Kampfpanzer werden auf dem Bahnhof Sondershausen verladen Foto: dpa

Verteidigungsministerin von der Leyen will den „Schrumpfungsprozess“ der Bundeswehr stoppen. Dafür wirft sie auch Prinzipien der vor fünf Jahren gestarteten Bundeswehrreform über Bord.

Berlin - Breite vor Tiefe? Möglichst viele Fähigkeiten vorhalten, aber in keinem Segment spezialisiert? Diesem Leitmotiv, über Jahrzehnte für die deutschen Streitkräfte gültig, will Ursula von der Leyen nicht mehr um jeden Preis folgen. Sie halte „nichts von solchen Schlagworten“ wie „Breite vor Tiefe“, sagte die Bundesverteidigungsministerin in einem jetzt im Internetportal der Bundeswehr veröffentlichten Interview.

Von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière hatte für die von ihm fortgeführte und von Karl-Theodor zu Guttenberg eingeleitete Neuausrichtung der Bundeswehr betont, Einsatzkontingente müssten in Zukunft „einfacher zusammengestellt werden können, hinreichend robust und in der Lage sein, sich auf wechselnde Einsatzoptionen einzustellen. Daher wird ein breit angelegtes Fähigkeitsspektrum benötigt, aus dem die erforderlichen Fähigkeiten für den Einsatz modular bereitgestellt werden können.“

Doch inzwischen hat die Ukraine-Krise den Blick der Nato für alte neue Fähigkeiten geschärft. Noch bei ihrem Gipfel im September vergangenen Jahres in Wales beschloss die Allianz, zum Schutz der baltischen Nato-Partner wie auch von Polen, Rumänien und Bulgarien, eine neue Speerspitze des Bündnisses aufzustellen. Die rund 5000 Soldaten dieser superschnellen Eingreiftruppe sollen binnen zwei bis sieben Tagen für Einsätze in Konfliktregionen bereitstehen.

Jetzt will die deutsche Verteidigungsministerin die Panzerkräfte der Bundeswehr womöglich weniger stark reduzieren als zunächst geplant. Nach der von de Maizière 2011 in die Spur gesetzten Bundeswehrreform sollte die Zahl der Kampfpanzer des Typs Leopard 2 von 350 auf 225 reduziert werden. Von der Leyen plädierte für eine Rückbesinnung auf diese Fähigkeit: „Anstatt funktionstüchtige Leopard 2 auszumustern und zu verschrotten, sollten wir überlegen, wie wir das gute, noch vorhandene Material in bestehende Strukturen integrieren können.“

Von der Leyen stellte dabei auch das sogenannte dynamische Verfügbarkeitsmanagement in der Truppe infrage, mit dem eine Mangelverwaltung gemeint ist, bei dem beispielsweise Material oder Gerät des Heeres bei Bedarf auch anderen Truppenteilen zur Verfügung gestellt wird. Die Verteidigungsministerin verwies nun darauf, dass dieses „dynamische Verfügbarkeitsmanagement“ in der Breite der Bundeswehr noch überhaupt nicht in Kraft sei. Von der Leyen räumte ein, dass viele Soldaten bereits heute „an allen Ecken und Ende Materialengpässe“ erlebten.

Ob man es „dynamisches Verfügbarkeitsmanagement“ oder anders nenne: „Entscheidend ist doch, dass die Bundeswehr nicht schleichend in eine Mängelverwaltung hineingeraten darf, die zunehmend den Grund- und Ausbildungsbetrieb aushöhlt.“ Diesen Trend müsse Deutschland umkehren, sonst stünden die Einsatzfähigkeit seiner Streitkräfte und die Zuverlässigkeit in Bündnissen infrage.