Gute Laune bei den Chefs der Koalition: Wenigstens in Sachen Integration findet die Regierung zu einem gemeinsamen Kurs. Foto: dpa

Die Koalition ist sich einig: Integrationsmaßnahmen sollen früher ansetzen, aber mit mehr Pflichten verbunden werden.

Berlin - Die Koalitionäre feiern sich. Angela Merkel spricht von einem „großen Fortschritt“. Der ohnehin zu stärkerer Vehemenz neigende SPD-Chef Sigmar Gabriel schraubt sich sogar zum Maximallob herauf, es sei „Historisches“ beschlossen worden. So viel ist unbezweifelbar: Mit der Absicht, ein Integrationsgesetz vorzulegen, stellt sich der Gesetzgeber der Tatsache, dass Deutschland ein Einwanderungsland geworden ist. Zumindest der Union ist das lange schwergefallen. Union und SPD haben nun einen Katalog von Maßnahmen zusammengestellt, die zwei Leitmotiven folgen: Wer dauerhaft in Deutschland bleiben wird oder zumindest eine begründete Aussicht darauf hat, soll möglichst frühzeitig eingebunden werden: in den Arbeitsmarkt, aber auch in unsere Kultur, was bei der Sprache beginnt. Und wer hier bleiben will, muss bereit sein, aktiv zur Integration beizutragen, sonst muss er mit Sanktionen rechnen. Dieses Zugeständnis ist der SPD lange schwergefallen. Alle vereinbarten Maßnahmen nehmen also die Gruppe der Zuwanderer in den Blick, die wirklich integriert werden sollen, nicht diejenigen Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten oder abgelehnte Bewerber, bei denen kein Abschiebehindernis besteht – die sollen schnell wieder gehen.

Integration am Arbeitsmarkt

Für Asylbewerber sollen 100 000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten aus Bundesmitteln geschaffen werden. Ziele seien „eine niedrigschwellige Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt“ sowie „das Angebot einer sinnvollen und gemeinnützigen Betätigung“, was eine komplizierte Umschreibung für Ein-Euro-Jobs ist.

Neu geregelt wurde, dass ein Zuwanderer, der den Status einer Duldung hat, etwa wenn sein Asylantrag abgelehnt wurde, aber ein objektives Abschiebehindernis besteht, seinen Status für die Gesamtdauer seiner Ausbildung erhält. Danach erhält er eine Duldung von sechs Monaten zur Jobsuche. Für eine anschließende Beschäftigung „wird ein Aufenthaltsrecht der Beschäftigung entsprechend für zwei Jahre erteilt“.

Wichtig ist zudem die Vereinbarung, für die Dauer von drei Jahren bei Asylbewerbern und Geduldeten bei der Arbeitsaufnahme gänzlich auf die Vorrangprüfung zu verzichten – also auf die Klärung, ob es geeignete einheimische Bewerber gibt. In diesem Zeitraum ist auch eine Zulassung für eine Tätigkeit in Leiharbeit möglich. Gebunden ist die Möglichkeit aber daran, dass „die Arbeitslosigkeit, bezogen auf das jeweilige Bundesland, unterdurchschnittlich ist“.

Gesellschaftliche Integration

Die Koalitionäre sind sich einig, dass im Zuge der Eingliederung keine sozialen Brennpunkte entstehen sollen. Die Schutzberechtigten sollen deshalb gleichmäßig verteilt werden. Das Instrument dazu ist die verbindliche Wohnsitzzuweisung und liegt in den Händen der Länder.

Das zentrale Mittel, um die Zuwanderer mit der neuen Sprache und Kultur vertraut zu machen, sind die Integrationskurse. Deshalb sollen sie schneller zur Verfügung stehen und zahlreicher werden. Schon seit vergangenem Herbst ist es Praxis, die Integrationskurse prinzipiell auch für Asylbewerber im laufenden Verfahren zu öffnen. Jedenfalls dann, wenn sie eine gute Bleibeperspektive haben. Das soll jetzt in Gesetzesform gegossen werden. Der bisherige Maßstab ist eine Anerkennungsquote von mehr als 50 Prozent für das betreffende Herkunftsland des Bewerbers. Wartezeiten von bis zu drei Monaten bis zum Zustandekommen des Kurses sollen der Vergangenheit angehören. Die Koalition peilt nun eine Frist von sechs Wochen an.

Das Fordern

Ein roter Faden des Integrationsgesetzes ist das verbindliche Fordern aktiver Integration. Bei deren Ausbleiben sollen Sanktionen ausgesprochen werden. So soll ausdrücklich geregelt werden, „dass die Leistungsberechtigten bei noch festzulegenden Integrationsmaßnahmen Mitwirkungspflichten treffen“ und dass die „Ablehnung oder der Abbruch von Integrationsmaßnahmen ohne wichtigen Grund jeweils zu Leistungseinschränkungen im Asylbewerber-Leistungsgesetz führt“. Eine unbefristete Niederlassungserlaubnis soll nur erteilt werden, „wenn der anerkannte Flüchtling seinerseits Integrationsleistungen erbracht hat“.

Die Reaktionen

Auf den ersten Blick hat Innenminister Thomas de Maizière viel von seinen Vorstellungen durchgesetzt, was besonders für den Teil „Fordern“ des Paketes gilt. In der Unionsfraktion ist man mit dem Minister sehr zufrieden. Deren Innenexperte Armin Schuster lobte die Bindung der dauernden Niederlassungserlaubnis an aktive Integrationsleistungen. „Das ist ein großer Erfolg für die Union“, sagte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Mag sein, aber jetzt beginnt vermutlich das Weichklopfen. Aydan Özoguz, die Staatsministerin für Integration (SPD), machte schon in Hinblick auf die Sanktionen klar, dass da „noch viel zu klären“ sei.