Mustafa Yeneroglu Foto: dpa-Zentralbild

Wer wird neuer Außenminister in einem Jamaika-Bündnis? Dem Grünen-Chef Özdemir werden gute Chancen eingeräumt. In der türkischen Regierungspartei AKP käme eine solche Personalie gar nicht gut an.

Ankara/Berlin - Eine mögliche Ernennung von Grünen-Chef Cem Özdemir zum Bundesaußenminister eines Jamaika-Bündnisses stößt in der türkischen Regierungspartei AKP auf große Skepsis. „Dann hätten wir möglicherweise verschenkte Jahre vor uns“, sagte der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu der Deutschen Presse-Agentur in Ankara mit Blick auf die bilateralen Beziehungen. „Cem Özdemir wird in der Türkei nicht als Botschafter Deutschlands wahrgenommen, sondern als jemand, der türkische Innenpolitik betreiben möchte.“

Der Grünen-Chef ist ein scharfer Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Für den Fall, dass die Grünen in Koalitionsverhandlungen mit Union und FDP das Amt des Außenministers erhalten, gilt Özdemir als Favorit.

Yeneroglu sagte: „Ich glaube, dass sich Erdogan schon aus realpolitischen Gründen bemühen würde, Özdemir als Repräsentanten Deutschlands eine Chance zu geben.“ Das hänge aber davon ab, ob der Grünen-Chef - der Erdogan einen „AKP-Diktator“ und einen „Geiselnehmer“ genannt hat - nach einer Ernennung zum Außenminister Deutschlands seine Haltung ändere. „Wenn er vor einem möglichen Türkei-Besuch so unqualifizierte Äußerungen wie in der Vergangenheit von sich gibt, wird er nicht willkommen sein.“

Hoffnung auf eine Verbesserung der Beziehungen

Der deutsch-türkische Parlamentarier sagte, er habe Özdemir am Abend der Bundestagswahl eine SMS geschickt, in der er ihn zum Wahlergebnis beglückwünscht und seiner Hoffnung auf eine Verbesserung der angespannten deutsch-türkischen Beziehungen Ausdruck verliehen habe. Eine Antwort habe er nicht erhalten. Yeneroglu ist Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des Parlaments in Ankara.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu spielte die Bedeutung der Nachfolge von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) im „Spiegel“ herunter. „Es wäre falsch, die Beziehung zwischen zwei Ländern über Einzelpersonen zu definieren“, sagte er auf eine Frage nach Özdemir. „Wer auch immer als Bundesaußenminister in die Türkei kommt, wir lassen ihm den gleichen Respekt zukommen, der uns entgegengebracht wird.“

Die Eltern des 51-jährigen Özdemir sind in den 60er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Er wäre bei einem Einzug ins Kabinett der erste Bundesminister aus einer Migrantenfamilie. Eine türkischstämmige Staatsministerin gab es mit der Migrationsbeauftragten Aydan Özoguz schon in der auslaufenden Wahlperiode im Kabinett.

Harter Kurs gegen Recep Tayyip Erdogan erwartet

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, rechnet nicht mit negativen Auswirkungen für die deutsch-türkischen Beziehungen, sollte Özdemir Außenminister werden. „Ich glaube nicht, dass er ein großes Interesse daran hat, diesen Abstand zwischen Deutschland und der Türkei noch zu vergrößern“, sagte er der dpa.

Er hoffe nach den Wahlkämpfen vor dem türkischen Verfassungsreferendum im März und der Bundestagswahl im September sehr auf eine Verbesserung des deutsch-türkischen Verhältnisses. „Eine Normalisierung erwarten sowohl die Menschen in der Türkei als auch die Menschen in Deutschland“, sagte er. „Da muss man jetzt die ganzen Wunschvorstellungen in die Praxis umsetzen - ganz unabhängig davon, wer jetzt Außenminister wird.“

Die Linke-Außenexpertin Sevim Dagdelen erwartet von Özdemir, dass er auch bei einer Ernennung zum Außenminister seinen harten Kurs gegen Erdogan fortsetzt. „Hinsichtlich der Türkei muss er eine Politik der klaren Kante gegen Erdogan und das islamistische Regime in Ankara liefern“, sagte sie der dpa.