Brian Ferry Foto: Picasa / Festspielhaus

Er ist der Dandy des Pop. Nun hat der britische Musiker Bryan Ferry auf seiner Deutschlandpremiere im Festspielhaus Baden-Baden Station gemacht, um seine einmalige Karriere noch einmal Revue passieren zu lassen.

Baden-Baden - Dass die Popmusik sich als Kunstform längst in der Mitte der Gesellschaft etabliert hat, bringt manchmal leider nicht nur Vorteile mit sich. Schön zu bestaunen war dies am Mittwochabend im Baden-Badener Festspielhaus. Deutschlands größter Konzertbau ist mit zwei Sekunden Nachhallzeit für unverstärkte sinfonische Musik und Musiktheaterproduktionen konstruiert, frühe Reflexionen gibt es aufgrund der enormen Bauhöhe kaum, Nachhallreflexionen aufgrund fehlender Diffusoren umso mehr.

Und so mischt sich beim Konzert von Bryan Ferry in der kompletten vorderen Hälfte des Parketts, also ausgerechnet auf den besten Plätzen, in den Bühnenklang ständig das zeitverzögert von den spiegelglatten Flächen der Saalrückwände reflektierte Echo des Schlagzeugs, insbesondere die zischelnden Töne von Hi-Hat und Snaredrum. Akustisch ist allein das bereits unbefriedigend, zum Debakel wird es durch die für das Festspielhaus offensichtlich völlig untaugliche Verstärkeranlage. Schon beim Vorprogramm, bestritten von der grotesk um Aufmerksamkeit ringenden amerikanischen Sängerin Kate Earl, inspiziert ein Tontechniker irritiert die Lautsprecherboxen, doch vergeblich: Ein amorpher, unkonturierter, viel zu basslastiger Klang hart an der Schmerzgrenze beschallt über das ganze Konzert hinweg die vorderen Reihen.

Eine Besetzung mit der Band Roxy Mucis wäre angemessen gewesen

Sehr schade, lockte doch ein inzwischen 71-jähriger Bryan Ferry ein gut mitgereiftes Publikum nach Baden-Baden, um mehr oder weniger einen Best-of-Abend der größten Erfolge seiner Band Roxy Music zu zelebrieren. Auch das erstaunt vordergründig, hat Ferry doch eine Diskografie von fünfzehn Soloalben zu bieten. Doch von seinem aktuellen Longplayer „Avonmore“ spielt er gar nichts, sein zweiterfolgreichster Hit „Don’t stop the Dance“ kommt ebenfalls nicht vor; lediglich „Slave to Love“ gleich zum Warmwerden und – im Mittelteil aneinandergeklebt – vier weitere Stücke aus seinem eigenen Repertoire singt der Brite.

So gesehen wäre eine Besetzung mit seiner legendären stilprägenden Band oder zumindest als Tourneemotto „Bryan Ferry performs the Best of Roxy Music“ irgendwie angemessener gewesen. Das gebotene Material hingegen ist über jeden Zweifel erhaben. „Ladytron“, „Bitter-Sweet“, „Re-Make/Re-Model“, „More than this“, „Avalon“, „Love is the Drug“ sowie zum Abschluss der kleinen Zugabe „Do the Strand“ – die größten und schönsten Roxy-Music-Klassiker hat er im Gepäck. Gespielt werden sie von einer siebenköpfigen Begleitband, die auch nicht gerade für klangliche Reduktion, dafür aber für Internationalität steht. Insbesondere die junge australische Saxofonistin Jorja Chalmers lässt der Dandy Ferry dabei in den Vordergrund rücken, daneben musiziert eine Mischung aus Jung (der dänische Gitarrist Jacob Quistgaard) und alt (extrem stilsicher und ebenfalls an der Gitarre: Ferrys alter Weggefährte Chris Spedding).

Vokal unterstützt wird er von einem bezaubernden Backgroundgesangspärchen. Braucht Bryan Ferry diese Assistenz mittlerweile? Ja, mag man bei John Lennons „Jealous Guy“ in der Zugabe denken. Vielleicht, glaubt man dann bei Neil Youngs „Like a Hurricane“, bei dieser Interpretation greifen die beiden ihm doch schon kräftig unter die Arme. Und nein, so dann doch der überwiegende Eindruck. Bryan Ferry, einer der großen Gentlemen des Pop, ist sehr würdig älter geworden. Seine Singstimme betört noch immer, sein distinguiertes Repertoire aus eigener und fremder Feder besticht noch immer durch überdauernde Qualität. Zu Recht darf dieser – in Baden-Baden allerdings extrem wortkarge – Ausnahmekünstler huldvoll die Ovationen eines begeisterten Publikums im nahezu ausverkauften Saal entgegennehmen. Ein stimmigeres Ambiente wünscht man ihm aber für das nächste Mal. Dass es ein nächstes Mal geben wird, scheint angesichts dieses nach wie vor sehr vital wirkenden Mannes sicher.