Helen Pavel (rechts) ist stellvertretende Theaterleiterin im Dreigroschentheater Foto: Archiv/ Nina Ayerle

Das Dreigroschentheater wird 40. Eine Begegnung mit dem Leiter Helmut O. Herzfeld. Getreu dem Ausspruch seines Vorbildes Bertolt Brecht „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat bereits verloren“ hat er die kleine Bühne über Jahrzehnte mit großem Einsatz geleitet.

S-Süd - Im Dunkeln weist die Leuchtschrift „3-Groschentheater“ auf eine schmale Tür hin. Dort in der Kolbstraße 4c befindet sich Stuttgarts kleinste Bühne. Dort macht Helmut O. Herzfeld seit Jahrzehnten Theater. Der Direktor orientiert sich am epischen Theater von Bertolt Brecht. Mehrfach hat der Intendant Herzfeld im Laufe der vergangenen 40 Jahre Brechts „Dreigroschenoper“ auf die Miniaturbühne gebracht. Danach hat er sein Theater benannt. Freilich werden nicht nur Stücke von Brecht gespielt, sondern auch von Dürrenmatt, Molière oder Sartre. Herzfeld nimmt nur anspruchsvolle Stücke ins Programm.„Ich will ja nicht das Volk verdummen“, sagt er.

In einem bodenlangen Gewand öffnet er die Tür zu seinem Haus auf dem Stuttgarter Haigst. Groß gewachsen und von kräftiger Natur ist der Intendant. Er ist der Chef, daran lässt er keinen Zweifel. „Der Inhaber und Leiter des Theaters bin immer noch ich“, betont der 84-Jährige stimmgewaltig, „ich inszeniere noch jedes Stück selbst.“

Sein Theater ist sein Lebenswerk

Das Dreigroschentheater ist das Lebenswerk des Pädagogen und Theologen. Getreu dem Ausspruch seines Vorbildes Bertolt Brecht „Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat bereits verloren“ hat er die kleine Bühne über Jahrzehnte mit großem Einsatz geleitet. Angefangen hat der ehemalige Lehrer mit einer Theater-AG an seiner Schule, dem Schickhardt-Gymnasium im Stuttgarter Süden. Aus Sehnsucht nach einer richtigen Bühne gliederte er die Theatergruppe aus und fand Platz in einem städtischen Gebäude an der Bopserstraße. Die Resonanz allerdings war gering. Der Plan, ein Schüler- und Studententheater zu etablieren, war gescheitert, gibt Herzfeld zu.

Mit seinem langjährigen Weggefährten und Schulkollegen Fritz Kübler („Dieser Mann hat mich in allen Teilen meines Lebens gefördert“) benannte er das Theater um und öffnete es für erwachsene Amateurtheaterspieler. Kurz darauf – die Stadt verkaufte das Haus an der Etzelstraße – fand er mit dem Dreigroschentheater eine Wirkungsstätte an der Kolbstraße.

Einige Jahre habe er sehr gute Schauspieler gehabt, gute Inszenierungen auf die Bühne gebracht, erzählt Herzfeld. Doch das Dreigroschentheater ist nicht das Stuttgarter Staatstheater und verfügt auch nicht über ein entsprechendes Budget. Es gab schwierige Zeiten. „Ich habe das trotzdem durchgezogen“, sagt Herzfeld, mehr zu sich selbst, aber in seiner üblichen Lautstärke. Viel Konkurrenz habe er gehabt durch zahlreiche andere kleine Theater. „Das hat uns sehr geschadet.“ Heute sei es kaum mehr mögliche, passable Leute zu finden, klagt Herzfeld. Das Geld reiche gerade, um die Kosten und Gebühren für die Stücke zu decken. Gagen könne er nicht bezahlen. Jedes Stück läuft über ein ganzes Jahr, das schreckt Interessierte zusätzlich ab. Ein knapp zehnköpfiges Ensemble ist Herzfeld geblieben. Auch die Zuschauer bleiben aus. „Ich glaube, wir sind am Ende unserer Existenz angelangt“, sagt Herzfeld.

Aufgeben will der 84-Jährige noch lange nicht

Das allerdings hat der 84-Jährige schon mehrmals im Laufe seiner Theaterkarriere gedacht. Zuletzt im Jahr 2011, als er schwer erkrankte. In der Not half ihm damals seine langjährige Regieassistentin und stellvertretende Theaterleiterin Helen Pavel. Sie übernahm die kompletten Geschäfte und führt das Theater seitdem mit seiner Unterstützung. „ Ohne sie hätte ich schon längst schließen müssen“, sagt Herzfeld, fast schon leise. „Es ist unglaublich, was diese Frau leistet.“ Denn die gelernte Theaterpädagogin mit Pantomime-Ausbildung leitet nicht nur kommissarisch das Theater, kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit und unterstützt ihn bei den Inszenierungen, sondern hat Herzfeld ein „vorbildliches Kindertheater“ ins Haus gebracht, wie er berichtet. Und das läuft richtig gut. Pavels Stücke locken stets viele Schulklassen an. Die rund 50 Plätze im Theater sind meistens besetzt.

Weil Herzfeld mit Pavel eine großartige Unterstützerin gefunden hat, will er weiter kämpfen, für sein Theater. Mehr als verlieren kann er ja nicht. „Das ist meine Devise.“