Beim CSD geht es traditionell schrill zu Foto: Christian Hass Stuttgart

Nachdem Kritik laut geworden war, der CSD sei zu unpolitisch, wehrte sich der Veranstalter und versprach beim diesjährigen Umzug klare Botschaften. Nicht alle sehen das als gelungen an.

Stuttgart - Dass es wieder ein Spektakel werden würde, daran hatte niemand gezweifelt. Laut Polizei besuchten 200 000 Schaulustige den großen Umzug des Christopher Street Day (CSD), der am Samstag durch die Stuttgarter Innenstadt führte. Aber ist die Parade, auch politisch genug? Der TV-Moderator Chris Fleischhauer und andere Homosexuelle äußerten Kritik, die schrille Polit-Parade würde ihre Lebenswirklichkeit nicht richtig widerspiegeln.

Dagegen wehrte sich CSD-Veranstalter Christoph Michl in einem Interview mit unserer Zeitung und kündigte an, dass der diesjährige CSD in Stuttgart politischer würde als in den Jahren zuvor. Doch die Parteien, von denen Michl klare Stellungnahmen für mehr Akzeptanz hinsichtlich sexueller Vielfalt forderte, warteten auf ihren Umzugswagen mit verhaltenen Parolen auf. Auf der anschließenden Kundgebung am Schlossplatz sendete Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) das Signal nach Berlin, dass die Ehe für Homosexuelle endlich geöffnet werden müsse.

Mit schrillen Outfits nicht gegeizt

Dragqueens, die Mitarbeiter von Schwulenbars, Freunde von Fetisch-Veranstaltungen – die Zuschauer johlten, als 75 Umzugswagen und Gruppen am Nachmittag vom Marienplatz zum Karlsplatz rollten und marschierten, wobei mit schrillen Outfits nicht gegeizt wurde. Dort, wo leisere Töne angeschlagen wurden, flachte der Applaus etwas ab. Etwa bei dem ruhigeren Auftritt einer Selbsthilfegruppe für Eltern homosexueller Kinder ließ die Aufmerksamkeit des Publikums merklich nach. Davon dürften die Kritiker des CSD gesprochen haben.

Christoph Michl hatte „knackigere Slogans“ auf den Wagen der Parteien angekündigt, die sich am Umzug beteiligten. Die Grünen plakatierten „Verliebt in Vielfalt“, die „Schwusos“ von der SPD wollten mit „Was wollen wir denn noch?“ punkten. Die Schwulenorganisation der CDU verzichtete ganz auf eine politische Botschaft an ihrem Wagen.

Darüber ärgerte sich Albrecht Bornschein aus Esslingen, der heterosexuell ist, aber die Anliegen der Homosexuellen unterstützt. „Flacher geht es ja wohl nicht“, so der 53-Jährige. Vor Jahren war er mit seinen Kindern beim CSD, damit sie Akzeptanz für sexuelle Minderheiten entwickeln.

Konkrete politische Bekenntnisse lieferte Fritz Kuhn bei der Abschlusskundgebung auf dem Schlossplatz, auf dem sich auch Prominenz aus der Politik tummelte. So zeigten sich Finanzminister Nils Schmid (SPD), CDU-Bundestagsmitglied Stefan Kaufman oder Linken-Stadträtin Laura Halding-Hoppenheit mit Homosexuellen solidarisch. „In Stuttgart darf es so einen Murks, dass Minderheiten unterdrückt werden, nicht geben“, sagte Kuhn. „Und dass die Ehe für Homosexuelle geöffnet werden muss, dass gleiches Adoptionsrecht wie für heterosexuelle Paare gelten muss, das muss die Angie (gemeint war Bundeskanzlerin Angela Merkel) endlich akzeptieren!“ Die „Ich-hab-kein-gutes-Gefühl-dabei-Haltung“ sei inakzeptabel.