Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beim Truppenbesuch Foto: dpa

Ursula von der Leyen hat für die Weiterentwicklung der Bundeswehr, für ihre sicherheitspolitisch gebotene Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung viele Weichen richtig gestellt, kommentiert unser Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - Ursula von der Leyen wird das kaum gefallen. Will der Bundestag am Donnerstag in seiner Debatte um den Bericht des Wehrbeauftragten über das Wesentliche sprechen, muss es um den Vertrauensverlust zwischen der Verteidigungsministerin und einem großen Teil ihrer Mitarbeiter gehen.

Zwar gehört inzwischen sehr viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass von der Leyen im Herbst ihren Posten in der neuen Bundesregierung wieder übernehmen wird. Egal wie die Wahl ausgeht. Aber Misstrauen wird das Miteinander zumindest bis zu einem Wechsel bestimmen.

Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr

Das ist bedauerlich. Zunächst für die Truppe, weil von der Leyen ihr Ansehen beschädigt. Fehler in der Personalführung, Unschärfen im Umgang mit dem Erbe der Wehrmacht und den Terrorismusverdacht gegen einen Offizier und dessen Unterstützer hat sie zum nicht belegbaren Generalverdacht verdichtet: Die Armee hat ein Haltungsproblem, auf das all diese Probleme zurückzuführen sind. Nie trat deutlicher zutage, wie wenig die Ministerin und ein Teil ihres engsten Beraterkreises ihre Soldaten kennen.

Gefremdelt haben beide Seiten allerdings schon früher. Von der Leyens Ansatz zum Beispiel, gegen Missstände in der Armee auch mit zivilen Methoden und Managern anzugehen, stieß bei vielen Militärs auf Vorbehalte. Dabei war er ja nicht falsch. Das Rüstungswesen braucht eine Rosskur. Und von der Leyens Sicht, dass die Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr von einer nennenswerten Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeberin abhängt, bleibt unwiderlegbar richtig.

Eindrücke stoßen vielen Soldaten bitter auf

Das Problem, das von der Leyen nun mit voller Wucht einholt: Eine an zu vielen Top-Positionen stromlinienförmige militärische Führung hat versäumt, nach beiden Seiten Verständnis zu schaffen. Unter Soldaten etwa dafür, dass die Mühe um familienfreundlichere Arbeitsbedingungen notwendig und nicht etwa als schleichende Entmilitarisierung des Militärs gemeint ist. Was bei vielen aber anders ankam. Bei der Ministerin Verständnis dafür, dass sie genau solche Eindrücke aktiv entkräften und Vertrauen schaffen muss.

Denn diese Eindrücke stoßen vielen Soldaten besonders bitter auf. Warum? Einige haben erfahren, dass ihr Überleben im Kampf nicht so sehr von Fortschritten bei Gleitzeit, Gleichstellungsbeauftragten und Kinderbetreuung abhing, sondern von militärischen Primärtugenden wie Tapferkeit, Kameradschaft, dazu von Ausbildung und Ausrüstung. Viele weitere Soldaten haben selbst die perversesten Ausprägungen terroristischer Gewalt erlebt oder zumindest deren Folgen mit eigenen Augen gesehen. Das prägt, kommt aber in den Top-Themen der Führung kaum vor, im öffentlichen Diskurs schon gar nicht.

Schaden für die nationale Sicherheit

Kein Wunder also, dass sich Anführer und Angeführte in der Bundeswehr schon länger nicht sicher waren, ob sie durchgängig dasselbe für wichtig und richtig halten. Kein Wunder auch, dass dieses gegenseitige Misstrauen in der aktuellen Krise ein schlimmes Ausmaß erlangt hat.

Bedauerlich ist das auch deshalb: Die Ministerin hat für die Weiterentwicklung der Bundeswehr, für ihre sicherheitspolitisch gebotene Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung viele Weichen richtig gestellt. Sie kämpft erfolgreich für eine bessere Ausstattung. Es wäre ein Schaden für die nationale Sicherheit, würden diese Fortschritte mit der Person von der Leyen infrage gestellt.

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de