Yacon-Ernte an der Uni Hohenheim Foto: Lichtgut/Horst Rudel

Mit Quiz - Bislang werden die eiweißhaltigen Samen Chia und Quinoa aus Südamerika importiert. Doch die Lebensmittelindustrie will heimische Produkte, um die Qualität besser kontrollieren zu können. Wir erklären, warum das auch für hiesige Bauern  eine Einnahmequelle werden könnte.

Stuttgart - Fast so lang wie ihr Unterarm ist die braune Knolle, die Simone Graeff-Hönninger aus der Erde nahe der Universität Hohenheim holt. Was aussieht wie eine riesige Kartoffel, nennt sich Yacon und schmeckt süß und knackig. Wie eine Mischung aus Apfel, Birne und Melone. Geht es nach der Agrarbiologin, wird dieses unterirdische Obst aus Südamerika in einigen Jahren auf vielen Äckern in Baden-Württemberg wachsen. Genauso wie die Samen Chia und Quinoa.

Alle drei Pflanzen gehören zum sogenannten Superfood. Das bedeutet: Sie enthalten überdurchschnittlich viele Vitamine, Mineralstoffe und weitere Inhalte, welche gut sind für Gesundheit und Wohlbefinden.

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Bislang werden diese Pflanzen zum Großteil aus Südamerika nach Deutschland importiert, weil sie besondere klimatische Bedingungen brauchen, um zu wachsen. „Chia und Quinoa bilden ihre Körner nur aus, wenn sie weniger als zwölf Stunden Tageslicht haben, so wie bei uns im Dezember. Gleichzeitig brauchen sie aber Temperaturen wie im deutschen Sommer“, sagt Agrarbiologin Simone Graeff-Hönninger vom Fachgebiet Allgemeiner Pflanzenbau der Universität. Dennoch wachsen diese beiden Pflanzen nun auf den Hohenheimer Feldern. Genauso wie der Yacon, der in Deutschland bislang allenfalls einigen experimentierfreudigen Hobbygärtnern bekannt war.

Mit einem Kilo Mais lassen sich 17 Cent verdienen, mit einem Kilo Chia 17 Euro

Damit die Ernte nun möglich ist, haben die Pflanzenbauer an der Uni Hohenheim viele verschiedene Sorten gepflanzt, um zu sehen: Welche verträgt doch noch ein paar Stunden mehr Tageslicht als der Durchschnitt. „Diese Sorten wurden dann miteinander gekreuzt, bis wir tatsächlich Pflanzen hatten, die in Deutschland wachsen können“, sagt Simone Graeff-Hönninger. Im nächsten Jahr sollen einige Bauern in Baden-Württemberg die südamerikanischen Pflanzen auf größeren Flächen anbauen.

Lange überzeugen musste Graeff-Hönninger diese nicht davon, mit den ungewöhnlichen Gewächsen auf ihren Äckern zu experimentieren. „Die Nachfrage aus der Lebensmittelindustrie nach regional angebautem Superfood ist riesig. Und für die Landwirte schaffen wir eine attraktive Einnahmequelle.“

Denn während ein Bauer mit einem Kilo Mais etwa 17 Cent verdienen kann, kostet ein Kilo frischer Yacon 10 bis 15 Euro, bei Chia-Samen liegen die Kilopreise bei rund 17 Euro. „Und da Chia und Quinoa aber nicht heimisch sind, gibt es keine Krankheiten und Schädlinge. Es fallen also keine Kosten für Spritzmittel an, und düngen muss man auch kaum“, sagt Agrarbiologin Simone Graeff-Hönninger. Hinzu komme, dass Lage und Klima in Baden-Württemberg prädestiniert für den Anbau von Chia und Quinoa seien.

Vegetarier und Veganer sorgen für steigende Absätze bei Chia und Quinoa

Ob allerdings auch die Qualität des in Hohenheim geernteten Superfoods mit der aus Südamerika mithalten kann, wird sich erst in den nächsten Wochen zeigen. Graeff-Hönninger betrachtet die riesigen Yacon-Knollen, die vor ihr auf der Erde liegen. „Mit der Größe und dem Ertrag sind wir zufrieden. Aber beim Superfood kommt es ja vor allem darauf an, dass die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe wie etwa die Omega-3-Fettsäuren in gleicher Menge enthalten sind wie bei den Pflanzen aus Südamerika.“

Auf diese Auswertung blickt vor allem die Lebensmittelindustrie mit Spannung. „Stimmen Qualität und Preis, werden wir künftig auf jeden Fall in Deutschland einkaufen“, sagt Wolfgang Neldner, Geschäftsführer von Acanchia. Das Unternehmen handelt für die Lebensmittelindustrie bislang mit pflanzlichen Rohstoffen in Bioqualität wie Chia und Quinoa aus Lateinamerika. „Es ist dort aber unheimlich schwer, alle Schritte vom Anbau bis zur Trocknung zu kontrollieren und wirklich Ware zu bekommen, die frei von Pestiziden ist“, sagt Neldner.

Auch er sieht für die Landwirte in Baden-Württemberg eine große Chance im Anbau der südamerikanischen Pflanzen. „In Deutschland wurden dieses Jahr bereits 2000 Tonnen Chia verkauft. Wir haben unsere Umsätze die letzten Jahre stetig verdoppelt und verdreifacht.“ Dass die Nachfrage nach dem südamerikanischen Superfood bald wieder durch einen neuen Ernährungs-Trend abgelöst werden wird, glaubt er nicht.

Für die Bauern muss die Vermarktungskette funktionieren

„Die gesunde, vegetarische und vegane Ernährung ist nicht mehr aufzuhalten. Dafür braucht es Pflanzen mit hohem Proteingehalt. Chia wird irgendwann ein normales Grundnahrungsmittel sein wie Reis.“ Auch mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung würden Lebensmittel immer wichtiger, welche Menschen anstelle von Fleisch mit Proteinen versorgen könnten.

Ganz so optimistisch schätzt Marco Eberle, Fachreferent Produktion und Vermarktung beim Landesbauernverband, die Lage nicht ein. „Grundsätzlich ist es schön, wenn sich für die Bauern alternative Einnahmequellen bieten und die Verbraucher diese auch nachfragen.“ Beispiele wie der Versuch, Soja in Baden-Württemberg anzubauen, würden aber zeigen, dass es mit der Nachfrage allein nicht getan sei. „Für einen Bauern ist entscheidend, ob die neuen Pflanzen in die Fruchtfolge passen, ob sich die vorhandenen Maschinen nutzen lassen und ob es Verarbeiter für die Erträge vor Ort gibt.“