von Biologin Ursula Grießer gepflückte Wiesensalat am Abend.

Wer zur Sonnenaufgangswanderung mit möchte, darf allerdings nicht allzu lange beim Bier aus dem Felsenkeller verweilen. Gnadenlos beendet die Yak-Glocke des Hausherrn den Tiefschlaf, kurz vor 3 Uhr ist Aufbruch. Im Licht der Stirnlampen geht es steil bergan. Allmählich lösen sich die Silhouetten von Wendelstein und Wildem Kaiser vom Nachthimmel, die Welt wechselt zu Mittelgrau. Mit allen Vieren an den Fels und das Stahlseil gekrallt, ist das Finale auf den 1669 Meter hohen Brünnstein gerade so zu schaffen - die ersten Sonnenstrahlen grüßen. Die Trennung vom Bilderbuch-Panorama fällt schwer, doch der Kaffeedurst wächst. Zwei Stunden später erreicht die Truppe ihre Alm, wo Alois gleich Helfer zum Buttern rekrutiert. Die mühen sich redlich mit der hölzernen Schleuder, und in Rekordzeit ballen sich goldgelbe Klumpen. Noch schneller verschwinden sie samt Holzofenbrot und Holundermarmelade im Magen der hungrigen Wanderer. Wie simpel Glück sein kann!

So wird das Reisewetter in Deutschland

Infos zu Bayern

Anreise
Mit dem Auto über die A 8 Stuttgart-München und die A 93 München-Innsbruck nach Oberaudorf. Die Bahn, www.bahn.de , fährt mit ICE oder IC von Stuttgart via München und Rosenheim. Von dort verkehrt ein Regionalzug nach Oberaudorf.

Unterkunft
Baumoosalm, Lechen 1, 83080 Oberaudorf, Tel. 0 80 33 / 30 91 87, www.baumoosalm.de , Almzeit-Pauschalen ab 590 Euro für vier Tage.

Schuhbräu-Alm, Anton-Rauscher-Weg 8, 83126 Flintsbach, Tel. 0 80 34 / 23 91, www.schuhbräu-alm.de , ÜF ab 20 Euro.

Mitteralm, Wendelstein 6 83098 Brannenburg, Tel. 0 80 34 / 27 60, www.mitteralm-wendelstein.de , ÜF ab 26 Euro, Ermäßigung für Mitglieder des Deutschen Alpen-Vereins (DAV) und Kinder.

Allgemeine Informationen
Chiemsee-Alpenland Tourismus, Felden 10, 83233 Bernau am Chiemsee, Tel. 0 80 51 / 9 65 55-0, www.chiemsee-alpenland.de

Ausflüge
Käsen auf der Schweinsteiger-Alm mit begleitetem Almaufstieg, Kräuterführung und Käsen. Zwei feste Termine pro Monat, Preis pro Person: 12 Euro ohne, 20 Euro mit Brotzeit. Sondertermine für Gruppen, buchbar über www.oberaudorf.de .