Gemeinderabbiner Yehuda Pushkin bei seiner Rede im Schlossgarten Foto: Lg/Max Kovalenko

Landtagspräsidentin Muhterem Aras und OB Frank Nopper versichern die Juden ihrer Solidarität beim Entzünden der Lichter an den Chanukka-Leuchtern in Schlossgarten und Landtag.

So nötig war das Licht der Hoffnung lange nicht mehr: Genau zwei Monate nach dem grausamen Überfall der Hamas auf Israel mit Toten und Verschleppten wurden in Stuttgart die ersten Lichter an zwei Chanukka-Leuchtern entzündet: Im Schlossgarten, wo das Zeichen des jüdischen Chanukka-Festes seit 18 Jahren die Bedeutung der jüdischen Mitbürger in der Gesellschaft der Stadt belegt. Und im Landtag, wo der Leuchter zum dritten Mal weithin durch die großen Fenster des Foyers strahlt. Neben dem Christbaum. Mit den Symbolen beider Religionen und Landtagspräsidentin Muhterem Aras, einer Muslima, die zusammen mit Gemeinderabbiner Yehuda Pushkin das erste Licht entzündete, erfüllt sich hier das Ideal eines harmonischen und toleranten Miteinanders, wie auch der evangelische Landesbischof Ernst Wilhelm-Gohl betonte.

Ein Krieg, ein Sieg der jüdischen Makkabäer und ein Wunder im Jahr 164 n.Chr. – oder 3597 nach jüdischer Zeitrechnung – sind auch die Ursprünge des Lichterfestes. Die Juden befreiten sich aus der Fremdherrschaft der Seleukiden. Und es war ein Wunder, dass der kleine Rest des geweihten Öles, das sie für die erneute Weihe des verwüsteten Tempels brauchten, acht Tage die Flamme nährte. Seither feiern die Juden dieses Fest, bei dem acht Tage lang täglich ein Licht entzündet wird. Die Geschichte wiederholt sich, auch das Wunder?

Das Licht als sichtbares Zeichen für Freiheit und Frieden

„Chanukka sameach, ein frohes Chanukka-Fest“: „Wir feiern nicht so unbekümmert wie sonst“, betonte Michael Kashi vom Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) im Schlossgarten, „aber es ist unsere Pflicht, das Licht als sichtbares Zeichen für Freiheit und Frieden zu entzünden.“ Das 18. Mal habe eine besondere Bedeutung, denn die Zahl 18 stehe für Chai, das Leben. „Unsere Geschichte ist voller Brüche, wir werden immer wieder zerbrochen und erschüttert, aber wir leben weiter und florieren“, drückte Alon Bindes, Vorsitzender der Jüdischen Studierendenunion in Württemberg, seinen unerschütterlichen Glauben aus.

„Wir leben in dunkler Zeit“, stellte Oberbürgermeister Frank Nopper fest, der im Schlossgarten mit dem Rabbiner das erste Licht entzündete und den jüdischen Mitbürgern „tiefstes Mitgefühl“ versicherte. Umso wichtiger sei das Signal, das von Chanukka ausgeht: „Das Licht besiegt die Dunkelheit, und wir wollen jüdisches Leben in unserer Stadt zum Leuchten bringen.“

Der Antisemitismus habe erschreckende Formen angenommen

„Überall stellen Juden jetzt Chanukka-Leuchter ins Fenster“, so Mihail Rubinstein vom IRGW-Vorstand im Foyer des Landtags. Auch in Deutschland? Viele würden wieder überlegen, ob dieses Bekenntnis nicht zu gefährlich sei. Wie zur Zeit des NS-Staates, als der Leuchter, wenn überhaupt, dann nur ins Fenster zum Hof und nicht zur Straße aufgestellt wurde. Denn jüdische Menschen müssten wieder Angst haben, weil der Antisemitismus nach Ausbruch des Kriegs in Israel erschreckende Formen angenommen habe.

„Wir wollen jüdische Traditionen als Teil unseres Landes und als Selbstverständlichkeit feiern“, versicherte Muhterem Aras, „das Land Baden-Württemberg hat dazu eine ganz klare Haltung.“ Für Rabbiner Pushkin ein Anlass zum Dank für die Unterstützung von Ministerpräsident Kretschmann. Er sei gerade in Israel gewesen und habe dort immer wieder von der großen Anerkennung für Deutschland und seine Solidarität gehört. „Aber der Kampf ist noch nicht zu Ende, gemeinsam werden wir Demokratie und Freiheit verteidigen.“ Aras rief dazu auf, diese Gemeinsamkeit zu zeigen: „Stellen wir alle einen Chanukka-Leuchter ins Fenster. Ein Licht brauchen wir alle.“