Das Lachen am Wahlabend fällt manchmal schwer: CDU-Fraktionschef Alexander Kotz und der Kreisvorsitzende Stefan Kaufmann am Sonntag im Stuttgarter Rathaus Foto: Leif Piechowski

Die CDU Stuttgart fiel aus allen Wolken. Das schlechte Ergebnis bei der Gemeinderatswahl, das ihr am Sonntag prognostiziert wurde, konnte sie sich tags darauf immer noch nicht erklären. Doch es blieb die Hoffnung, dass nach der endgültigen Stimmenauszählung alles nicht so schlecht ist.

Stuttgart - Die CDU-Bewerber für den Gemeinderat erhielten am Montag elektronische Post von Alexander Kotz. Der Fraktionschef im Gemeinderat beugte einem möglicherweise schmerzlichen Irrtum vor. Das erste Ergebnis der Gemeinderatswahl, das Stimmzettelergebnis, verspricht der CDU nämlich doch noch die erhofften 18 Mandate, wogegen den Grünen nur 16 winken würden. Doch bei vergangenen Wahlen kostete die genauere Stimmenauszählung die CDU meistens zwei Mandate.

Andererseits, sagte Kreiswahlleiter Martin Schairer, seien auch die Grünen inzwischen eine große Partei, die bei der Detailauswertung der veränderten Stimmzettel nicht mehr unbedingt einen Sitz hinzugewinne. Und bei der CDU wie bei der SPD hat die Zahl der unverändert für sie abgegebenen Stimmzettel zugenommen. Das könnte darauf hindeuten, dass für sie das Endergebnis diesmal weniger stark vom Stimmzettelergebnis abweicht.

Das heißt: Die Lage ist schlecht, aber die Hoffnung glimmt. Fraktionschef Kotz und Kreisparteichef Stefan Kaufmann saugen noch Honig aus der Tatsache, dass die CDU in Stuttgart bei der Europawahl und Regionalwahl besser abschnitt. Vielleicht sei es um die Trefferqualität der Prognose zur Gemeinderatswahl diesmal ja doch nicht so gut bestellt wie 2009. Damals erwies sich das Stimmzettelergebnis als fast irreführend, die Prognose als erstaunlich realistisch. Und wenn es doch anders kommt? Dann ist man sich offenbar keiner Schuld bewusst. Das Wahlziel, stärkste Fraktion zu werden und sich auf bis zu 18 Mandate einzustellen, habe sich aus der Stimmung an den Infoständen ableiten lassen, sagt Kotz. Und die Medien hätten ja auch spekuliert, dass die CDU nach vorne kommt. Sogar die Grünen, wie ihre Erleichterung am Sonntag gezeigt habe. Zudem, sagte Kotz, hätte man selbst nach der Prognose noch etwas hinzuewonnen: 0,7 Prozentpunkte.

Fraktion und Kreispartei seien in einem sehr guten Zustand, sagt Kotz. Und Kaufmann fügt hinzu, manche Mitglieder hätten von der besten Kandidatenliste der CDU seit langem gesprochen. Er selbst habe die Euphorie noch gebremst. Neben tollen Kandidaten habe man einen guten Wahlkampf und eine stringente Strategie gehabt – „alles sehr einmütig“. Die eigenen Wahlkampfthemen von denen der Konkurrenz abzugrenzen, sei schon früher schwierig gewesen. Wenn die Prognose im Endergebnis Realität werde, müsse man die Dinge sorgfältig aufarbeiten.

Personelle Konsequenzen stehen nicht auf der Tagesordnung. Kotz wird am Montag wieder für den Fraktionsvorsitz kandidieren – wenn er und die neue Fraktion zusammenpassen und wenn von ihm keine Verrenkung wie ein drastischer Linksruck gefordert wird. Kaufmann sieht auch „keinen Anlass, den Hut zu nehmen“. Darüber müsse man nicht jedes Mal diskutieren, nur weil manche das gern hätten. „Ich stand nicht zur Wahl“, sagt Kaufmann, „ich war nur Kreisparteichef und Leiter der großen Wahlkampfkommission.“

Ohne Diskussion wird es wohl trotzdem nicht gehen. Auf der von Kaufmann gelobten Liste hatten Personen aus seinem Umfeld vordere Plätze. Stadträte mit bekanntem Namen oder Titel, etwa Klaus Nopper und Dr. Cornelius Kübler, wurden weiter hinten gesetzt, als ihnen lieb war. Darum wird das Abschneiden der vermeintlichen Kaufmann-Günstlinge und der Verprellten heute ganz besonders beobachtet.

Nopper sagte am Sonntag: „Die CDU scheint das Sieger-Gen verloren zu haben. Wie man das ändert? Politik macht man mit Personal- und Themenangeboten.“ Kübler, der Schwiegersohn des früheren Kreisvorsitzenden Gerhard Mayer-Vorfelder, mit dessen Ägide der Kreisverband manch glückliche Erinnerung verbindet, war von Anfang an skeptischer. Das Beispiel der Freien Wähler zeige nun auch, dass Plakatschlachten keinen Einfluss aufs Ergebnis hätten, sagt Kübler, was auch ein kleiner Seitenhieb auf eifrig plakatierende Parteifreunde sein könnte. Kübler gibt freimütig zu: „Wir haben gedacht, das Thema Stuttgart 21 ist weg, die Grünen stürzen wieder ab. Da haben wir uns verschätzt.“ Kübler fordert, dass die CDU ihre familienpolitischen Defizite beseitigt. Am weitesten wagte sich die Stadträtin und Ex-Fraktionschefin Iris Ripsam vor: Die Prognose sei für die CDU ein Fiasko. Kaufmann missbilligt das: „Ein vorläufiges Ergebnis als Fiasko zu kommentieren, ist bedenklich.“

Trotzdem denken längst einige an vermeintlich bessere Zeiten zurück. Nicht nur an Mayer-Vorfelder, sondern auch an Christoph Palmer, der den Kreisvorsitz nach einer Ohrfeigen-Affäre abgab. Dann begann der Abstieg. Zumindest dem Ergebnis bei den Gemeinderatswahlen nach.