Rudolf Decker hat Ideen und Lösungsvorschläge für die Bewältigung der Konflikte in Afrika in einem Buch festgehalten. Foto: factum/Granville

Der ehemalige Böblinger CDU-Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitiker Rudolf Decker bringt verfeindete Staatsoberhäupter und Rebellenchefs in Afrika an einen Tisch und will so für ein bisschen mehr Frieden sorgen. Nun hat er ein neues Buch veröffentlicht.

Böblingen - Hans-Jochen Vogel, der ehemalige SPD-Parteivorsitzende und Bundesminister, ist ein enger Freund von ihm. Mit ihm hat Rudolf Decker seit langem die Internationalen Berliner Begegnungen zur Völkerverständigung gestaltet. Ihn zog er auch bei der Entstehung seines jüngsten Buches „Europa und Afrika“ zurate, für das Vogel das Vorwort schrieb. Der CDU-Politiker Decker liefert darin Denkansätze und Visionen über ein künftiges Miteinander der Kontinente – und plädiert für Hilfe zur Selbsthilfe. Decker nutzt ein internationales, überparteiliches Netzwerk, hat bereits 108 Reisen in afrikanische Länder unternommen und Treffen mit Staats-und Rebellenchefs organisiert. Der fromme Christ will vor allem eines: einen Beitrag für den Frieden leisten.

Herr Decker, Sie sind in Afrika inzwischen fast bekannter als in Böblingen.
Das trifft auf manche Länder in Afrika wohl zu (lacht). Tatsächlich, ich bin viel unterwegs. Zudem liegt meine Zeit als Stadt- und Kreisrat sowie als Landtagsabgeordneter lange zurück. Ich mache zum Thema Völkerverständigung keine Öffentlichkeitsarbeit, weil in der Regel die vertraulichen Gespräche das nicht zulassen.

Einladung zum National Prayer Breakfast

Wie kam es überhaupt dazu, dass Sie sich für die Völkerverständigung einsetzen?
Während meiner Zeit als Landtagsabgeordneter habe ich den Anstoß dazu bekommen. Ich wurde im Jahr 1979 zum National Prayer Breakfast nach Washington eingeladen. Zuerst konnte ich mit dem Begriff gar nichts anfangen. Ein Freund hatte mir die Einladung vermittelt. Bei den traditionellen, überparteilichen Treffen kommen amerikanische und auch ausländische Abgeordnete und Amtsträger zusammen zu einem persönlichen Gedankenaustausch und zum Gebet. Damals lernte ich den US-Präsidenten Jimmy Carter persönlich kennen. Zuletzt erlebte ich Präsident Trump.
Wie kam es, dass Sie so viele Kontakte nach Afrika haben?
Eines Tages kam eine Anfrage aus den USA, ob ich den Kontakt zu Somalias Präsidenten Siad Barré aufnehmen und weiterführen könnte, der zuvor von den Amerikanern eingeleitet worden war. Durch dessen Empfehlung ergaben sich dann Kontakte zu weiteren Staatsoberhäuptern.

Decker: Sich begegnen, ohne übereinander herzufallen

Worum geht es dabei?
Wir haben zahlreiche Beziehungen zu führenden Persönlichkeiten in Afrika aufgebaut. Dadurch wurde es möglich, Regierungschefs mit schwierigen gegenseitigen Beziehungen an einen Tisch zu bringen. Ich fahre aber nicht nach Afrika, um politische Konflikte zu lösen oder Sachfragen zu klären. Es geht vielmehr um die Frage, ob und wie man sich begegnen kann, ohne übereinander herzufallen. Und es geht darum, überhaupt miteinander zu reden und dabei eine respektvolle, persönliche Ebene zu finden, um komplizierte Konflikte mit Erfolg anzugehen. Das ist im übrigen auch der Geist, den das Prayers Breakfast prägt.
Gibt es diese Treffen auch bei uns?
Ja, ich habe im Landtag mit anderen Abgeordneten ein solches Frühstück gegründet. Im Jahr 1982 haben wir dieses Idee in den Bundestag übertragen. Zwei Jahre später haben wir dann die gemeinnützige Vereinigung zur Förderung der Völkerverständigung gegründet.

Konflikte zwischen Kopten und Muslime

Wohin führte Sie ihre jüngste Reise?
In diesem Februar war ich mit dem Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Johannes Singhammer, in Ägypten. Ein Anlass war die Idee, im dortigen Parlament ein Gebetsfrühstück ins Leben zu rufen. Dort gibt es Probleme zwischen der koptischen Minderheit und den Muslimen des Landes.
Wie ging das Ganze aus?
Die Diskussion ist nun im Gange.
Was haben Sie bisher bewirkt?
Das wären sehr lange Geschichten. Manche finden Sie in meinem neuen Buch. Der sudanesische Botschafter in Berlin bat mich zum Beispiel 1992, seinen Präsidenten Omar al-Bashir, gegen den im übrigen ein Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs vorliegt, mit seinem Erzfeind, dem ugandischen Präsidenten Museveni, zusammenzubringen. Das gelang, am Ende beteten wir. Nach mehreren vertraulichen Begegnungen der Präsidenten einigten sich die kriegsführenden Parteien auf eine friedliche Lösung. Das gelang nicht zuletzt deshalb, weil es möglich wurde, dem frommen Moslem und dem Christen ihre Verantwortung vor Gott und den Menschen bewusst zu machen. In manchen Fällen gelingt das, manchmal sind meine Bemühungen aber auch fehlgeschlagen.

Aufbau demokratischer und wirtschaftlicher Strukturen

Woran liegt das?
Es gibt vielfältige Gründe. Zum Beispiel alte Stammesfehden, Armut, Hunger, das hohe Bevölkerungswachstum, der Kampf um Rohstoffe, Grenzkonflikte. Eine große Rolle spielen auch persönliche Vorurteile.
Wäre den armen Ländern mit mehr Geld aus dem Topf der Entwicklungshilfe gedient?
Nein, nicht unbedingt. Es geht eher um Mitwirkung beim Aufbau demokratischer und wirtschaftlicher Strukturen. Dass zum Beispiel ein gutes Handwerk entsteht und Innungen gegründet werden. Es müsste wie bei uns eine duale Ausbildung eingeführt werden. Wenn es genügend Maler gäbe, könnte ein ganzes Heer davon in der Kairoer Innenstadt Hand anlegen. Es gäbe für Handwerker jeder Branche viel zu tun und genügend Arbeit für viele Menschen. Aber das Entwicklungsministerium erklärte mir, man unterstütze nicht den Aufbau umfassender Strukturen, sondern beschränke sich auf einzelne Projekte.

Manchmal hat er Angst um sein Leben

Das ist ziemlich niederschmetternd.
Das sehe ich auch so. Es gibt aber vielversprechende, neue Ansätze. Wenn wir Afrika helfen wollen, müssen wir in vielerlei Hinsicht umdenken. Die Afrikaner fühlen sich allein gelassen mit ihren Problemen. Dabei werden die Probleme der unterentwickelten Länder und der Menschen, die unter Krieg und Entbehrungen leiden, zunehmend auch und in den wohlhabenden Regionen dieser Welt Probleme bereiten. Schauen Sie auf die tausenden und abertausenden von Bootsflüchtlingen.
Haben Sie Angst um ihr Leben auf ihren Reisen in unsichere Gebiete? Oder wenn Sie den Kriegsführern die Hand reichen?
Ja, dann und wann. Ich sehe mein Leben in Gottes Hand. Ich war zum Beispiel ein Mal mit einem Reporter des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Ost-Kongo. Wir haben dort einen Rebellenchef besucht. Danach mussten wir mit einer gecharterten kleinen, zweimotorigen Maschine nach Uganda fliegen. Wir kamen in ein einen Gewittersturm, konnten diesem aber nicht ausweichen, denn der Pilot hatte nicht genügend Sprit an Bord. Zwischenlanden war wegen der Kampfhandlungen im Bürgerkrieg nicht möglich. Zum Glück ging das Ganze am Ende aber dann doch gut aus.