An den Börsen stehen die Zeichen auf Sturm Foto: dpa

Die Entwicklung der Aktienmärkte weltweit steht auf tönernen Füßen. Weltpolitische Ereignisse legen sich wie Mehltau auf die Kurse. Wohin führt der Weg in den kommenden Monaten?

Wie stellt sich die Lage aktuell dar?

Seit fünf Jahren ist der Dax im Höhenflug – doch die meisten deutschen Sparer haben den Börsen längst den Rücken gekehrt. Zudem schrecken die jüngsten Turbulenzen viele ab. Der Deutsche Aktienindex Dax hat am Freitag zum ersten Mal seit Oktober vergangenen Jahres kurzzeitig die Marke von 9 000 Punkten durchbrochen – nach unten. Auch andernorts stehen die Zeichen auf Sturm. In Japan hatten die Börsen deutlich im Minus geschlossen. Die US-Börsen traten am Freitag auf der Stelle.

Welche Faktoren beeinflussen die aktuelle Entwicklung?
Experten nennen vor allem weltpolitische Gründe. „Dies liegt allein an den Ereignissen in der Ukraine und auf der Krim“, sagt etwa Oliver Roth vom Handelshaus Close-Brothers-Seydler. Roth ist einer der erfahrensten Akteure und Händler auf dem Frankfurter Börsenparkett. Die politischen Entwicklungen dort seien unklar, die wirtschaftlichen Auswirkungen nicht abzusehen. Niemand wisse wie lange die Krise noch andauern werde, sagt Roth. All dies führt zu großer Unsicherheit. Die Börse mag solche Szenarien nicht. Daher werden Aktien verkauft und mögliche, noch vorhandene Gewinne gesichert. Das zieht den Dax im Moment nach unten.
Wie geht es weiter? Ist nur das Thema Krim entscheidend?
Die Entwicklung in der Ukraine ist auf dem Börsenparkett derzeit das Thema Nummer eins. Fachmann Roth erwartet aber in absehbarer Zeit, also in drei bis vier Wochen, eine Lösung, mit der auch die Finanzmärkte gut leben können. Politische Börse haben erfahrungsgemäß „kurze“ Beine, sagt er. Allerdings könnte es auch anders kommen. Die Finanzmärkte wollen finanzielle Sicherheit. Wenn Krisen wie jetzt auf der Krim nicht politisch gelöst werden, bedeutet das anhaltende Unsicherheit. Ob die Krim auf Dauer zur Ukraine gehört oder auf der Seite Russland stehen wird, spielt für die Börsen eine nur untergeordnete Rolle. Aber eine mögliche weitere Eskalation des Konfliktes werde die Aktienmärkte weiter belasten, glaubt der Close-Brothers-Seydler-Händler.
Sinken die Kurse weiter?
Der Aktienmarkt hat sich seit Beginn der Krise eigentlich erstaunlich gut gehalten. Die Folgen des Referendums auf Krim sind noch nicht klar, obwohl alles andere als ein Votum für Russland nach den Vorbereitungen, die eher an alte, stalinistische Zeiten erinnern, eine Überraschung wäre. Roth ist daher der Meinung, dass es im Dax durchaus noch abwärts Richtung 8 000 Punkte gehen kann. „Aber wenn die Krim nicht mehr in den Schlagzeilen ist, geht es auch wieder hoch über 9000.“ Sogar 10 000 Punkten könnten dieses Jahr drin sein. Jedenfalls müssten sich die Anleger auf starke Schwankungen einstellen.
Wie stellt sich das Börsenumfeld dar?
Experten sehen derzeit eine durch das billige Geld der Zentralbanken künstlich angeheizte Hausse. Die Konjunktur läuft noch. Was Fundamentaldaten, wie Wirtschaftswachstum oder Arbeitslosigkeit betrifft, ist der Anstieg der Kurse im vergangenen und auch in diesem Jahr laut Experten aber nicht voll abgesichert. Dennoch sind Händler wie Roth davon überzeugt, dass „wir hohe und durchaus wieder steigende Kurse sehen“, solange die Zinsen niedrig sind. Korrekturen sind aber immer möglich.
Wie stellt sich die Lage der Firmen dar?
Händler Roth meint: „Moderat positiv.“ Die Zahlen hätten größtenteils den Erwartungen entsprochen, sagt er. Positive Überraschungen seien selten gewesen, negative aber häufiger, etwa bei den Versorgern. Die Unternehmen seien eben auch verwundbar. Gerade für die Firmen ist politische Stabilität wichtig, besonders da es sich um Unsicherheiten in bedeutenden Märkten wie Russland handelt.
Welche Rolle spielen die Notenbanken?
Die Hauptrolle. Die Europäische Zentralbank ( EZB) und die US-Notenbank Fed sind die graue Eminenz im Hintergrund. Sie werden weiter versuchen, die Zinsen niedrig zu halten im Spagat zwischen Inflation, Deflation, dem möglichem Abwürgen der Konjunktur und der Lage auf dem Arbeitsmarkt, ist sich Roth sicher. Und generell mit Blick auf die weitere Entspannung in der noch nicht überwundenen Schuldenkrise. Natürlich haben sie die Refinanzierung der Staaten im Blick. Würden die Zinsen signifikant steigen, wären viele Staaten pleite.
Stehen Zinserhöhungen an?
Das Thema Zinssenkung in Europa ist derzeit vom Tisch. Gegen Ende des Jahres oder Anfang 2015 dürfte man in Europa allerdings wieder über steigende längerfristige Zinsen reden.