Im Bundestag liegen die Meinungen über Sterbehilfe zum Teil weit auseinander. Foto: dpa

Deutschland spricht über die Sterbehilfe, und an diesem Donnerstag tut es auch der Bundestag – Wir fassen die wichtigsten Positionen, vom Verbot der organisierten Sterbehilfe bis zu deren Straffreiheit, zusammen.

Der Bundestag will die Sterbehilfe neu regeln. Hintergrund ist die seit langem geführte Diskussion um Selbstbestimmung und Würde des Menschen am Lebensende. In der letzten Wahlperiode scheiterte Schwarz-Gelb mit einem Gesetzentwurf, der ein Verbot der organisierten und gewerbsmäßigen Sterbehilfe durch Vereine wie Dignitas vorsah. Der Entwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) fand nicht einmal die Zustimmung von CDU und CSU.

Die Rechtslage

Unter dem Begriff Sterbehilfe sind verschiedene Handlungen zusammengefasst, die rechtlich bislang unterschiedlich bewertet werden. Hier eine kurze Übersicht.

Aktive Sterbehilfe: Sie ist in Deutschland strafbar. Wer jemanden auf dessen Wunsch tötet, wird wegen Tötung auf Verlangen mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft.

Passive Sterbehilfe: Gemeint ist der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen. Laut Bundesgerichtshof dürfen Ärzte die Maßnahmen auch dann abbrechen, wenn der Patient noch nicht kurz vor dem Tod steht.

Indirekte Sterbehilfe: Die Verabreichung starker Schmerzmittel, die durch ihre Wirkung auf geschwächte Organe das Leben verkürzen können, ist nicht strafbar, wenn dies dem Willen eines extrem leidenden Menschen entspricht.

Beihilfe zum Suizid: Ein Mittel zur Selbsttötung bereitzustellen, das der Betroffene selbst einnimmt, ist nicht strafbar. Die Ärzteschaft hat sich allerdings das Verbot auferlegt, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.

Die Positionen im Bundestag

An diesem Donnerstag diskutiert der Bundestag erstmals in dieser Wahlperiode über das Thema. Die Positionen verlaufen quer durch die Fraktionen. Sie reichen von einem Verbot der organisierten Sterbehilfe durch Einzelpersonen oder Vereine bis zu deren Legalisierung. Auch die Institutionalisierung eines ärztlich assistierten Suizids ist im Gespräch. Bisher liegen mehrere, teils parteiübergreifende Papiere vor. Im weiteren Verfahren wird es vermutlich einige Gruppenanträge geben –  und am Ende eine Abstimmung ohne Fraktionszwang. Die erste Lesung eines Gesetzentwurfs ist für Ende Februar geplant. 

Menschen begleiten statt Leben beenden

Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen soll auch im letzten Lebensabschnitt gelten, fordern die Abgeordneten Claudia Lücking-Michel (CDU), Michael Brand (CDU) und Michael Frieder (CSU). Niemand müsse eine ärztliche Behandlungsmaßnahme gegen seinen Willen hinnehmen. Deshalb sollen auch die geltenden Regelungen zur Straflosigkeit des Suizids sowie der Beihilfe zum Suizid unverändert bleiben. Aber: Zum „Schutz des Lebens von Schwerstkranken und Sterbenden“ halten die Autoren eine „Justierung“ mit Blick auf die organisierte Beihilfe zur Selbsttötung für erforderlich.

Sie fordern ein Verbot von Sterbehilfevereinen und „anderen organisierten Formen der Förderung der Selbsttötung oder der Beihilfe zum Suizid“. Denn: „Wir dürfen keine Türen öffnen, durch die geschwächte oder verzweifelte Menschen hindurchgehen oder gar hindurchgedrängt werden könnten.“ Auch eine „organisierte ärztliche Assistenz zum Suizid“ wird abgelehnt. Sonst würde ein ärztlich assistierter Suizid zur normalen Behandlungsoption, „die im Ergebnis eine Öffnungsklausel für Töten auf Verlangen beinhaltet“.

Stattdessen setzen die Autoren auf ärztliche Sterbebegleitung und lindernde Hilfe sowie einen „massiven Ausbau palliativer und hospizlicher Angebote“. Im Suizid und im Angebot zur Unterstützung dabei sehen die Autoren die „Gefahr einer Werteverschiebung“. Insbesondere dann, wenn die Beihilfe durch Einzelpersonen oder durch Vereine oder durch geschäftsmäßig Tätige erfolgt. Es mache keinen Unterschied, „ob der Anbietende in Gewinnerzielungsabsicht handelt oder nicht“.

Die Autoren fordern eine Regelung im Strafgesetzbuch (StGB), Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im ärztlichen Standesrecht und im Vereinsrecht seien untauglich. Nur im StGB könne das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe durchgesetzt werden. Es sollen nur die erfasst werden, die „die Sterbehilfe zum Gegenstand eines regelmäßigen Angebots an Suizidwillige machen“. Ärzte und Angehörige würden so nicht erfasst, denn sie handeln nur im Einzelfall ohne Wiederholungsabsicht.

Freiräume für Ärzte klar regeln

„Die Achtung vor dem Leben, auch vor dem leidenden, schwer kranken und behinderten Leben, ist uns wichtig“, betonen die Abgeordneten Kerstin Griese und Eva Högl (beide SPD). Deshalb komme für sie eine Ausweitung der Sterbehilfe nicht infrage. Es gehe darum, „Leiden und Schmerzen zu verhindern oder zu lindern“. Und zwar durch „mehr und bessere Hospizarbeit und Palliativmedizin“. Ausdrücklich heben die Autorinnen auf bestehende ärztliche Behandlungsmöglichkeiten am Lebensende ab. Sie wollen nicht, dass passive und indirekte Sterbehilfe, Behandlungsunterbrechung, palliative Sedierung und assistierter Suizid verboten werden.

Die Abgrenzung zwischen strafbarer Tötung auf Verlangen und Beihilfe zum Suizid habe sich in Deutschland bewährt. Sie wollen aber auch nicht, dass durch neue Gesetze assistierter Suizid und aktive Sterbehilfe zum Rechtsanspruch oder Normalfall werden. Extreme und sehr seltene Grenzfälle könnten „nicht zum Maßstab werden, aktive Sterbehilfe insgesamt zuzulassen“. Nur in einem Punkt müsse der Gesetzgeber handeln: Die organisierte Förderung und Unterstützung des Suizids durch Vereine oder Einzelpersonen sei im Strafgesetzbuch zu verbieten.

Die Autorinnen regen eine Debatte über das ärztliche Standesrecht an. Bundesweit gebe es unterschiedliche Formulierungen, „die entweder besagen, dass der Arzt eine Beihilfe zum Suizid nicht leisten darf oder nicht leisten soll“. Es sei zu klären, ob diese Formulierungen ärztliche Freiräume für „legale Möglichkeiten der Hilfe am Ende des Lebens“ sicherten oder einschränkten. „Hier sind zunächst die Ärzte gefragt, ihr Standesrecht klar zu regeln.“

Angehörige und Ärzte nicht bestrafen

Würde die Beihilfe zum Suizid erleichtert, wäre dies „eine Kapitulationserklärung, dass diese Gesellschaft nicht in der Lage ist, alles Notwendige für menschenwürdige Bedingungen bei Pflege- und Hilfebedürftigkeit am Lebensende“ zu tun, schreiben Elisabeth Scharfenberg und Harald Terpe (beide Grüne). Der assistierte Suizid dürfe „nicht zu einer alltäglichen ‚Dienstleistung‘ im gesundheitlich-pflegerischen Versorgungsgeschehen werden“. Dadurch würde der „Druck auf Menschen, diese Option in Anspruch zu nehmen, unweigerlich steigen“. Es sei dann nur eine Frage der Zeit, bis auch eine Tötung auf Verlangen zugelassen wird.

Deshalb fordern die Autoren, die Arbeit professioneller Organisationen wie Sterbehilfe Deutschland oder Dignitas rechtlich zu unterbinden. Suizidbeihilfe solle im Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt werden, soweit sie regel- und geschäftsmäßig angeboten wird. Auch eine Institutionalisierung ärztlicher Suizidhilfe lehnen sie ab.Angehörige oder andere Personen, die einem Sterbewilligen nahestehen, sollten strafrechtlich nicht verfolgt werden, wenn sie diesen im Einzelfall bei seinem Entschluss unterstützen. Straflos solle auch bleiben, wer als Angehöriger oder langjährig behandelnder Arzt einem Sterbewilligen hilft, organisierte Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen. Dies solle aber nur gelten, wenn sie nicht aus eigennützigen Motiven heraus handeln.

Ärztliche Hilfe zum Suizid als letzter Ausweg

Es müsse alles getan werden, „um kranken Menschen durch die bestmögliche medizinische und menschliche Begleitung ein Ja zum Leben zu ermöglichen“, schreiben Karl Lauterbach, Caroline Reimann (beide SPD) und Peter Hintze (CDU). Aber es gebe Fälle, in denen auch die Palliativmedizin an ihre Grenzen stößt. Hilfestellung zum Suizid bleibt straflos, aber einige Ärztekammern untersagten „jede Form der Hilfestellung zur selbst vollzogenen Lebensbeendigung ihrer Patienten“, so die Autoren. Die komplizierte Rechtslage verunsichere Patienten und Ärzte.Deshalb solle ein „ärztlich assistierter Suizid“ erlaubt werden. Es sei ein Gebot der Menschenwürde, „leidenden Menschen an ihrem Lebensende zu helfen“. Es stärke das Selbstbestimmungsrecht, wenn Patienten „den Wunsch nach einer ärztlichen Hilfe bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung in Fällen irreversibel zum Tode führender Erkrankungen und schwerer Leiden“ äußern können.

Aber: „Nur für die Fälle, in denen eine palliativmedizinische Versorgung nicht mehr angezeigt ist, darf Ärzten eine mitfühlende Ermessensausübung und Hilfestellung bei der selbst vollzogenen Lebensbeendigung eines Patienten ermöglicht werden.“ Patienten können medizinische Behandlung jederzeit abbrechen, auch gegen ärztlichen Rat. Es sei ein „Wertungswiderspruch“, wenn ihnen ärztliche Hilfe bei der „selbst vollzogenen Lebensbeendigung vorenthalten würde“. Ein staatlicher Zwang zum Leiden wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde.

Eine strafrechtliche Regelung des ärztlich assistierten Suizids lehnen die Autoren ab. Die Therapiefreiheit in der Behandlung todkranker Menschen solle erhalten werden. Der Staat soll sich nicht einmischen, es gehe um den persönlichsten Bereich des Menschen. Es solle aber eine zivilrechtliche Regelung im BGB geben, im Umfeld der Regelungen zur Patientenverfügung unter dem Gesichtspunkt der Selbstbestimmung. Dem ärztlich assistierten Suizid müsse eine Beratung des Patienten „bezüglich anderer, insbesondere palliativer Behandlungsmöglichkeiten“ vorausgehen. Die Diagnose einer irreversibel tödlichen Erkrankung müsse von einem anderen Arzt bestätigt werden. Eine Pflicht zur ärztlichen Sterbehilfe für Mediziner solle es nicht geben. Flankierend sollen alle Formen der kommerziellen oder organisierten Sterbehilfe verboten werden.

Organisierte Sterbehilfe nicht verbieten

„Der Freitod ist in Deutschland straffrei. Die Beihilfe zum Freitod ist es deshalb logischerweise auch“, schreiben die Abgeordneten Renate Künast, Kai Gehring (Grüne) und Petra Sitte (Linke). Sie setzen sich dafür ein, „die von Angehörigen, Nahestehenden, Ärzten und Sterbehilfevereinen geleistete Beihilfe zum Freitod weiterhin straflos zu lassen“.Wer „die unvorstellbar hohen psychischen Grenzen überwindet, um sich zu einem Suizid zu entscheiden, soll nicht von anderen Menschen nach deren moralischen oder religiösen Kriterien bewertet werden“, so die Autoren. Dies wäre nach ihrer Ansicht der Fall, wenn die Beihilfe zum Freitod teilweise strafbar würde – nämlich dann, wenn sie von einem Verein geleistet wird. Die Beihilfe etwa für Angehörige oder Ärzte straffrei zu belassen, „für andere (zum Beispiel Vereine) aber das Strafrecht zu ändern und zu bestrafen ist nicht zu begründen“.

Das Strafrecht sei „nicht der Ort, seine eigene Weltanschauung oder Religion für andere zum Maßstab zu machen“.„Mehr Fürsorge statt mehr Strafrecht“ fordern die Autoren. Sterbende und Sterbewillige brauchten ein „vernünftiges, flächendeckendes und am Selbstbestimmungsrecht orientiertes System von Hilfe“. Gesundheits- und Pflegepolitik müssten grundlegend reformiert werden, „auch damit endlich bedarfsgerecht palliativmedizinische Behandlung und Hospizplätze zur Verfügung stehen“.Für Sterbehilfevereine solle es klarere Regeln geben. Denkbar sei, ihnen vorzuschreiben, dass sie „aus der Beihilfe zum Freitod kein Kapital schlagen dürfen“.

Nichtkommerzielle Vereine sollten aber weiterhin gestattet bleiben. Der Gesetzgeber müsse sie verpflichten, „sich auf eine Unkostenerstattung zu beschränken und jeden Fall genau zu dokumentieren“. Genaue Kriterien und Mindeststandards müssten formuliert werden. Dazu gehörten „insbesondere die Feststellung der freien selbstbestimmten Entscheidung, das Vorhandensein einer Patientenverfügung und ein Vier-Augen-Prinzip bei der Begutachtung“. Wer als Sterbewilliger Verwandte und nahestehende Personen habe, „muss sich nicht zwangsläufig der Unterstützung durch einen Verein bedienen“. Es wäre aber nach Ansicht der Autoren falsch, „Einzelpersonen zwingend immer für vertrauenswürdiger zu halten als gemeinnützige Vereine“, schreiben die Autoren. Was Einzelnen erlaubt sei, könne aus „verfassungsrechtlichen Gründen einem Verein nicht verboten werden“.