Endlich da: ... Foto: Welzhofer

Flughafen Frankfurt, Terminal 1, Bereich C. Von hier starten die Flugzeuge mit dem blauen Stern auf weißem Grund Richtung Tel Aviv.

Der junge Mann blickt auf den grünen Aufkleber auf dem Streifen Papier, das in meinem Pass liegt. Dann zeigt er auf ein paar Stühle schräg hinter ihm vor einer Tür und sagt „Warten Sie bitte hier vor diesem Raum. Meine Kollegin wird sie abholen.“ Ich bin am Flughafen Frankfurt, Terminal 1, Bereich C. Von hier starten die Flugzeuge mit dem blauen Stern auf weißem Grund Richtung Tel Aviv. Aber bevor man einsteigen darf, gibt es mehrere Hürden zu überwinden. Und der junge Mann, der in seinem schwarzen Anzug, weißem Hemd und Krawatte wahrscheinlich älter aussieht als er ist, ist schon die zweite.

Zuvor wurde ich von einer Frau, die sich freundlich als Sandra vorstellt, am Check-in-Schalter befragt, noch bevor ich das Gepäck aufgeben darf. Sie empfängt mich an einem der Pulte, die hier in einer langen Reihe stehen wie hölzerne Soldaten - und hinter denen Mitarbeiter der israelischen Fluglinie El Al warten.

Sandra also will alles über mich wissen: Warum ich nach Israel fliege, was ich dort machen will, wenn ich dort kenne, wo ich wohnen werde, warum ich schon öfter dort war? Aber auch: Mit wem ich in Deutschland zusammenlebe, seit wann ich meinen Freund kenne, was ich arbeite, von was ich die kommenden zwei Monate lebe? Und vor allem: Wer meinen Koffer gepackt hat und wo der Koffer vom Zeitpunkt des Packens an bis jetzt war?

„Es ist immer wieder vorgekommen, dass Flugreisenden Geschenke mitgegeben wurden – und darin war eine Bombe“, sagt Sandra. Ja, ich weiß, denke ich, und deshalb sind vor allem allein reisende Frauen suspekt. Denn es gab den Fall einer jungen – schwangeren ! - Europäerin, deren arabischer Freund ihr – ohne ihr Wissen - eine Bombe ins Gepäck nach Israel schmuggelte, die bei den Kontrollen entdeckt wurde. (Und schon allein deshalb finde ich die strengen Sicherheitsvorschriften für Israelflüge auch völlig in Ordnung.) Dann sieht Sandra den Stempel einer Ägyptenreise in meinem Pass und holt einen Kollegen dazu. „Was haben Sie in Ägypten gemacht“, fragt der, und ich sage: „Ich war dort Touristin“. Sandra klebt das grüne Ding auf einen Papierstreifen und legt ihn in meinen Pass.

Eine Stunde später stehe ich am Gate C6 vor dem jungen Mann, der meinen Pass und das Flugticket kontrolliert. Er ist eine Art Wächter zu jenem Bereich, in dem das Handgepäck gecheckt wird. Israelreisende gehen nicht durch die normale Handgepäckskontrolle, sondern durch eine speziell Abgetrennte. Und wer einen grünen Aufkleber hat, wird nochmal gesondert durchleuchtet. Gut, dass ich – wie angeraten – drei Stunden vor Abflug am Check-in war.

Ich warte kurz vor dem Raum, eine andere allein reisende Frau stellt sich hinter mir an. „Müssen wir uns ausziehen“, fragt die halb belustigt, halb bang. Ich hoffe doch nicht. Nach kurzer Zeit tritt ein junges Mädchen – ebenfalls ohne Reisebegleitung – aus der Tür. Dann kommt Sandra und winkt mich rein. Der Raum ist vielleicht 5 Quadratmeter groß, neonhell erleuchtet. In der einen Ecke stehen ein Wasserspender und ein Glas mit Bonbons, in der anderen ein Stab mit einem Spiegel dran, wie ihn Grenzbeamte auch haben, und mit dem man vielleicht unter Koffer sehen kann. An der Wand hängt ein Poster mit einem Blick von oben auf die sandfarbenen Häuser Jerusalems, die in der Sonne golden aufleuchten.

Sandra und ein weiterer junger Mann im Anzug betupfen erst meine Schuhe und dann mein gesamtes Handgepäck mit einem weißen Tuch: Den Computer, das Handy, den Block, die Bücher, meine Brille, das Aufladegerät, ein paar Papierblätter, Zeitschriften. Dann stecken sie die Proben in einen laut rumpelnden Apparat, der nach Spuren von Sprengstoff oder sowas sucht, wie ich mal gelesen habe. Dann bin ich fertig. „Sie können gehen“, sagt Sandra, „und viel Erfolg beim Hebräischlernen“. Sie weiß wirklich schon sehr viel von mir, denke ich. Als ich den Raum verlasse nicke ich den wartenden, allein reisenden Frauen aufmunternd zu.

Jetzt müssen mein Handgepäck und ich noch durch die normale Kontrolle. Wir werden durchleuchtet und abgetastet. Danach geht es durch einen hässlich grauen langen Gang in den extra Wartebereich. Und als ich schon denke, ich hätte es überstanden, werde ich ausgerufen. „Passagier Welzhofer bitte melden Sie sich beim Sicherheitspersonal.“ Hat mir im Zug nach Frankfurt doch jemand eine Bombe ins Handgepäck eingenäht? Haben Sie herausgefunden, dass mein deutscher Freund mal eine Zeit lang Arabisch gelernt hat – nur so zum Spaß? Oder dass ich gern mal einen Döner an einem Stand esse, der von einem Iraker geführt wird? Muss ich jetzt zu Hause bleiben?

Ein Mann mit neongelber Weste zeigt mir ein Foto auf seinem Handy. Es zeigt meinen kleinen braunen Koffer. Einsam steht er im Regen auf dem Rollfeld. „Ist das Ihr Koffer“, fragt der Mann. „Ja“, sage ich ganz vorsichtig und sehe die Bilder vor mir, wie er gleich von einer israelischen Spezialeinheit gesprengt wird. „Gut, er hatte nämlich das Etikett verloren, und wir wussten nicht, ob wir ihn einladen sollen“, sagt der Mann. „Ihr großer, roter Koffer ist übrigens schon drin.“ Die Menschen hier wissen wirklich fast alles über mich, denke ich noch, bevor ich endlich ins Flugzeug einsteige.

P.S. Am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv bei der Passkontrolle stellt mir ein junger Mann mit Anzug und Krawatte noch einmal sehr, sehr viele Fragen. Und als ich in Tel Aviv den kleinen braunen und den großen roten Koffer öffne, sind beide durchwühlt.

StN-Redakteurin Lisa Welzhofer  lebt und arbeitet zwei Monate lang in Tel Aviv und berichtet für unsere Zeitung von dort. Sie ist Stipendiatin des  „Ernst-Cramer & Teddy Kollek-Fellowship“, das deutschen Journalisten einen Aufenthalt im Nahen Osten ermöglicht.