Foto: Martin Sigmund/Oper

Die Oper „Der Rosenkavalier“ von Richard Strauss steht für das große Welttheater des bürgerlichen Lebens der Jahrhundertwende. Die Staatsoper versucht nun eine Neuinterpretation.

Stuttgart - Die Oper „Der Rosenkavalier“, von Richard Strauss 1911 für Salzburg komponiert, steht für das große Welttheater des bürgerlichen Lebens der Jahrhundertwende. In der Regie von Stefan Herheim und unter musikalischer Leitung von Manfred Honeck versucht die Staatsoper Stuttgart nun eine Neuinterpretation. Premiere ist am Sonntag, dem 1. November um 17.30 Uhr.

Herr Herheim, warum beschränken Sie sich als Regisseur auf das Musiktheater? Ich empfinde das überhaupt nicht als Beschränkung. Ganz im Gegenteil. Musik ist Drama, und ein Drama etwas höchst musisches. Beides hängt ganz eng zusammen, und als Opern-Regisseur setze ich mich mit allem auseinander, was eine Partitur dramatisch hergibt. Das ist von Epoche zu Epoche, von Komponist zu Komponist, von Werk zu Werk immer etwas ganz anderes.

Was ist das Besondere am Musiktheater, und was möchten Sie mit Ihren Inszenierungen erreichen? Der Zuschauer soll zu einer Art der Sinneswahrnehmung gelangen, die er in der alltäglichen Wirklichkeit, nicht anwendet: zum Denken mit dem Herzen, zum Fühlen mit dem Hirn, zum Hören mit den Augen, zum Sehen mit den Ohren. Adornos Behauptung, Kunst sei "Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein" - liegt mir sehr nahe. Die transzendentale Ebene des Musiktheaters macht süchtig und ich habe Entzugserscheinungen, wenn ich zu lange weg bin von dieser Kunst.

Bevor Sie nach Hamburg gingen, um bei Götz Friedrich Musiktheater-Regie zu studieren, haben Sie in Norwegen eine Opern-Marionetten-Kompanie geleitet. Als Sie im vergangenen Frühjahr an der Berliner Staatsoper Wagners "Lohengrin" inszenierten, hing beim Vorspiel der Komponist als große Puppe an Fäden vom Schnürboden herab. Passen Marionetten und Oper gut zusammen? Ich habe meine Kindheit weitgehend in der Oper in Oslo verbracht, wo mein Vater Bratscher war. Was ich dort sah, habe ich in meinem Puppentheater zu Hause spielerisch nachzubauen versucht. So entstanden Miniatur-Opernaufführungen, die ich dann - bis ins erwachsene Alter hinein - immer mehr professionalisierte. Allerdings ging es mir dabei kaum um das Marionettentheater als eigene Kunstform. Vielmehr wollte ich Herr über mein eigenes Opernhaus sein. Die Idee, "Lohengrin" an der Staatsoper in Berlin mit Marionetten zu erzählen, wuchs dagegen aus der Erkenntniss der göttlich-erhabenen Führungsproblematik heraus, die Wagners Werkdramaturgie bestimmt - ähnlich wie bei Kleist Schrift "Über das Marionettentheater".

Sie sind in Norwegen aufgewachsen, leben aber seit 1994 in Deutschland. Fühlen Sie sich in der deutschen Regie-Tradition zu Hause? Ja, sehr. Mit zwanzig war mir klar, dass ich mich in Norwegen fachlich nicht weiterentwickeln konnte, da die Tradition und gesellschaftliche Bedeutung der Oper dort relativ geringfügig ist. Und so kam ich mir in meiner Liebe zur Oper da immer ein bisschen wie ein linker Paradiesvogel vor, was gelegentlich Wut und Verzweiflung hervorbrachte - schließlich wollte ich aus meiner Leidenschaft einen Lebensberuf machen und verstand die Arbeit mit Musiktheater zunehmend als Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, nicht als Flucht in eine künstliche Gegenwelt.