Weihnachtsmann? Rentierschlitten? Humbug. Und doch erzählen Erwachsene Kinder jedes Jahr aufs Neue diese Mär. Foto: dpa

In der Weihnachtszeit wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Erwachsene erzählen Kindern, dass der Weihnachtsmann die Geschenke bringt und sie schön artig sein müssen, dass er auch zu ihnen kommt. Sind die Weihnachtsmann-Schwindeleien sinnvoll oder gefährden sie die kindliche Entwicklung?

Stuttgart - Sollen Kinder an den Weihnachtsmann glauben? Sollen Eltern ihnen Weihnachtsmärchen erzählen, obwohl sie wissen, dass sie nicht wahr sind? Ist das überhaupt gut für die kindliche Entwicklung? Und was ist mit den Schwindeleien? Schließlich soll man nicht lügen, wird Kindern von Erwachsenen immer wieder gesagt. Die Frage treibt Väter und Mütter von kleinen Kindern in der Vorweihnachtszeit um wie kaum ein andere. Auch unsere beiden Redakteure sind höchst unterschiedlicher Meinung:

PRO: Kinder brauchen Märchen

Kinder lieben Märchen. Kinder brauchen Mythen. Wundersame Geschichten von Feen und verzauberten Wesen, Prinzen und Prinzessinnen, Zauberspiegeln und Traumschlössern. Das Fantastische existiert in der kindlichen Welt – und ist so real wie etwas in der realen Welt nur sein kann.

Das gilt besonders für den Weihnachtsmann. Kinder lieben den freundlichen älteren Herrn mit dem Kugelbauch, dem langen Rauschebart und dem roten, mit weißem Pelz verbrämtem Gewand. Beileibe freuen sie sich nicht nur auf die Geschenke, die er an Heiligabend angeblich mit seinem Rentierschlitten von Tür zu Tür bringt.

Beim kindlichen Glauben an den Weihnachtsmann geht es nicht um Fakten, Rationalität oder Logik. Es geht um Fantasie, Imagination und Spiel. Ihre Gedanken kreisen zu lassen und auszuleben macht Kinder nicht nur glücklich, es fördert auch ihre Kreativität und soziale Kompetenz, ihre geistige und sprachliche Entwicklung. Kinder brauchen mythische Typen und märchenhafte Gestalten, um ihr ganzes Potenzial entfalten zu können.

Eltern müssen sich keine Sorgen machen, dass die harmlosen Santa-Claus-Schwindeleien das Vertrauensverhältnis zu ihren Kindern belasten oder den Nachwuchs in seiner geistig-emotionalen Persönlichkeitsentwicklung verkümmern lassen. Spätestens wenn die Kids in die Grundschule kommen, werden sie von ihren Mitschülern „aufgeklärt“.

Und irgendwann löst sich das Problem mit dem rot-weißen gewandeten Grinse-Opa, dem engelsgleichen Christkind und dem lustigen Osterhasen ohnehin in Luft auf. Was einem davon später als Erwachsener bleibt, ist die Erinnerung an den Zauber der eigenen kindlichen Weihnacht und die Freude über das Glück der eigenen Kinder, wenn das Christlind kommt. (Markus Brauer)

Weihnachtsmann-Schwindeleien

CONTRA: Kindern die Wahrheit sagen

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Oder war es der Weihnachtsmann? Der Nikolaus? Knecht Ruprecht? Manche Eltern müssen erst einmal selbst einen heimlichen Blick ins Kinderbuch werfen, bevor sie ihren Kleinen die Weihnachtsgeschichte erzählen können ohne dabei ins Stocken zu kommen. Das ist peinlich genug vor dem Hintergrund des mit Emotionen und Erwartungen völlig überfrachteten Stellenwerts dieses Fests. Kinder sind zu recht verwirrt ob der multiplen Existenz von Geschenke-Bringern.

Und wer ist denn nun der echte Nikolaus? Der aus dem Kindergarten oder der vom Kaufhof? Ob sie es wirklich glücklicher macht, zu glauben, dass ein Christkind/ Weihnachtsmann/ Nikolaus die Geschenke bringt, fragt man sich vor lauter nebulöser Besinnlichkeit gar nicht mehr. Die Freude auf und beim Kindergeburtstag ist eigentlich Beweis genug dafür, dass Geschenke weder auf dem Schlitten geliefert werden noch durch den Kamin rutschen müssen.

Dass es an Weihnachten ursprünglich um etwas anderes als Geschenke ging, interessiert unter Zehnjährigen mutmaßlich herzlich wenig. Und ob Kinder an etwas glauben oder nicht, entscheiden sie sowieso selbst. Bei Monstern und Gespenstern beteuern viele Eltern schließlich auch vergeblich deren Nicht-Existenz, verweisen auf die blühende Fantasie der Kinder während die Kreaturen in der kindlich-magischen Vorstellung ganz selbstverständlich im Kleiderschrank wohnen.

Sagen wir den Kindern doch einfach die Wahrheit: an Heiligabend gibt es Geschenke, weil man sich zeigen möchte, dass man sich gern hat (wobei auch das mithin eine Lüge sein kann, aber das ist eine andere Geschichte). Worauf diese Tradition fußt, kann man ihnen ja dann aus dem Kinder-Weihnachtsbuch vorlesen. (Simone Höhn)