Szene Foto: Theater der Altstadt

„Bunbury oder: von der Notwendigkeit Ernst zu sein“, ist das bekannteste Bühnenstück Oscar Wildes. Im Theater der Altstadt in Stuttgart (Rotebühlstraße 89) wird unter der Regie von Philipp Becker daraus nun eine grelle Farce.

Stuttgart - Cecily trägt ihr Blondhaar mit Blauton, Gwendolen bevorzugt einen rosa Schimmer, beiden haben sie große bunte Schleifchen vor der Brust. Jack und Algernon stecken in kurzen gemusterten Hosen, der eine wickelt sich ein teures Sweatshirt um den Hals, der andere trägt unter einem knappen Jäckchen nichts als seine Tattoos. Und das Haar des renitenten Butlers ist aus Plastik.

„Bunbury oder: von der Notwendigkeit Ernst zu sein“, ist das bekannteste Bühnenstück Oscar Wildes – eine elegante Komödie um Schein und Sein, ein Salonstück von boshafter Doppelbödigkeit, in dem Bonmots serviert werden wie Gurkensandwiches.

Im Theater der Altstadt in Stuttgart (Rotebühlstraße 89) wird unter der Regie von Philipp Becker daraus nun eine grelle Farce, die mehr an Tim Burton erinnert, als an Oscar Wilde. Wo der Dandy Wilde mit satter Ironie zwei Junggesellen präsentierte, die nicht ernst sein wollen und es zuletzt doch sind, erlebt das Publikum eine Welt, in der sich aller Ernst längst schon verabschiedet hat und nur noch Phrasen übrig sind. Der Stuttgarter Autor Markus Bauer hat Wildes Text neu übersetzt und umgeschrieben, geblieben sind die Charaktere und das Handlungsgerüst – der Rest ist Werbefernsehen, Chatroom, Markenname, Casting-Show. Und hineingerührt in all das: ein wenig Sartre und de Beuavoir, hie und da ein Zitat von Georg Büchner, ein bisschen Dekadenz, ein bisschen Marx, ein bisschen Bioladen: ein Exzess der Oberflächlichkeit.

Mitunter amüsiert dies, manchmal ist es trefflich bitteres Kabarett, manchmal scheint die Strategie der maßlosen Übertreibung, des postmodernen Ausverkaufs, mit der das Stück arbeitet, aufzugehen.

Zwischen Kira Thomas, die die Gwendolen spielt, und Tina Rottensteiner in der Rolle der Cecily kommt es zu einem Schlagabtausch von wunderbarer Bosheit; Stefan Müller-Doriat und Jörg Pauly spielen Algernon und Jack mit reichlich Schwung, Verzweiflung und Albernheit; Lou Bertalan hat sichtliches Vergnügen daran, in der Rolle von gleich zwei Butlern sarkastische Bemerkungen einzustreuen; Intendantin Susanne Heydenreich rollt als bizarre Tante im Kegelkleid über die Bühne und fächelt sich Luft zu. Dietmar Kwoka und Lucia Schlör spielen in gewollt grotesker Vertauschung der Geschlechter die Gouvernante Miss Prism und den Kanonikus Mr. Chasuble.

Katharina Müller schuf für diese Charaktere Kostüme, die den Wahn der Selbstinszenierung auf psychedelische Spitzen treiben, Siegfried Albrecht eine beeindruckende Bühne aus Marmorsäulen, hinter denen eine grobe, unverputze Wand hervorschaut. Und dennoch droht Ermüdung. Zeitgeistvokabeln peppen die Sätze auf, und es gelingt dem Stück nicht wirklich, Wildes Komödie der Identitäten zu einer Satire auf den Identitätsverlust umzudeuten.

Karten unter 07 11 / 61 55 34 64. www.theater-der-altstadt.de