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Islamisten und Rebellen erobern die nordsyrischen Stadt von einer Al-Kaida-Gruppe. In den Reihen des Netzwerkes „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ kämpfen zahlreiche Deutsche. Ausge- bildet werden sie in einem Flüchtlingslager im türkisch-syrischen Grenzgebiet.

A’zaz - Seit dem Morgengrauen ist der Krieg vorbei. Der Frieden döst in der Sonne vor sich hin. In Trainingshose, Unterhemd und Badeschlappen. Es ist weit nach Mittag und Abu Ammar bleibt in diesen Stunden nicht mehr zu tun, als sich zu recken: „Den haben wir es gegeben“, sagt der Fusselbart. Kratzt sich. Und grinst dem Dutzend Kämpfer zu, die er in der Nacht zum Donnerstag im Mondschein zum Sieg geführt hat. Erst lautlos, die Gesichter geschwärzt bis zur Straße der Revolution im Stadtzentrum.

Dann schossen die Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA), was ihre Kalaschnikows hergaben. Rechts neben ihnen knatterten die Sturmgewehre der Islamisten von der „Jabhat an-Nusrah li-Ahl ash-Sham“, der „Unterstützungsfront des Volkes der Levante“. Dem Terrorableger des Al-Kaida-Führers und bin-Laden-Nachfolgers Ayman al-Zawahiri.

Grafik zu Gotteskriegern

Seit Donnerstag ist die 70 000-Einwaohner-Stadt A’zaz im Norden Syriens frei. Frei von jener anderen Fraktion der Al-Kaida, die sich „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ (ISIL) nennt. Frei aber auch von den deutschen Gotteskriegern, die unter der schwarzen Fahne mit dem weißen, runden Siegel des Propheten kämpften, die die ISIL ihren Gotteskriegern vorantragen lässt. Und frei von jenen Fanatikern aus Nordrhein-Westfalen, die noch vor vier Wochen gefangenen Kurden in A’zaz die Köpfe abschnitten.

Seit Dezember schießen die Aufständischen auch aufeinander

Zurückgeblieben sind die Zelte, in denen die al-Almani, die Deutschen, im Vorort Qastal hausten. Aufgebaut in Rohbauten, auf Weiden, zwischen Oliven- und Granatapfelbäumen. „Vier, fünf Dutzend sind es gewesen“, hat ein FSA-Nachrichtenoffizier gezählt. Als klar war, dass die ISIL-Krieger ihre Stellungen nicht mehr halten konnten, sind Tunesier, Afghanen, Libyer, Briten und Deutsche geflohen. „Nach Südwesten!“

Die Kämpfe gehen in Syrien in ihr viertes Jahr. Die Freie Syrische Armee (FSA), vom Westen als Partner favorisiert, aber kaum unterstützt, löst sich auf. Kampfverbände der Al-Kaida dehnen ihre Herrschaft aus und unterwerfen die Bewohner im von ihnen kontrollierten Gebiet entlang der türkisch-syrischen Grenze einem frühmittelalterlichen Islam.

Seit Dezember schießen die Aufständischen auch aufeinander. Al-Kaida auf Al-Kaida, um zu klären, wer Terrorchef Bin-Laden nachfolgen soll. Al-Kaida auf die Rebellen der FSA, denn die Islamisten wollen in Syrien ihren Gottesstaat errichten. Für den strömen radikalisierte Teenager und Zwanzigjährige aus halb Europa nach Syrien. Etwa 300 sind aus Deutschland in den Heiligen Krieg gereist, sagen Verfassungsschützer. Treffpunkt für dem Heiligen Krieg: die „Grüne Moschee“ in der türkischen Grenzstadt Reyhanli. Hier überprüfen Dschihadisten, ob die neuen Rekruten keine Agenten westlicher Nachrichtendienste sind. Hier werden sie auf eines der drei Ausbildungslager verteilt, die die ISIL im Grenzgebiet betreibt. Deutsche, sagt ein FSA-Kommandeur, „werden vor allem im Flüchtlingslager Atmeh ausgebildet“.

Vier Wochen Schießen, Sprengen, Nahkampf

Tausendfaches Elend inmitten von Olivenplantagen. Experten des UN-Flüchtlingshilfswerkes UNHCR haben 3580 Zelte und Unterstände gezählt. Direkt an den löchrigen Maschendrahtzaun gebaut, der die Türkei hier von Syrien trennt. Mit dem Camp haben die Vereinten Nationen nichts zu tun, auch wenn neben der Einfahrt die blaue Fahne mit der Erdkugel und den beiden Olivenzweigen flattert.

28 000 Menschen haben in zwei Lagern Zuflucht gefunden. Mittendrin haben sich auch junge Männer und Frauen aus Deutschland eingenistet, die hier für den Dschihad gedrillt werden. Vier Wochen Schießen, Sprengen, Nahkampf für jeden Kriegsschauplatz, auf den die Strategen der ISIL den Heiligen Krieg tragen wollen: das syrische Aleppo, der Kaukasus, Deutschland. Salah al-Din al-Shishanis heißt das lager. Betrieben wird es von Instruktoren der tschetschenisch beherrschten Gruppe Jaish al-Muhajireen wal-Ansar (Jamwa).

Genau der Gruppe, für die im November vergangenen Jahres der Stuttgarter Ismail I. und der Mönchengladbacher Mohammad A. militärische Ausrüstung nach Syrien schmuggeln wollten, als Polizisten sie auf der Autobahn 8 stoppten. Die Jamwa hat sich seitdem gespalten. Der Teil, der sich zu bin-Ladens-Erben Zawahiri bekennt, hat sich in den Kaukasus zurückgezogen. Die Krieger, die sich der ISIL zugehörig fühlen, kämpfen in Syrien. Unter ihnen sind auch jene Deutsche, die vergangene Woche aus A’zaz vertrieben wurden.